Rezension

Hugo Brandenburg: Die frühchristlichen Kirchen Roms vom 4. bis zum 7. Jahrhundert. Der Beginn der abendländischen Kirchenbaukunst. Fotos von Arnaldo Vescovo, Regensburg: Schnell & Steiner 2004,
Buchcover von Die frühchristlichen Kirchen Roms vom 4. bis zum 7. Jahrhundert
rezensiert von Ute Verstegen, Lehrstuhl Christliche Archäologie und Kunstgeschichte, Friedrich-Alexander-Universität, Erlangen-Nürnberg

Für das hier anzuzeigende Buch, das den stadtrömischen Kirchen des 4. bis 7. Jahrhunderts gewidmet ist, konnte mit Hugo Brandenburg einer der international renommiertesten Kenner der frühchristlichen Kirchenbaukunst gewonnen werden. Schon 1979 hatte der Autor ein kleineres Überblickswerk zum Thema vorgelegt, das damals dem monumentalen Corpus der frühen Basiliken Roms von Richard Krautheimer ein deutschsprachiges Werk zur Seite stellte, das sich an ein breiteres Publikum wandte. [1] Dieses Buch ersetzt der Autor nun selbst durch eine beeindruckende Neuerscheinung. Eingeflossen sind auch seine Forschungen der letzten Jahrzehnte, in denen sich Brandenburg monografisch mit verschiedenen römischen Kirchenbauten, aber auch mit Spezialfragen der spätantiken Architektur wie der Baukonstruktion, der Verwendung von Spolien und der liturgischen Nutzung auseinandergesetzt hat.

In 12 Kapiteln untersucht Brandenburg umfassend das Thema des frühchristlichen Kirchenbaus in Rom. Ausgehend von den ersten schriftlichen und baulichen Zeugnissen zur Frühzeit des christlichen Kultbaus allgemein, aus der in Rom selbst keine baulichen Reste überliefert sind, beschreibt er sukzessive alle römischen Kirchenbauten des 4. bis 7. Jahrhunderts mit Schwerpunkten in der konstantinischen Zeit sowie im 5. Jahrhundert. Vorrangig untergliedert nach den Funktionen der Bauten als Gemeinde-, Memorial- und Zömeterialkirchen auf den suburbanen Nekropolen, behandelt das Buch insgesamt mehr als fünfzig Bauten. Besonderen Raum widmet der Autor S. Giovanni in Laterano in seiner Bedeutung als "das erste offizielle und monumentale Kirchengebäude der Christenheit" (20), das in seiner Formfindung richtungsweisend für den Kirchenbau der folgenden Jahrhunderte wirkte, sowie S. Paolo fuori le mura, S. Maria Maggiore und S. Stefano Rotondo. Für alle Kirchen gibt Brandenburg eine detaillierte Baubeschreibung, er nennt Schriftquellen und Erhaltungszustand, ferner meist die Ausgrabungsgeschichte, überlieferte Ausstattungsreste und, soweit erschließbar, die liturgische Nutzung.

Der Text wird ergänzt durch hervorragende, teils ganzseitig wiedergegebene Farbaufnahmen, die vielfach von Arnaldo Vescovo eigens für diesen Band erstellt wurden. Am Ende des Buchs befindet sich ein zusätzlicher Bildteil mit Schwarzweiß-Abbildungen, Plänen und Rekonstruktionen der behandelten Bauten. Während in den Textanmerkungen ausschließlich auf historische Primärquellen verwiesen wird, listet ein nach Kapiteln sortiertes Literaturverzeichnis ausführlich und auf aktuellem Forschungsstand die Sekundärliteratur zu den genannten Bauwerken auf.

Wie schon der Untertitel "Der Beginn der abendländischen Kirchenbaukunst" nahe legt, ist es ein Anliegen des Buchs, die Innovationskraft der Architekturschöpfungen des frühchristlichen Kirchenbaus aufzuzeigen, die im christlichen Sakralbau während des Mittelalters bis in die Neuzeit fortwirkte. Als eine der Kernfragen der Erforschung spätantiker Architektur diskutiert der Autor daher anhand von S. Giovanni in Laterano ausführlich die Frage der Genese der frühchristlichen Basilika. Er stellt dabei die Innovationskraft des architektonischen Entwurfskonzepts der christlichen Basilika heraus, ein Aspekt, der zwar im wissenschaftlichen Diskurs spätestens seit Krautheimer präsent ist, in den letzten Jahren aber eine Konjunktur erfahren hat. [2] Insbesondere in der bewussten, reichen Ausgestaltung des Innenraums der neuen Kirchenbauten werde eine Konkurrenzsituation manifest, die das Ziel verfolgte, "den öffentlichen Prachtbauten, seien sie Profanbauten oder Tempel, gleichwertige Monumente zur Seite zu stellen, ja sie zu übertreffen" (18).

