Rezension

Bärbel Hedinger: (Hg.) C. F. Hansen in Hamburg, Altona und den Elbvororten. Ein dänischer Architekt des Klassizismus, München / Berlin: Deutscher Kunstverlag 2000,
Buchcover von C. F. Hansen in Hamburg, Altona und den Elbvororten
rezensiert von Klaus Jan Philipp, Institut für Architekturgeschichte, Universität Stuttgart

Vorliegender Band über den dänischen Architekten Christian Frederik Hansen (1756-1845) erschien anlässlich einer Ausstellung in dem vom Altonaer Museum betreuten Jenisch-Haus (14. Juni bis 24. September 2000). Er ist in bewährter Manier in einen Aufsatzteil und einen Katalogteil gegliedert, wobei letzterer die Stadt- und Landhäuser in Altona, in den Elbvororten und in Hamburg nach einheitlichem Schema ausführlich bespricht. Von verschiedenen Autoren und deshalb auch mit unterschiedlichen Interessen werden jeweils die Baugeschichte und die städtebauliche Situation reflektiert, sodann die Fassaden und die Innenräume durch die einzelnen Geschosse beschrieben, die Nutzungsgeschichte dargestellt und abschließend - leider nicht immer - ein kurzes Resümee und eine Wertung gebracht. Die in fast allen Fällen in der Kopenhagener Kunstakademie erhaltenen Perspektiven, Grund- und Aufrisse und Schnitte sind in derselben hohen Qualität abgebildet wie in der im selben Verlag erschienenen großen Monografie. Vergleichsabbildungen sowie aktuelle Fotos der zum Teil noch gut erhaltenen Bauten (vgl. dazu Eckart Hannmann im Aufsatzteil) sind schwarzweiß im Briefmarkenformat leider arg klein geraten.

Die einführenden Aufsätze von Bärbel Hedinger und Hajo Brandenburg umreißen die politische und kulturelle Situation in Altona um 1800, als Altona die zweitgrößte dänische Stadt war, es jedoch in allen gesellschaftlichen Bereichen enge Verknüpfungen mit Hamburg gab. Die geologischen und geographischen Voraussetzungen für die Entstehung der Gärten mit ihren Landhäusern untersucht Gerhard Kaufmann und bearbeitet damit ein Gebiet, das Kunsthistoriker gern vernachlässigen. Grosse Anstrengungen mussten in der relativ baumlosen Gegend unternommen werden, um die bis heute so üppige Vegetation entlang der Elbchaussee entstehen zu lassen.

Volker Plagemann widmet sich der nur schlecht überlieferten Italienreise Hansens und hebt die Bedeutung des Pantheons für die Bauten Hansens hervor. Anregend sind Plagemanns überlegungen zur "Italienreise als Statussymbol" und als für den ökonomischen Erfolg einsetzbares Marketinginstrument.

Neuland - nicht nur in der Hansen-Forschung - betritt Wolfgang Kemp mit seinen überlegungen zur räumlichen Organisation der Landhäuser Hansens in Altona. Erschwerend wirkt sich aus, dass in Hansens Plänen allerdings nur selten die Funktionen der einzelnen Räume eingetragen sind. Die wenigen von Kemp ausgewerteten Beispiele zeigen aber, von welch großer Bedeutung für die Kenntnis der sozialen Logik der Raumdisposition und des sozialgeschichtlichen Kontextes eine weitergehende Studie sein müsste.

