Rezension

Utta Bach: Die Gartenkultur am Münchner Hof unter Kurfürst Max Emanuel 1679-1726. Realisierung - Administration - Botanik, München: Herbert Utz Verlag 2007, 269 S., ISBN 978-3-8316-0771-6, 54.00 EUR
Buchcover von Die Gartenkultur am Münchner Hof unter Kurfürst Max Emanuel 1679-1726
rezensiert von Jochen Martz, Institut für Landschaftsarchitektur, Technische Universität, Dresden

Im Kreis der Gartenkunstforscher werden Arbeiten, die sich in einem breiteren Rahmen einer auf Primärquellen gestützten Aufarbeitung eines Zeitabschnitts widmen, stets mit großem Interesse aufgenommen. Dies gilt besonders, wenn es sich wie im vorliegenden Fall um die gartenkunsthistorisch interessante Regierungszeit von Max Emanuel und die in seiner Ära im barocken Stil um- oder neugestalteten Gärten des kurbayerischen Hofes handelt.

Bei dem vorliegenden Buch von Utta Bach handelt es sich um die im gleichen Jahr fertiggestellte Dissertation der Autorin. Die Arbeit basiert auf einem umfassenden archivalischen Studium der Primärquellen. Sämtliche erhaltenen Rechnungsbücher aus der Regierungszeit Max Emanuels wurden gesichtet und im Rahmen der Arbeit hinsichtlich ihrer Relevanz für die kurbayerische Gartengeschichte ausgewertet. Zur Bearbeitung des Themas erscheint die Autorin aufgrund ihres fachlichen Hintergrundes geradezu prädestiniert. Sie dürfte eine der wenigen LandschaftsarchitektInnen sein, die sich in einem Zweitstudium zusätzlich den Geschichtswissenschaften gewidmet hat. Etwas bedauerlich ist allerdings, dass die in der Person der Autorin angelegte Interdisziplinarität in der Arbeit nicht immer umgesetzt werden konnte. Wie bereits die Einreihung in die Publikationsreihe "Geschichtswissenschaften" verrät, handelt es sich um eine rein historische Arbeit ohne kunsthistorische Ansätze. Dies schlägt sich unter anderem darin nieder, dass - wie bei geschichtswissenschaftlichen Hochschularbeiten meist üblich - nahezu gänzlich auf Illustrationen verzichtet wurde, mit Ausnahme von sechs Diagrammen, die dem Buch in einer Lasche beigegeben sind. An mehreren Stellen spricht die Autorin zwar Ansichten und Pläne an, doch wird keine Verschränkung zwischen den Plänen und den Primärquellen hergestellt. Lediglich das Cover ziert eine recht interessante Entwurfszeichnung einer Allee in Nymphenburg.

Das Buch gliedert sich in sechs große Abschnitte. Im ersten Kapitel fächert die Autorin unter dem Titel "Die Gartenlandschaften am Münchner Hof unter Max Emanuel" die Vielfalt der Hofgärten in und um München auf. Acht Anlagen vom Großen Hofgarten bis Nymphenburg werden behandelt, und deren Ausstattung anhand von Abschnitten über "Architekturelemente", "Wasserkunst", Figurenschmuck und Bepflanzung charakterisiert. Entsprechend den von der Autorin ausgewerteten Quellen liegt der Schwerpunkt hierbei auf dem Unterhalt und der Pflege der Anlagen. Den größten Raum nehmen jeweils die Abschnitte über die Bepflanzung ein. Der Leser erfährt hier einige wichtige Detailinformationen zu Pflanzenlieferungen, die man sich auch für andere Anlagen wünschen würde. Interessant ist auch die Tatsache, dass auf einer Altana (nicht Altona) der Münchner Residenz 1680 Pomeranzen in Kübeln aufgestellt wurden. Positiv zu vermerken ist zudem, dass mit dem Hofküchengarten ein meist in der Literatur vernachlässigtes Thema unter Verweis auf zahlreiche archivalische Quellen behandelt wird. Für den spezialisierten Forscher, der zweifelsohne die Zielgruppe der Publikation darstellt, wäre die Umschrift der Passagen im originalen Wortlaut - über die im Anhang beigefügten transkribierten Quellen hinaus - noch aufschlussreicher. Bei einigen von der Autorin verwendeten fachlich unpräzisen Begriffen wie "Früchtebäume" (37, 38) an Stelle von Obstgehölzen, "aufokkultierte" Triebe (38) an Stelle von aufokulierte Pfropfreiser bzw. Pelzer sowie "Blumen", bleibt offen, ob sie diese Termini den Quellen entnommen hat oder nicht.

Im zweiten Kapitel beschäftigt sich die Autorin mit der "Residenzlandschaft" München. Hier referiert sie über die Baupolitik des Münchner Hofes um 1700. Eine längere Passage widmet sie dabei dem französischen Garten und dem vermuteten, weil nicht direkt nachweisbaren Einfluss des französischen Gartentheoretikers Dezallier d'Argenville. Recht interessante Details sind dabei u.a. archivalische Nachweise für die Existenz einer Baumschule für Linden zur Anlage der Alleen im Schleißheimer Schlossgarten für 1689 (82) und der Nachweis des Gärtners und Fontainiers Dominique Girard im Besoldungsbuch von 1716 (83).

