Rezension

Ulinka Rublack: Dressing Up. Cultural Identity in Renaissance Europe, Oxford: Oxford University Press 2010, ISBN 978-0-19-929874-7, 30.00 GBP
Buchcover von Dressing Up
rezensiert von Gerhard Jaritz, Medieval Studies Department, Central European University, Budapest

Ulinka Rublack, Reader für 'Early Modern European History' an der Universität Cambridge, hat in den letzten Jahren wichtige Veröffentlichungen zur frühneuzeitlichen Geschichte Europas vorgelegt. Dabei zeigte sie ihr besonderes Interesse an gender- und reformationsgeschichtlichen Fragestellungen.

Die nun erschienene Studie repräsentiert mehr als eine Geschichte des frühneuzeitlichen Kleidungswesens. Sie versucht vielmehr zu zeigen, welch wichtige und identitätsbildende Bedeutung der äußeren Erscheinung des Menschen in der Renaissancegesellschaft beigemessen wurde. Die Autorin sieht die Zurschaustellung durch Kleidung und die bildliche Vermittlung derselben als Teil einer soziokulturellen Argumentation, welche die Dynamik der frühneuzeitlichen Gesellschaft entscheidend beeinflusste und prägte.

Das Buch konzentriert sich auf die Analysen süddeutscher, vor allem Nürnberger und Augsburger Quellen. Das erste Kapitel ("Looking at the Self") widmet sich dem wohlbekannten, 1520 begonnenen Klaidungsbüchlein des Matthäus Schwarz (1497-1574), Hauptbuchhalters der Fugger in Augsburg. Mit der von Geburt an vermittelten visuellen und textlichen Darstellung und Beschreibung seiner Kleidung, äußeren Erscheinung und verschiedener wichtiger Lebensstationen repräsentiert die Quelle ein von Mustern geprägtes, detailliertes Selbstbild.

Das zweite Quellencorpus, das Ulinka Rublack untersucht, zeigt die Bezugnahme auf das äußere Erscheinungsbild in der religiösen Auseinandersetzung des 16. Jahrhunderts und widmet sich den diesbezüglichen Diskursen, die ab den Zwanzigerjahren entstanden und in der Konfrontation herangezogen wurden. Die Autorin kommt zum Ergebnis, dass der Unterschied zwischen protestantischer und katholischer Geistlichkeit oder Mährischen Hutterern viel eher gesehen, gefühlt und gerochen werden konnte, als dass man darüber las.

Das 16. Jahrhundert stellte auch jenen Zeitraum dar, in welchem nationale Elemente und deren Zurschaustellung sowie die Beurteilung derselben und Kritik an ihnen stark an Bedeutung gewannen. Jenes Interesse zeigt sich vor allem auch in den Äußerungen der deutschen Humanisten zum Kleidungswesen und den auf diesen aufbauenden, oft von Stereotypen geprägten visuellen Darstellungen der Völker Europas und deren sozialer Gruppierungen. Das Ideal deutscher äußerer Erscheinung, besonders im Kontrast zur französischen Kleidung, spielte eine wichtige Rolle.

Das Interesse am Anderen machte nicht in Europa Halt. 'Globale' Erfahrungen und die Faszination, welche fremde Kulturen hervorrufen konnten, schlugen sich auch in visuellen Repräsentationen der Menschen anderer Kontinente nieder. Die Autorin widmet sich dabei im Besonderen der Handschrift des Nürnbergers Sigmund Heldt, der 1560 bis 1580 die in diesem Zeitraum weltgrößte Kompilation von 867 Kleidungsabbildungen zusammenstellte, welche sich einerseits auf in Nürnberg getragene Stücke konzentrierte, andererseits jedoch unter anderem auch Afrikaner, Indianer, bekehrte Moslems und Türken vermittelt. Damit zeigte Heldt einerseits ethnographisches Interesse, verwies gleichzeitig jedoch auch auf die Bedeutung der lokalen Nürnberger Tradition und deren Beibehaltung.

Kleidung repräsentierte ein besonderes Objekt der Kommunikation innerhalb von Familien und zwischen Freunden, was Ulinka Rublack anhand der Analyse von Briefwechseln der Nürnberger Familie Behaim und der Illustrationen in erhaltenen Nürnberger Freundschaftsalben nachweisen kann. Darüber hinaus analysiert die Autorin auch Kleiderordnungen und Inventare, um gerade aus einer solchen Quellenvielfalt die Kreation bürgerlicher Identität mittels äußerer Erscheinung zu erkennen.

In einem Epilog fasst Rublack nochmals die wichtige Rolle von Kleidung und deren visueller Repräsentation zusammen und betont ihre Relevanz für die gesellschaftliche Dynamik der Renaissancegesellschaft. Eine umfangreiche Bibliographie verstärkt den Wert der Studie.

Durch die Breite des herangezogenen Quellenmaterials und dessen kritische, komparative und kontextsensitive Analyse vermittelt der Band damit ein umfassendes Bild zur Bedeutung von Kleidung und äußerer Erscheinung für die Identitätsbildung in der frühneuzeitlichen deutschen Gesellschaft. Die Autorin zeigt in außergewöhnlich gelungener Weise die wichtige Rolle auf, welche diese öffentlichkeitsintensiven Teile der materiellen Kultur für die Konstruktion von Selbst- und Fremdbildern spielen konnten. Man darf der Studie sehr berechtigt eine große Anzahl von 'idealen Lesern' wünschen, auf welche sich Ulinka Rublack im letzten Satz ihres Buches bezieht: "It [= the book] will leave my ideal reader with an understanding of why we can say that clothes made history, and history can be about clothes."


Gerhard Jaritz

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Empfohlene Zitierweise:

Gerhard Jaritz: Rezension von: Ulinka Rublack: Dressing Up. Cultural Identity in Renaissance Europe, Oxford: Oxford University Press 2010
in: KUNSTFORM 13 (2012), Nr. 1,

Rezension von:

Gerhard Jaritz
Medieval Studies Department, Central European University, Budapest

Redaktionelle Betreuung:

Julia A. Schmidt-Funke