Die Beschränkung auf die Altonaer Schaffensphase Hansens, der dort von 1785 bis 1808 als dänischer Landbaumeister ansässig war, ergab sich einerseits aus der Einbindung der Ausstellung in das Festival "danmark til hamborg. Dänische Kultur zu Gast 2000" und andererseits aus der seit 1999 auch auf deutsch vorliegenden großen zweibändigen Monographie Hansens von Anne Lise Thygesen und Hakon Lund (dänische Ausgabe, o. O. 1995). Dort erhalten die Altonaer Bauten den Charakter eines Frühwerks gegenüber dem reichen Schaffen Hansens in Kopenhagen, wo er von 1803 bis 1845 das Baugeschehen bestimmte. In Dänemark hatte er als königlicher Oberbaudirektor eine ähnliche Machtstellung inne, wie später Karl Friedrich Schinkel in Preussen, d.h. er hatte die Oberaufsicht über und weitreichenden Einfluss auf sämtliche öffentlichen Bauten im Königreich. Als Hansen 1785 seine Stelle in Altona antrat, hatte er noch keine selbständig entworfenen und ausgeführten Bauten vorzuweisen. Baupraxis erwarb er als Baukondukteur bei Caspar Frederik Harsdorff (1736-1799), der neben Nicolas Henri Jardin (1720-1799) Hansens Lehrer an der Architekturklasse der Kopenhagener Kunstakademie war. 1779 wurde er dort mit der Großen Silbermedaille ausgezeichnet und erhielt ein Stipendium für eine Studien- und Bildungsreise nach Italien, die er 1782 bis 1784 unternahm.

Die neunzehn Stadt- und Landhäuser und das Waisenhaus in Altona, Hamburg und entlang der Elbchaussee, die nach Entwürfen Hansens gebaut wurden, sind also als Frühwerk zu charakterisieren: und zwar trotz ihrer Reife, ihres freien Umgangs mit den Regeln und ihres selbständigen Umgangs mit der typologischen Tradition des Landhauses. Dies hätte eigentlich Anlass geben können, die Quellen von Hansens Architektur in Altona genauer zu beleuchten, d. h. einerseits die Architektur seiner Lehrer Jardin und Harsdorff sowie die Erfahrungen der Italienreise genauer in den Blick zu nehmen und andererseits die Bauten Hansens in den Kontext des Klassizismus in Nordwestdeutschland zu stellen. Gerade hier hat in den vergangenen Jahren Jörg Deuter in minutiösen Studien den Hintergrund, vor dem sich das Werk Hansens abzeichnet, aufgearbeitet und gezeigt, dass die reduzierte stereometrische Architektur Hansens bereits seit den siebziger Jahren vorbereitet war. Es wäre daher, in Anschluss an die überlegungen Kemps, wünschenswert gewesen, deutlicher auf die Auftraggeber Hansens und deren gesellschaftliche Stellung einzugehen, um neue Bausteine für eine Sozialgeschichte des Klassizismus in Nordwestdeutschland zu gewinnen. Diese Chance lässt der Katalog leider ungenutzt zugunsten einer fast ausschließlich auf Hansen ausgerichteten Sicht verstreichen. Dies gilt auch für den Ertrag seines Italienaufenthalts, der in mehr bestand als nur in seiner Begeisterung für das römische Pantheon. Hier hätte ein Vergleich mit den Studienblättern Peter Joseph Krahes, der gleichzeitig mit Hansen in Rom war, und auch ein Vergleich mit den Romerfahrungen anderer junger Architekten auch zu neuen Ergebnissen führen können. Insbesondere hätte hier das Verhältnis der Generation Hansens zur Architektur des Cinquecento untersucht werden können. Aber nur selten wagt der Katalog einen Blick über die Grenzen Altonas hinaus.

Den Wert der vorliegenden Publikation wird man daher eher in der Lokalgeschichte Altonas und Hamburgs suchen, als Ergänzung der großen Monografie von Thygesen und Lund. Leider wurde die jüngere Forschung zum Klassizismus in Nordwestdeutschland und zur Architektengeneration Hansens nicht berücksichtigt, sodass der Katalog sich teilweise nicht über den Kenntnisstand erhebt, den Werner Jackstein in seinen grundlegenden Studien zu Hansens Bauten in Altona bereits 1937 gelegt hat.


Klaus Jan Philipp

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Klaus Jan Philipp: Rezension von: Bärbel Hedinger: (Hg.) C. F. Hansen in Hamburg, Altona und den Elbvororten. Ein dänischer Architekt des Klassizismus, München / Berlin: Deutscher Kunstverlag 2000
in: KUNSTFORM 2 (2001), Nr. 3,

Rezension von:

Klaus Jan Philipp
Institut für Architekturgeschichte, Universität Stuttgart

Redaktionelle Betreuung:

Jan Mohr