Rezension

Christopher P. Heuer: The City Rehearsed. Objekt, Architecure and Print in the Worlds of Hans Vredeman de Vries, London / New York: Routledge 2008, 295 S., ISBN 978-0-415-43306-8, 55.00 GBP
Buchcover von The City Rehearsed
rezensiert von Petra Sophia Zimmermann, Institut für Baugeschichte und Denkmalpflege, Fachhochschule Köln

Hans Vredeman de Vries zählt zweifellos zu den vielseitigsten Künstlerpersönlichkeiten der Renaissance nördlich der Alpen. Sein Einfluss auf die Künste und damit auch sein Bekanntheitsgrad in der Kunstgeschichte geht vor allem zurück auf die zahlreichen Vorlagewerke zu Ornamenten und zu perspektivischen Architektur- und Stadtansichten, für die Vredeman Entwürfe lieferte, und die Traktate "Architectura" und "Perspective", deren Inhalt er über das Bild hinaus in Textform fixierte. Zudem arbeitete Vredeman als Perspektivmaler, Architekt und Ingenieur. Neben einzelnen früheren Monografien entstanden seit 1997 im Verlauf einer Dekade eine Reihe von Veröffentlichungen, Katalogbüchern und Tagungsbänden, die diesem Künstler eingehende Aufmerksamkeit schenkten.

Nun hat Christopher P. Heuer, Assistant Professor am Department of Art and Archaeology der Princeton University, die Ergebnisse einer langen Forschungszeit in seinem Buch "The City Rehearsed: Object, Architecture, and Print in the Worlds of Hans Vredeman de Vries" niedergelegt. Die reich bebilderte Publikation versteht sich - nach Aussage des Autors - nicht als Monografie über Leben und Werk des Künstlers, sondern sie will sich vor allem Einzelaspekten der Biografie widmen und die Situationen, aus denen Vredeman seinen Ideenschatz entwickelte, neu befragen (20).

Heuer gelingt es, den Leser in die Umstände und Geisteshaltung der Zeit Vredemans förmlich eintauchen zu lassen. In einer literarisch anmutenden Sprache führt er in die durch Glaubensauseinandersetzungen geprägte politische Situation ein und befragt die Werke Vredemans nach möglichen inhaltlichen Auswirkungen. Ebenso wird Vredemans Zugehörigkeit zu den "Rederijkers" in Bezug auf seine Entwürfe für Festarchitekturen und seine schriftlichen Äußerungen untersucht. Allgemein geht Heuer auf die Bedingungen in Antwerpen mit städtebaulichen Neuplanungen und seine berufliche Einbindung dort, vor allem durch den Verleger Hieronymus Cock, ebenso ein, wie auf die späteren Auftraggeber, so die Stadt Danzig oder Herrrscher wie Herzog Julius in Wolfenbüttel oder Kaiser Rudolf II. in Prag. Dabei wird zugleich das Berufsbild der Künstler zur damaligen Zeit und das Selbstverständnis Vredemans diskutiert. Zum Teil holt Heuer für diese Informationen, die den Hintergrund für das Oeuvre des behandelten Künstlers erhellen, recht weit aus, bleibt aber dann doch im Bereich von Vermutungen, weil die Quellenlage häufig keine konkreten Verknüpfungen mit Vredemans Einzelwerken zulässt.

Dass dieses Buch - wie im Vorspann gesagt - eine erste "sustained study" in englischer Sprache sei, muss allerdings korrigiert werden. Denn nicht nur die zweibändige Publikation von Peter Fuhring zu Hans Vredeman de Vries, die in der Reihe "Hollstein's Dutch and Flemish Etchings, Engravings and Woodcuts 1450-1700" im Jahr 1997 erschien, ist in Englisch geschrieben, sondern auch der Tagungsband "Hans Vredeman de Vries and the Artes Mechanicae Revisited", der in der Reihe "Architectura Moderna" von Krista De Jonge und Piet Lombaerde 2005 herausgegeben wurde. Vredemans Werk, das allein schon aufgrund der zahlreichen Wirkungsorte des Künstlers, insbesondere über Mitteleuropa verstreut ist, hat also bereits eine internationale Reflexion erfahren, die sich in der Sprachenvielfalt wissenschaftlicher Beiträge äußert.

Heuers Buch ist - korrelierend mit der Biografie Vredemans - in zwei Teile untergliedert, von denen der erste die Vorlagewerke und den Traktat "Architectura" behandelt, die in Antwerpen entstanden, während im zweiten Teil das Lehrbuch der "Perspective" in Verbindung zu der 1585 beginnenden Wanderschaft des Künstlers betrachtet wird. Einzelne Werke werden herausgegriffen, um ihnen eingehende Analysen zu widmen, wie das erste datierte Gemälde Vredemans "Christus im Haus von Maria und Martha" von 1566, oder die Kartuschenfolge (Multarum variarumque, 1555) mit ihrer Übernahme in Abraham Ortelius' "Theatrum Orbis Terrarum", die Folgen mit Architektur- und Stadtansichten mit ihren Anwendungen auf Intarsienmöbeln oder schließlich das Lehrbuch zur "Perspective" von 1604/05. Die Vertiefungsansätze scheinen bisweilen subjektiv gewählt, sind aber auch dadurch begründet, dass Heuer hier offenbar noch den Bedarf einer Aufarbeitung sah.

