Rezension

Claudia Mohn: Mittelalterliche Klosteranlagen der Zisterzienserinnen. Architektur der Frauenklöster im mitteldeutschen Raum, Petersberg: Michael Imhof Verlag 2006, 464 S., ISBN 978-3-86568-030-3, 78.00 EUR
Buchcover von Mittelalterliche  Klosteranlagen der Zisterzienserinnen
rezensiert von Michael Lissok, Caspar-David-Friedrich-Institut, Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Greifswald

Die vorliegende Publikation ist primär architekturhistorischen Inhalts. Zudem trägt sie mit ihren ausführlichen dokumentarischen Abschnitten, bestehend aus drei stattlichen Katalogteilen, Züge einer gattungsspezifischen Bautopografie. Ihr Gegenstand sind die Baukomplexe von Zisterzienserinnen-Klöstern, welche in Mittel- und Süddeutschland während des hohen Mittelalters errichtet bzw. gegründet wurden. Der weit gespannte historisch-geografische Betrachtungsraum umfasst das Territorium der Mark Brandenburg, eingeschlossen die Altmark, die beiden Lausitz, weiterhin die anhaltinischen und sächsischen Kerngebiete sowie die Landstriche zwischen Harz und Thüringer Wald. Dazu kommen Regionen Niedersachsens und Hessens sowie weiter im Süden die Gegenden links und rechts des Mains, wobei hier der Schwerpunkt auf dem Bistum Würzburg liegt. Auf der zeitgeschichtlichen Skala setzt die Untersuchung etwa Mitte des 12. Jahrhunderts ein, das heißt beginnend mit der ältesten Klostergründung für Zisterzienserinnen auf deutschem Boden (Wechterswinkel, Diözese Würzburg, 1144 bestätigt); sie endet um 1524/25 mit dem Bauernkrieg, also der "Brechung" und auch Aufhebung vieler Klöster als unmittelbare Reaktion auf den Thesenanschlag Luthers. Die meisten Frauen-Zisterzen entstanden während der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts. Im deutschen Sprachraum sind es über 300 Klöster gewesen. Dies war ein immenser Zuwachs, denn noch um 1200 und damit vor der heftigen "Gründungsphase", existierten dort erst etwa 15 Zisterzienserinnen-Niederlassungen.

Im Band erscheinen allein 122 Nonnen-Zisterzen als Objekte, die mit unterschiedlicher Intensität und differierendem analytischen Tiefgang behandelt und vorgestellt werden. 29 Klosteranlagen wurden von der Autorin genauer untersucht. Mit deren Baugestalt, Quellenfundus und dem zu ihnen vorhandenen Schrifttum hat sie sich ausführlich beschäftigt. Diesen Anlagen wurde auch der umfangreiche Katalogteil reserviert, welcher immerhin 162 Seiten umfasst (bei insgesamt 464 Seiten) und u. a. mit farbigen Bauphasenplänen ausgestattet ist. Die repräsentative Auswahl von 29 "Vorrangobjekten" ist angesichts der großen Zahl der in den Blick genommenen klösterlichen Einrichtungen sowie wegen der primären Intentionen dieser Studie sinnvoll und konsequent. Sie lässt sich ebenso mit den angewandten Methoden begründen. Diese entsprechen sowohl einer interdisziplinär agierenden Kunstgeschichte als auch Mediävistik und wurden hier pragmatisch und effizient mit akribischen Baubeobachtungen und -erfassungen kombiniert. Die Gebäude der vorzugsweise untersuchten Klöster - zumindest ihre Kirchen - weisen einen Erhaltungszustand auf, der substanzielle Aussagen und neue Erkenntnisse zu diffizilen Fragen der typischen wie variablen Architektur und funktional-räumlichen Dispositionen mittelalterlicher Nonnen-Klöster ermöglicht. Dazu kommt die meist gute Quellenlage für diese Objekte sowie der Umstand, dass sie gründlich dokumentiert bzw. inventarisiert sind und zu ihnen bereits profunde Schriften, einschließlich Monografien, vorliegen. All dies schuf natürlich günstige Voraussetzungen, bot reichliches Material und geeignete Anknüpfungspunkte für die weiterführenden Untersuchungen zum Thema der "frauenspezifischen" Klosterarchitektur. Die anderen 93 Frauen-Zisterzen wurden gleichfalls nach ihrem themenrelevanten Informationsgehalt befragt, was aber auf knapp-pointierte und verkürzte Weise geschah. Somit eher als ergänzende Exempel in die Recherchen einbezogen und behandelt, werden sie im zweiten, kürzeren Katalogteil des Bandes vorgestellt (auf 103 Seiten).

