Rezension

Luise Leinweber: Bologna nach dem Tridentinum. Private Stiftungen und Kunstaufträge im Kontext der katholischen Konfessionalisierung. Das Beispiel San Giacomo Maggiore (= Studien zur Kunstgeschichte; 136),, Hildesheim: Olms 2000,
Buchcover von Bologna nach dem Tridentinum
rezensiert von Christian Hecht, Institut für Kunstgeschichte, Friedrich-Alexander-Universität, Erlangen-Nürnberg

Das Bologna des 16. Jahrhunderts ist ein ergiebiges Forschungsgebiet für die Kunstproduktion nach dem Trienter Konzil (1545-1563). Zu den neueren Studien, von denen Christine Göttlers Arbeit "Die Kunst des Fegefeuers nach der Reformation. Kirchliche Schenkungen und Almosen in Antwerpen und Bologna um 1600" (Mainz 1996) hervorzuheben ist, kommt mit der Berliner (FU) Dissertation von Luise Leinweber eine weitere hinzu. Die sakrale Kunst Bolognas bietet sich vor allem deshalb als Untersuchungsgegenstand an, weil diese Stadt Wirkungsort des Kardinals Gabriele Paleotti (seit 1566 Bischof, seit 1582 Erzbischof von Bologna) war. Paleotti ist der Verfasser des "Discorso intorno alle imagini sacre e profane" (Bologna 1582), dessen endgültige lateinische Ausgabe "De imaginibus sacris et profanis libri quinque ..." 1594 in Ingolstadt erschien. Da meist nur die italienische Ausgabe, die in einem Reprint (Sala Bolognese 1990) gut zugänglich ist, zitiert wird, sei bemerkt, dass der lateinische Text die autorisierte und verbindliche Ausgabe ist.

Luise Leinweber hat, wie der Untertitel ihrer Arbeit besagt, eine Einzeluntersuchung zu S. Giacomo Maggiore in Bologna verfasst. Diese Augustinereremitenkirche besitzt eine Reihe von Altargemälden aus der Zeit Paleottis. Nicht selten sind es allerdings Werke, denen bis heute die Gunst des Publikums kaum zuteil werden wollte.

Die Autorin gibt zu Anfang einige Gedanken zur "Katholischen Konfessionalisierung". Derartige, vor allem terminologische überlegungen, die auch der Rezensent schon angestellt hat und die wohl in keiner entsprechenden Untersuchung fehlen dürfen, sind für die kunsthistorische Arbeit selten hilfreich, da sie letztlich nur die subjektive Position des jeweiligen Verfassers charakteriseren. Die Autorin hat hier gezeigt, daß ihr die wichtigsten Aussagen in diesem Bereich gut vertraut sind. Und sehr richtig stellt sie fest, dass der Begriff "nachtridentinisch" (16) kaum in die Kunstgeschichtsschreibung zu integrieren ist. Das dürfte daran liegen, dass es kein "nachtridentinisches" künstlerisches Phänomen gibt, das nicht schon vor 1563 (oder vor 1545, vielleicht schon vor 1517?) zu finden wäre. An erster Stelle ist das großformatige Altarblatt zu nennen. In diesem Zusammenhang erweist sich auch, dass sich das Schlagwort "Konfessionalisierung" nur schwer mit dem Prädikat "katholische" verbinden lässt, da man es dann auch auf die "Katholische Reform" der Zeit vor 1517 anwenden müßte. Damit verliert die "Konfessionalisierung" ihre begriffliche Schärfe, man könnte auch "Frühe Neuzeit" sagen. Vermutlich treffen "Katholische Reform" und "Gegenreformation" die Dinge doch genauer, zumal wenn man sie im Sinne Hubert Jedins benutzt.

Nach einigen Aussagen zum Stiftungswesen wendet sich die Autorin drei Seitenkapellen (von über dreißig) sowie der Cappella Maggiore ihrer Kirche zu. Dabei hat sie sich z. T. auf Archivalien gestützt und auch zeitgenössische Kunstliteratur verwendet.

Zuerst behandelt sie Lorenzo Sabbatinis Pala Malvasia. Dieses Werk zeigt Maria mit dem Kind, den Hl. Joseph, den Johannesknaben und den Erzengel Michael. Letzterer ist besonders interessant, da er, der gerade den Satan niedertritt, die Waage des Gerichts in der Hand hält. In den Schalen sieht man zwei Seelen, von denen das Jesuskind gerade die obere in Empfang nimmt. Leider muss man sagen, dass die sehr ambitionierte Interpretation nicht immer die nötige Genauigkeit aufweist. So ist es etwa gar nicht fraglich, wen Michael besiegt (85), und das individuelle Gericht nach dem Tod ist keine Sonderlehre (98), auf deren Verbreitung um 1550 (98) man hinweisen müsste. So bleiben Wünsche offen, zumal man auch gern mehr über die künstlerische Herkunft des Bildes erfahren hätte.