Im Zentrum der Untersuchung steht "architecture and print culture after the Reformation" (I) und genau dieser Blick auf religiös bedingte Tendenzen in der Kunst zieht sich als roter Faden durch das Buch. So wird aufgezeigt, dass der junge Vredeman in dem genannten Gemälde "Christus im Haus von Maria und Martha" bereits eine singuläre Spezialisierung als Perspektivmaler unter Beweis stellt. Zugleich ist in der von dem Maler Gillis Mostaert ergänzten Figurenstaffage insofern eine konfessionelle Aussage dokumentiert, als Maria, die an den Füßen Christi Bibelexegese übt, ein nach protestantischem Verständnis ideales christliches Verhalten zeigt. Überzeugend wird diese Deutung durch die 1516 erschienene Edition des Neuen Testaments durch Erasmus untermauert (30). Ein Beleg für Vredemans eigene konfessionelle Positionierung ist dies jedoch nicht und so spricht Heuer auch nur vorsichtig von "a certain Protestant sympathy", wobei er hinzufügt, dass Vredeman 1585 in Antwerpen als Katholik genannt ist (141).

Ebenso überprüft Heuer die in druckgrafischen Werken und auch in seinem Spätwerk der "Perspective" abgebildeten Architektur- und Stadtansichten nach Verbindungen mit reformierten Glaubensansätzen. Er behauptet, dass hier nirgendwo eine Kirche abgebildet sei (90) und äußert im Weiteren die Annahme, dass die in den Architekturansichten weitgehend fehlenden menschlichen Gestalten auf den Ikonoplasmus innerhalb des protestantischen Milieus zurückzuführen sind (195). Ergänzend muss jedoch gesagt werden, dass Vredeman in den gedruckten Stadtansichten sehr wohl Gebäude darstellt, die als Sakralbauten zu verstehen sind und dass er auch seinem Traktat "Architectura" 1577 Entwürfe für Kirchenfassaden liefert, die jedoch in ihrem überreichen Dekor weniger einem protestantischen Ideal zu entsprechen scheinen. Vredeman wird also auch sakrale Themen wohl je nach Auftragslage und Ausrichtung eines bestimmten Werkes behandelt haben.

Vredemans unstetes Leben und seine zahlreichen Wirkungsorte erklären sich jedoch zweifellos durch die Glaubenswirren und die daraus resultierende schwierige Auftragslage für Künstler. Vredemans verzweifelt scheinende Suche nach Beauftragungen lässt eher eine opportunistische Haltung vermuten. Damit einher geht eine interessante Beobachtung bezogen auf die Biografie Vredemans in Carel van Manders "Schilderboek". Heuer untersucht die Verwendung des Begriffs "perspect" und unterstreicht, dass dieser allein in der Vita Vredemans sechsmal vorkommt, ansonsten in den Lebensbeschreibungen der niederländischen und deutschen Maler aber kein einziges Mal (161). Da van Mander seine Informationen zu den Arbeiten Vredemans in Danzig und Prag nicht aus eigener Anschauung gewonnen hat, scheint plausibel, dass die Betonung des Wortes "perspect" vielmehr von direkten Kontakten mit Vredeman herrühren könnte. Bedenkt man, dass van Mander das "Schilderboek" in der Burg Zevenbergen bei Haarlem 1603 geschrieben hat, in einer Zeit also, in der Vredeman in dem nur 7 Kilometer entfernten Amsterdam lebte, mögen sich die Beiden persönlich ausgetauscht haben. Damit könnte die Vita van Manders als indirekte Autobiografie Vredemans verstanden werden, in der er seine Spezialisierung auf die Perspektivkunst in einer Art "selfpromotion" (163) herausstellt.

Es ist das Verdienst der lesenswerten Publikation Heuers, in die Welt des späten 16. und beginnenden 17. Jahrhunderts anschaulich eingeführt zu haben und damit auch Hans Vredeman de Vries als "Kind" dieser Zeit verständlicher gemacht zu haben. Dabei wird die Perspektivkunst als zentrales Thema im Werk Vredemans und als eine verschiedene Kunstgattungen übergreifende Spezialisierung herausgestellt. Heuer wiederholt abschließend: "Vredemans images [...] do not model architectural projects; they are the projects" (212) - die Architekturbilder bilden eben nicht Realitäten ab, die es in dieser Form auch gar nicht gab, sondern sie liefern Entwürfe für fiktionale Welten - keiner konkreten Situation zuzuordnen, enthalten die Perspektiven zugleich eine Aufforderung an den Betrachter, sie mit Inhalt zu füllen und für eine Anwendung in den Künsten nutzbar zu machen.


Petra Sophia Zimmermann

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Empfohlene Zitierweise:

Petra Sophia Zimmermann: Rezension von: Christopher P. Heuer: The City Rehearsed. Objekt, Architecure and Print in the Worlds of Hans Vredeman de Vries, London / New York: Routledge 2008
in: KUNSTFORM 10 (2009), Nr. 12,

Rezension von:

Petra Sophia Zimmermann
Institut für Baugeschichte und Denkmalpflege, Fachhochschule Köln

Redaktionelle Betreuung:

Hubertus Kohle