Rezension

Birgit Dalbajewa / Simone Fleischer / Kathleen Schröter: (Hgg.) Sozialistisch sammeln. Die Galerie Neue Meister zur Zeit der DDR, Köln: Verlag der Buchhandlung Walther König 2014, 191 S., ISBN 978-3-86335-500-5, 29.80 EUR
Buchcover von Sozialistisch sammeln
rezensiert von Maike Steinkamp, Stiftung Hans Arp und Sophie Taeuber-Arp e.V., Remagen-Rolandswerth

In der Publikation "Sozialistisch Sammeln. Die Galerie Neue Meister zur Zeit der DDR" setzen sich die Kunstsammlungen Dresden, respektive die Galerie Neuer Meister, mit ihrer eigenen, jüngeren Sammlungsgeschichte auseinander. Das Buch protokolliert Erwerbungen und Ausstellungen die zwischen 1945 und 1990 getätigt wurden und stellt exemplarisch dar, auf welchen Wegen zeitgenössische Kunst während der Zeit der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR ihren Weg in die Sammlung fand. Auch das Wirken der General- und Galeriedirektoren wird einbezogen, ebenso wie die potentielle Einflussnahme durch kulturpolitische Institutionen wie zum Beispiel durch den Kulturfonds der DDR.

Die Aufarbeitung der Sammlungsgeschichte ist Teil des groß angelegten und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung zwischen 2009 und 2012 geförderten Verbundprojektes "Bildatlas: Kunst in der DDR". Das Projekt, an dem neben den Staatlichen Kunstsammlungen auch das Institut für Soziologie der TU Dresden, das Kunstarchiv Beeskow und das Zentrum für Zeithistorische Forschungen beteiligt waren, hatte es sich zur Aufgabe gemacht, Kunstwerke die zu DDR Zeiten geschaffen wurden zu dokumentieren und ihre unterschiedlichen Wege in die jeweiligen Sammlungen nachzuvollziehen. [1] Begrüßenswert ist, dass die Bestandsdaten aller beteiligten Institutionen auch in einer Online-Datenbank zugänglich gemacht wurden, was eine Erschließung und Nutzung ebenso wie eine mögliche Neubefragung der Werke überhaupt erst umfassend möglich macht. Ausgangspunkt des Projektes war die Tatsache, dass große Teile der in der DDR geschaffenen Kunstwerke seit dem politischen Umbruch 1989 in den Depots von Museen, Sondereinrichtungen oder Unternehmen lagern, ohne für die Öffentlichkeit sichtbar zu sein. Dabei zeigt gerade der nach 1990 geführte "deutsch-deutsche Bilderstreit", bei dem es zu teils heftig geführten Diskussionen über die Bewertung der Kunst aus der DDR und ihrer staatlichen Abhängigkeit kam, wie wichtig eine Sichtbarmachung der Werke und eine differenzierte Debatte über die gesellschaftliche und politische Funktion der bildenden Künste in der DDR und die Umstände unter denen sie - offiziell und inoffiziell - entstanden, ist, um sich so von Pauschalurteilen (Auftragskunst, Staatskunst) zu emanzipieren. [2]