Bei ihrer Betrachtung einer großen Zahl mittelalterlicher Frauen-Zisterzen ging Claudia Mohn von der Prämisse aus, dass mit den Nonnen-Klöstern generell "ein eigenständiger baulicher Typus" (14) existiert, eine pauschale Aussage, die gewissermaßen die Quintessenz sämtlicher Forschungen der vergangenen Jahrzehnte darstellen soll (oder doch eher ihr größter gemeinsamer Nenner?). Dieser allgemeinen Feststellung folgt die Studie mit der gebotenen kritischen Distanz, indem sie als Forschungsresultate klare Indizien und konkrete Belege erbringt, aus denen sich ein differenziertes und recht heterogenes Gesamtbild zur Architektur mittelalterlicher Frauen-Klöster ergibt. Vieles, was da auf den Seiten 22-82 über Kirchen- und Klostertypen, zu den Bestandteilen des inneren Klaustrums und seinen Funktionsbereichen vorgetragen und erläutert wird, ist schon bekannt und wird hier abermals plausibel untermauert oder detailliert ausgeführt und mit prägnanten Exempeln anschaulich belegt. Dazu gehört etwa die Erkenntnis, dass es keine verbindlichen "Idealpläne" für Nonnen-Zisterzen gegeben hat, diese auch während der Frühphase der Ordensgeschichte auszuschließen sind, selbst in Relation zu den Bauschemata der Mönchs-Klöster (Stichwort "Bernhardinischer Plan"), von denen ansonsten durchaus eine Vorbildwirkung ausging bei der Errichtung von Gebäuden für Nonnenklöster. Vielmehr hebt die Autorin den vorgefundenen "heterogenen Fundus" hervor, sie beschreibt, ordnet und vergleicht eine größere Anzahl variierender Raumdispositionen und "Sonderlösungen" bei der Umsetzung spiritueller, liturgischer sowie sozialer und ökonomischer Belange in entsprechende architektonische Strukturen. Diese Heterogenität wird durch egalisierende Parameter zusammengefasst, die für fast alle Nonnen-Zisterzen konstitutiv waren, welche somit auch als "frauentypisch" gelten können. In diesen verbindenden Merkmalen spiegeln sich die wesentlichen Grundsätze und Konventionen des genau geregelten gemeinschaftlichen Daseins der Ordensfrauen wieder. Von der Verfasserin wurden besonders jene Bau- und Raumformen herausgearbeitet, die sich aus der Einhaltung des Prinzips der strengen Klausur ergaben, das für fast alle Frauenkonvente galt. Die Reduzierung der Verbindung zur Außenwelt auf die notwendigsten Kontakte und die möglichste Vermeidung von Begegnungen mit Personen, die nicht zum Konvent gehörten, führten zur Ausbildung besonderer Raumbereiche und -folgen sowie Installierung separierender Vorrichtungen. Oft konnte diese strikte Abgrenzung nur durch individuelle baulich-organisatorische Lösungen erreicht werden, denn sie galt auch für jene Kleriker und Laien, die selbst Angehörige oder "ständige Gäste" der Klöster waren, denen die Seelsorge, Verwaltung und materielle Sicherstellung der Nonnen-Konvente oblag (Kapläne, Provisoren, Pröpste sowie in der Klosterwirtschaft tätige Personen).