Hierbei ist bemerkenswert, dass Brandenburg in Bezug auf die "schöpferische Anwandlung traditioneller Bauelemente und ihre Adaption an eine neue Funktion" (35) auch das Aufkommen der Atriumshöfe einbezieht, die vielen Kirchen vorgelagert waren. Im Verhältnis zu den basilikalen Versammlungsräumen wurden diese Bauteile von der früheren Forschung nur recht selten in diese Fragestellung einbezogen. Hier zeigt sich Brandenburgs Intention einer stärkeren Kontextualisierung und seine Konzentration auf die Untersuchung spezifischer Einzelsituationen. Während Brandenburg die neuen christlichen Versammlungs- und Kultbauten mit profanen Marktbasiliken und Tempeln vergleicht, verwundert es, dass er keine Vergleiche zur architektonischen Disposition anderer spätrömischer Versammlungsbauten zieht, wie beispielsweise zu Repräsentationsräumen in Palastbauten, zu Versammlungsräumen von Korporationen oder zu Synagogen, obwohl deren Einfluss im Zusammenhang mit der Genese der Basilika in den letzten Jahren in der Forschung vermehrt diskutiert wurde, und obwohl das grundlegende Buch von L. M. White auch in der Literaturliste angeführt ist. [3]

Ein weiteres Anliegen des Buchs ist es, die einzelnen Bauten im urbanen Kontext vorzustellen, immer die Frage einer christlichen Sakraltopografie Roms vor Augen behaltend. Auch dieser Fokus zeigt Brandenburgs Orientierung an aktuellen Forschungsfragen, speziell derjenigen der Christianisierung der spätantiken Stadt [4], wobei gelegentlich eine deutlichere Bezugnahme auf die direkte bauliche Umgebung ausbleibt. Brandenburg beschreibt, wie das unmittelbare Umland der Stadt Rom durch die Errichtung von Zömeterialbauten auf den Nekropolen ein neues Antlitz erhielt. Sie bildeten "neue Zentren" und führten zur Umgestaltung der Campagna in eine "Sakrallandschaft" (109). Während es sich bei diesen Bauten im Umfeld der Stadt zunächst vorwiegend um kaiserliche Gründungen handelte, wurden von Päpsten und Privatleuten in den innerstädtischen Wohnvierteln Gemeindekirchen, die so genannten Tituli, errichtet, die im Stadtbild erkennbar waren. Im 4. Jahrhundert sind 18 dieser Titelkirchen, am Ende des 5. Jahrhunderts 26 nachweisbar.

Im 4. Jahrhundert traten vor allem die Bischöfe Roms als Bauherren der Tituli hervor, die mit ihren Bauten "die seelsorgerische Betreuung der rapide wachsenden christlichen Bevölkerung und die Christianisierung der Stadt durch öffentliche christliche Kultbauten in den Wohnquartieren" (113) vorantreiben wollten. Für die Kirchengründungen des späten 4. und des 5. Jahrhunderts typisch ist die Verbindung von privatem/privater Stifter/Stifterin, der/die das Baugelände bereit stellte, und einem klerikalen Bauträger (138). In Bauinschriften und beispielsweise dem Apsismosaik werden hier üblicherweise nur die kirchlichen Würdenträger erwähnt beziehungsweise dargestellt, demgegenüber im "Titel" des Gebäudes häufig der Name der Privatstifter überliefert ist. [5] Diese Bezeichnungen wurden später manchmal irrtümlich als Heiligennamen interpretiert, so etwa beim Titulus Sabinae oder dem Titulus Pudentis, den heutigen Kirchen S. Sabina und S. Pudenziana.

Auch die städtebaulichen Impulse, die von den frühchristlichen Kirchenbauten ausgingen, reichten nach Brandenburg bis in Mittelalter und Neuzeit. So führte etwa die Entwicklung von Siedlungsagglomerationen rund um die von Pilgern viel besuchten Märtyrerbasiliken - wie St. Peter, S. Paolo f. l. m. und S. Lorenzo - zu einer Entstehung neuer urbanistischer Zentren bei gleichzeitigem Verlust kaiserzeitlich-antiker Stadtstrukturen (130).

Während Brandenburg gelegentlich durchaus Bezug auf die sozialhistorischen Umstände nimmt, in denen die Bauten entstanden, wäre an einigen Stellen eine stärkere kirchenhistorische Einbindung wünschenswert gewesen. So bleiben beispielsweise Fragen zur Organisation von städtischen Gemeindebezirken sowie zu karitativen Einrichtungen offen. Teilweise wirken auch die sukzessiven Beschreibungen der Einzelbauten zu additiv, wenngleich sich der Autor immer um Verweise auf andere erwähnte Bauten bemüht.