Der dritte Abschnitt befasst sich eigens mit den Gartenpflanzen am Münchner Hof. Dabei wird allgemein auf die Rolle des Obst-, Gemüse und Kräuteranbaus eingegangen sowie die Einnahmen aus dem Verkauf von überschüssigem Gemüse und Kräutern aus Nymphenburg zwischen 1675 und 1726 angeführt. Ein weiterer Unterabschnitt beschäftigt sich mit der Garten- und Hausväterliteratur in der Münchner Hofbibliothek. Anhand des Katalogs aus dem Jahr 1655 wird die ehedem vorhandene Literatur dargelegt, wobei die Autorin exemplarisch aus dem Inhalt einiger Werke der Hausväterliteratur referiert. Bedauerlicherweise hat sich aus der Zeit Max Emanuels kein entsprechender Katalog erhalten, sodass zum Vorhandensein barocker Gartentraktate und deren evtl. Vorbildwirkung am Münchner Hof keine Aussagen getroffen werden können. Im letzten Unterabschnitt dieses Kapitels werden "Bäume und Blumen für die Hofgärten" behandelt. Sehr interessant für die Forschung sind die hier genannten nachweisbaren Pflanzenlieferungen und jeweiligen Preise. So erfährt der Leser z.B., dass der Preis für Einfassungs-Buchs für das Jahr 1703 zwischen 30 Kreuzer und einem Gulden für ein "Purdt" (=Bündel) lag (111). Derartige Angaben sind für weitergehende Forschungen an anderen barocken Gartenanlagen, für die lediglich summarische Pflanzenausgaben überliefert sind, nicht hoch genug einzuschätzen.

Das vierte Kapitel behandelt unter dem Titel "Das Hochbauamt und die Gärten" die administrative Seite der kurbayerischen Gartenkultur. Dabei behandelt die Autorin sowohl die bei Regierungsantritt vorhandenen Gärten als auch neue Projekte, wobei sie u.a. den Einsatz von türkischen Kriegsgefangenen und "Zuchthäuslern" nachweisen kann (122). Den weitaus größten Teil dieses Kapitels nimmt die Beschreibung der Organisation des Bauwesens ein. Dabei räumt sie zur Erläuterung einer Bauamtsinstruktion von 1655 weiten Raum ein und legt die Hierarchien und Abhängigkeiten des kurbayerischen Bauwesens detailliert offen.

Das fünfte Kapitel widmet sich unter dem etwas allgemeinen Titel "Gärten - Lustgärten - Hofgärten" der Gärtnerausbildung, wobei die Autorin ausführlich auf eine "Lustgartenordnung" mit Instruktionscharakter für Gärtner aus dem Jahre 1682 eingeht (147-150). Ferner stellt sie anhand der bearbeiteten archivalischen Bestände eine Liste der Hofgärtner mit den jeweiligen Dienstzeiten zwischen 1679 und 1714 für die kurbayerischen Hofgärten auf. Unterabschnitte widmet sie der Beschreibung der Umsetzung der Pläne, die sie anhand der Rechnungsbücher detailliert darstellt. Hier würden Abbildungen von Plänen das Verständnis wesentlich erleichtern.

Das sechste und vielleicht interessanteste Kapitel behandelt ein in der Gartenforschung meist vollkommen vernachlässigtes Themenfeld - die Finanzierung des Bau- und Gartenwesens. Eindrücklich kann die Autorin nachweisen, dass die für die Bauprojekte Max Emanuels notwendigen exorbitanten Summen durch bewusst unvollständige Buchführung und eine Ausgliederung des Bauwesens aus dem Zuständigkeitsbereich der Hofkammer sowie die Einrichtung einer "Großen Geheimen Kommission" verschleiert wurden. Diese Praxis der Geheimhaltung der wahren Baukosten, die nahezu zum Staatsbankrott führten, wurde erst nach dem Tod des Kurfürsten aufgedeckt. Die realen Ausgaben versucht die Autorin in den beigegeben Diagrammen (Abb. 2-6) zu visualisieren. Auch auf die späteren Auswirkungen der maßlosen Finanzpolitik Max Emanuels auf das Gartenwesen geht die Autorin ein und schildert, dass nach dessen Tod sämtliche Hofgärtner vor eine Kommission geladen und zum rigorosen Sparen angehalten wurden sowie weitreichende Gehaltskürzungen hinnehmen mussten. Da den jahrelang unbezahlt tätigen Gärtnern somit wenigstens ein kleines regelmäßiges Einkommen zugesichert wurde, seien sie gerne einverstanden gewesen.

Auch ein umfangreiches und umfassendes Literaturverzeichnis, das die themenrelevante Sekundärliteratur weitestgehend benennt, ist enthalten. Insgesamt gelingt es der Autorin aus dem Fundus der von ihr bearbeiteten archivalischen Quellen zahlreiche Detailinformationen zu ziehen und dem Leser zu vermitteln. So konnte sie z.B. den bei Imhoff [1] von 1690-1701 genannten Planungs- und Baubeginn für den Schleißheimer Hofgarten anhand von Buchsbaumlieferungen bereits ab April 1689 sicher belegen (10).

Die verdienstvolle Arbeit stellt zweifelsohne einen Beitrag zur gartengeschichtlichen Grundlagenforschung dar. Die Publikation ist durch die Erschließung des reichhaltigen Quellenmaterials ein wichtiger Baustein für die Gartenkunstforschung.


Anmerkung:

[1] Gabriele Imhof: Der Schleißheimer Schlossgarten des Kurfürsten Max Emanuel von Bayern. Zur Entwicklung der barocken Gartenkunst am Münchner Hof (= Miscellanea Bavarica Monacensia; 82), München 1979.


Jochen Martz

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Jochen Martz: Rezension von: Utta Bach: Die Gartenkultur am Münchner Hof unter Kurfürst Max Emanuel 1679-1726. Realisierung - Administration - Botanik, München: Herbert Utz Verlag 2007
in: KUNSTFORM 11 (2010), Nr. 4,

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Jochen Martz
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Redaktionelle Betreuung:

Hubertus Kohle