Wie schon eingangs angedeutet, verfügt der Band noch über einen weiteren, dritten Katalog-Teil. Dieser wird gewissermaßen durch den Untertitel der Publikation angezeigt: Architektur der Frauenklöster im mitteldeutschen Raum. In ihm werden als Vergleichsobjekte die Bauten von Klöstern respektive Stiften anderer weiblicher Ordensgemeinschaften aus den Untersuchungsgebieten vorgestellt. Es handelt sich nochmals um 141 Anlagen von Kanonissen / Augustinerinnen, Benediktinerinnen, Prämonstratenserinnen, Dominikanerinnen, Klarissen und Magdalenerinnen, die auf fast 100 Seiten katalogisiert sind. Sicherlich werden etliche Leser diese "Zugabe" begrüßen, denn so wird aus der Publikation fast schon ein Übersichtskatalog bzw. instruktives Nachschlagewerk, das z. B. die Quellen- und Literaturangaben zu rund 260 Nonnenklöstern enthält. Andererseits kann dies auch moniert werden, weil dadurch das an sich schon recht breite Themenspektrum noch ausgeweitet wurde. Wäre es hingegen nicht angebrachter gewesen, wenn statt dessen noch mehr Zisterzienserinnen-Klöster im ersten Katalog-Teil, unter den exklusiv behandelten Anlagen, Platz gefunden hätten? Denkbar wäre zudem gewesen, dass durch eine andere Prioritätensetzung manche baugeschichtliche Aspekte, die von der Autorin aus Kapazitätsgründen ausgeklammert wurden, dann doch hätten erörtert werden können. Dazu gehören etwa die Rezeptionsabfolgen von Typen- und Motivgruppen im überregionalen und regionalen Kontext, eine möglichst exakte Standortbestimmung der Zisterzienserinnen-Kirchen innerhalb ihrer Architekturlandschaften und ähnliches mehr. Auf etliche noch offene Forschungsfragen hat die Autorin selbst dezidiert verwiesen. Im Kapitel "Ausblick" sind sie kurz und bündig formuliert, womit deren Verfasserin zugleich den hohen Anspruch, welchen sie an ihre eigenen Forschungen stellte, mit artikuliert hat. Er gipfelt in der Äußerung, dass bisher kaum einer von den im Band behandelten Bauten eine angemessene bau- und kunsthistorische Untersuchung erfahren habe (85)!

Eine kritische Bemerkung muss noch zur Auswahl der Betrachtungsgebiete erfolgen. Diese darf als recht eigenwillig bezeichnet werden und ist im Grunde auch ahistorisch. Sie berücksichtigt meines Erachtens in nicht ausreichendem Maße die mittelalterliche Territorialeinteilung, weder die kirchliche noch die weltliche, und orientiert sich nur oberflächlich an den historisch-topographischen Gegebenheiten zur Zeit der Klostergründungen. Evident ist dies besonders für die Gebiete zwischen Elbe/Saale und Oder/Neiße.

Mit über 400 Abbildungen, darunter Bauphasenplänen, Detailaufmaßen, isometrischen Gebäudedarstellungen und 12 Karten, ist der Band gut ausgestattet, was auch einen erheblichen Teil seiner Nutzungsqualitäten ausmacht.


Michael Lissok

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Empfohlene Zitierweise:

Michael Lissok: Rezension von: Claudia Mohn: Mittelalterliche Klosteranlagen der Zisterzienserinnen. Architektur der Frauenklöster im mitteldeutschen Raum, Petersberg: Michael Imhof Verlag 2006
in: KUNSTFORM 9 (2008), Nr. 3,

Rezension von:

Michael Lissok
Caspar-David-Friedrich-Institut, Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Greifswald

Redaktionelle Betreuung:

Ulrich Fürst