Mit Bedauern lassen sich an dem Buch einige strukturelle und redaktionelle Mängel feststellen, insbesondere ein fehlerhaftes Lektorat, das schon daran erkennbar ist, dass der Umschlagtitel nicht mit dem Innentitel des Buchs identisch ist! Kapitel VIII, das nur eine halbe Seite lang ist (133), scheint die Einleitung zu Kapitel IX zu sein. Die Bilddokumentation am Ende besitzt ein störendes, uneinheitliches Layout und eine Zählung, die nicht mit der Kapiteleinteilung des Buchs übereinstimmt. Ferner wurden die Maßstäbe der Zeichnungen nicht vereinheitlicht oder auf runde Einheiten gebracht, was ihre Vergleichbarkeit erschwert. Die Abbildungsnachweise sind insgesamt lückenhaft und fehlen für historische Abbildungen wie Stiche und für Pläne und Rekonstruktionen ganz. Dadurch, dass im Text keine Abbildungsverweise existieren, weiß man beim Lesen des Texts nicht, ob zum beschriebenen Sachverhalt eine Abbildung vorhanden ist oder nicht.

Dass das Buch kein Glossar besitzt, wird dadurch ausgeglichen, dass Erklärungen von Fachtermini im Text erfolgen. Teilweise verwundert allerdings die unscharfe Anwendung der Terminologie, zum Beispiel wenn die Basilika von S. Giovanni in Laterano als "Halle" bezeichnet wird oder bei S. Agnese Triumph- und Apsisbogen verwechselt werden (72).

Trotz dieser Monita, die die Handhabung des Bands mitunter erschweren, ist insgesamt zu betonen, dass die profunde Sachkenntnis des Autors verbunden mit den hervorragenden Farbabbildungen dieses Buch zur Pflichtlektüre für alle macht, die sich für den frühchristlichen Kirchenbau in Rom interessieren. Es wird sicherlich im deutschsprachigen Raum vorerst das Standardwerk zum Thema bleiben, dem eine Übertragung in andere Sprachen zu wünschen ist.


Anmerkungen:

[1] Hugo Brandenburg: Roms frühchristliche Basiliken des 4. Jahrhunderts. München 1979; Richard Krautheimer et al.: Corpus basilicarum christianarum Romae (sec. IV - IX). - Città del Vaticano 1937-1977.

[2] Vergleiche zum Beispiel Beat Brenk (Hrsg.): Innovation in der Spätantike. Kolloquium Basel 6. und 7. Mai 1994. - Wiesbaden 1996 (= Spätantike - Frühes Christentum - Byzanz. Kunst im ersten Jahrtausend. Reihe B: Studien und Perspektiven 1).

[3] Beate Bollmann: Römische Vereinshäuser. Untersuchungen zu den Scholae der römischen Berufs-, Kult- und Augustalen-Kollegien in Italien. - Mainz 1998; Alfred Schäfer / Ulrike Egelhaaf-Gaiser (Hrsg.): Religiöse Vereine in der römischen Antike. - Tübingen 2002; Lloyd Michael White: Building God's House in the Roman World. Architectural Adaptation among Pagans, Jews, and Christians. - Baltimore 1990.

[4] Beat Brenk: Die Christianisierung der spätrömischen Welt. Stadt, Land, Haus, Kirche und Kloster in frühchristlicher Zeit. - Wiesbaden 2003 (= Spätantike - Frühes Christentum - Byzanz. Kunst im ersten Jahrtausend. Reihe B: Studien und Perspektiven 10); Gunnar Brands / Hans-Georg Severin (Hrsg.): Die spätantike Stadt und ihre Christianisierung. Symposion vom 14. bis 16. Februar 2000 in Halle/Saale. - Wiesbaden 2003 (= Spätantike - Frühes Christentum - Byzanz. Kunst im ersten Jahrtausend. Reihe B: Studien und Perspektiven 11).

[5] Jüngst grundlegend zu dieser Thematik: Carola Jäggi: Donator oder Fundator? Zur Genese des monumentalen Stifterbildes. - In: Georges-Bloch-Jahrbuch des Kunstgeschichtlichen Seminars der Universität Zürich Bd. 9/10, 2002/03, 26-45.


Ute Verstegen

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Ute Verstegen: Rezension von: Hugo Brandenburg: Die frühchristlichen Kirchen Roms vom 4. bis zum 7. Jahrhundert. Der Beginn der abendländischen Kirchenbaukunst. Fotos von Arnaldo Vescovo, Regensburg: Schnell & Steiner 2004
in: KUNSTFORM 6 (2005), Nr. 4,

Rezension von:

Ute Verstegen
Lehrstuhl Christliche Archäologie und Kunstgeschichte, Friedrich-Alexander-Universität, Erlangen-Nürnberg

Redaktionelle Betreuung:

Ulrich Fürst