Diese Sichtbarmachung und Aufarbeitung der Bestände gelingt der von Birgit Dalbajewa, Simone Fleischer, Gilbert Lupfer und Kathleen Schröter herausgegebenen Dokumentation "Sozialistisch Sammeln". Systematisch arbeitet der Band mithilfe umfangreicher Archivbestände und Zeitzeugeninterviews die Ankäufe und Ausstellungsgeschichte der zeitgenössischen Kunstwerke zwischen 1945 und 1990 heraus. Dabei gliedert sich die Publikation in vier Aufsätze, die unter unterschiedlichen Gesichtspunkten die Sammlungsgenese der Galerie betrachten. Ihnen vorangestellt ist eine bebilderte Chronik der Ankäufe und Ausstellungen der Gemäldegalerie bzw. der Galerie Neuer Meister, wie sie seit 1959 hieß, die in Bezug zu den (kultur-)politischen Entwicklungen in der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR gestellt werden (14-87). In einer statistischen Analyse werden im Anschluss daran die Erwerbungen und Ausstellungen zeitgenössischer Kunst aufgeführt, wobei die Autorin Simone Fleischer nicht nur zwischen Kunst aus der DDR, Arbeiten vor 1945 und ausländischen Werken unterscheidet, sondern auch Sujet, Anzahl und Art des Eingangs in die Sammlung dokumentiert (88-113). Ihre Leitfrage ist dabei, ob und inwiefern die Ankäufe ein "Spiegelbild des sozialistischen Kunstschaffens in der Welt" waren (88). Eine Frage, die auch die nachfolgenden beiden Aufsätze umtreibt. In ihnen werden die unterschiedlichen Faktoren betrachten, unter denen zeitgenössische Kunst in die Galerie Neue Meister gelangte. Ein maßgeblicher Faktor war die Ankaufspolitik der jeweiligen General- und Galeriedirektoren. Ihr Wirken und Einfluss auf die Gestaltung der Sammlung schildert Thomas Rudert in einer quellenreichen, chronologischen Darstellung der jeweiligen beruflichen Biografien (114-129). Ein weiterer Faktor waren die staatlichen Institutionen, wie der Rat der Stadt Dresden, das ZK oder der Kulturfonds der DDR, die durch Förderprogramme Einfluss auf die Ankäufe der Sammlung nehmen konnten. Diesem Umstand geht Kathleen Schröter in ihrem Aufsatz nach, indem sie untersucht, ob und inwiefern Ankäufe oder "Übereignungen" politisch gelenkt beziehungsweise wie viele Freiheiten den Direktoren zugestanden wurde (130-177). Dabei kommt sie zu dem Schluss, dass es - zumindest in Dresden - bei staatlich geförderten Erwerbungen keine direkte politische Einflussnahme gab, jedoch die Ankaufspolitik in keinster Weise als mutig zu betrachten sei, agierten die amtierenden Direktoren doch zum größten Teil im Einklang mit den staatlichen Vorgaben innerhalb der Kulturpolitik. Ein Umstand den schon Rudert in seinem Essay herausgestellt hat. Der vierte Aufsatz ist dem juristischen Verfahren bei Vermögensschäden gewidmet, die nach der Gründung der DDR entstanden sind (178-183). Ohne sich konkret auf die Situation an den Dresdner Kunstsammlungen zu beziehen, zeigt der Jurist Michael Geißdorf darin die rechtliche Situation von zu DDR Zeiten enteigneten Werken auf, wobei er Restitutionsfragen bezüglich sowjetischer Enteignungen und der Bodenreform, die vor der Gründung der DDR stattfanden, ausklammert. Sein Essay endet mit einem Appell an die Museen sich ihrer Sammlungsgeschichte zu stellen und ihre "Bestände einer sorgfältigen Provenienzrecherche zu unterziehen" (183).

Dieser Aufgabe haben sich die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden mit der vorliegenden Veröffentlichung gestellt. Den Autoren geht es nicht darum die Erwerbungspolitik der Galerie Neuer Meister zu rechtfertigen, vielmehr geht es ihnen um einen objektiven und gleichwohl einordnenden Blick auf die Ankaufspolitik zwischen 1945 und 1990. Dies gelingt. Darüber hinaus hätte man sich jedoch an manchen Stellen eine tiefergehende Analyse und stärkere Kontextualisierung im Hinblick auf die Geschichte der eigenen Sammlung und die (kultur-)politischen, künstlerischen und museologischen Vorgaben, Freiheiten und Debatten in der DDR gewünscht. Dies muss nun weiteren Forschungen vorbehalten bleiben, für die die vorliegende Publikation jedoch eine hervorragende Grundlage bildet.


Anmerkungen:

[1] Mehr Informationen zum Verbundprojekt "Bildatlas: Kunst in der DDR" unter www.bildatlas-ddr-kunst.de.

[2] Vgl. dazu zusammenfassend Eduard Beaucamp: Der deutsch-deutsche Kunststreit - 20 Jahre nach dem Fall der Mauer, in: 60 40 20 - Kunst in Leipzig seit 1949, hgg. v. Karl-Siegbert Rehberg / Hans-Werner Schmidt, Leipzig 2009, 256-261.


Maike Steinkamp

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Empfohlene Zitierweise:

Maike Steinkamp: Rezension von: Birgit Dalbajewa / Simone Fleischer / Kathleen Schröter: (Hgg.) Sozialistisch sammeln. Die Galerie Neue Meister zur Zeit der DDR, Köln: Verlag der Buchhandlung Walther König 2014
in: KUNSTFORM 17 (2016), Nr. 1,

Rezension von:

Maike Steinkamp
Stiftung Hans Arp und Sophie Taeuber-Arp e.V., Remagen-Rolandswerth

Redaktionelle Betreuung:

Oliver Sukrow