Im folgenden Kapitel behandelt Leinweber "Tommaso Lauretis Neuinszenierung der Cappella Maggiore". Dessen Altarretabel zeigt in der bemerkenswerten Form eines Triptychons die Auferstehung Christi sowie Jakobus und Augustinus. Die Autorin betont hier, dass das Bildthema der Auferstehung in Bologna damals neu gewesen wäre. Sicher eine gewagte Behauptung, die sie unter Hinweis auf "kleinformatige Bilddträger" (127, Anm. 242) aber wieder relativiert. Weiterhin versucht sie, eucharistische Bezüge festzustellen, wobei sie annimmt, es habe sich im 16. Jahrhundert auf dem Hochaltar ein Tabernakel befunden. Ein solches ist dort jedoch nicht nachgewiesen. Es wäre sogar zu fragen, ob es an diesen Platz gehört hätte, handelt es sich doch um eine Kirche mit Stundengebet, in der die Eucharistie gerade nicht ständig auf dem Hochaltar aufbewahrt wird. Die Situation wird auch dadurch nicht klarer, daß sich das Chorgestühl hinter dem Hochaltar befindet. Wie es sich tatsächlich verhalten hat, wird man nur anhand einer Quelle sagen können. Es ist jedenfalls schwierig, von diesen Annahmen ausgehend Schlüsse zu ziehen.

Das nächste Werk, das Leinweber untersucht, ist Prospero Fontanas Altarbild der Cappella Orsi. Es zeigt den Hl. Alexius, der seinen Besitz an Arme verteilt. Im Zusammenhang mit diesem Werk gelingt der Autorin eine schöne Entdeckung. Sie kann nämlich mit großer Sicherheit Niccolò dell'Abates Berliner Portrait eines Santiagoritters als Darstellung des Alessio Orsi identifizieren.

Zuletzt behandelt Leinweber die Cappella Bianchetti mit Tommaso Lauretis Altarblatt, das die überführung der Reliquien des Hl. Augustinus zeigt. Obwohl es sich um ein sonst wohl nicht vorkommendes Thema handelt, wird man nicht von einer "pittura insolita" sprechen können, wie sie Paleotti in seinem Traktat ablehnt, denn eine Reliquientranslation ist nicht ungewöhnlich und außerdem besitzt das Thema eine historische Grundlage, entspricht also der "veritas historica". Paleotti geht es nicht um die tatsächliche Neuheit: "La nouità donque per se stessa, ol la antichità non fanno vna cosa commendabile ..." (Discorso,II, XXXII, Ed. 1582, S. 205r), es geht ihm um Inhalte. Diese sollen nicht aufgrund ihrer Unüblichkeit Anstoß erregen. Leinweber versucht weiterhin, das Bild als eine genaue Umsetzung des Trienter "Decretums de invocatione, veneratione et reliquis Sanctorum, et sacris imaginibus" zu interpretieren. Da es sich um ein "Bild" handelt, das die "Reliquien" eines "Heiligen" zeigt, der "angerufen" und "verehrt" wird, sind übereinstimmungen tatsächlich nicht zu übersehen. Sie liegen aber auf einer so allgemeinen Ebene, dass man einen direkten Bezug zum Konzilsdekret nicht annehmen muss, zumal Reliquienübertragungen auch schon früher dargestellt worden sind (z.B.: übertragung der Reliquien der Hl. Elisabeth, Münnerstadt, St. Maria Magdalena, Glasfenster um 1415/20).

Abschließend folgt ein Anhang, in dem die Autorin einen überblick über alle Kapellen von S. Giacomo Maggiore gibt. Hier erwähnt sie auch ein nicht unerhebliches Problem (222). Der (Erz-)bischof von Bologna hatte nämlich gar keinen Einfluss auf diese Kirche, da sie dem nicht seiner Jurisdiktion unterstellten Augustinereremiten gehörte.

Letztlich belegt auch diese Abhandlung, dass es nur geringe Berührungspunkte zwischen Bildertheologie und bildender Kunst gab. Paleotti ist es nicht gelungen, seinen Traktat zu vollenden, er veröffentlichte nur die beiden ersten theologisch-theoretischen Abschnitte, die Bücher zwei bis fünf wurden nie vollendet und blieben ungedruckt. Der Grund dafür war die Tatsache, dass die Aufstellung einer verbindlichen sakralen Ikonographie nicht nur zu Einschränkungen für Künstler und Auftraggeber geführt hätte, sondern dass der Großteil der überkommenen Bildwerke als fehlerhaft qualifiziert worden wäre. Schon Silvio Antoniano (Kardinal seit 1598) erkannte, dass Paleotti damit die Irrtumslosigkeit der kirchlichen Tradition in Frage stellen würde (Abgedr. bei P. Prodi: Ricerca sulla teorica delle arti figurative nella riforma cattolica. Bologna 1984, 111-113). Paleottis Versuch, einen Index für verbotene Bilder ("De tollendis imaginum abusibus novissima consideratio". Abgedr. ebd., 94-110) zu schaffen, verschwand daher ebenso in der Schublade wie die Vorarbeiten zum praktischen Teil seines Traktats. Das Insistieren auf dem katholischen Traditionsprinzip hatte letztlich die künstlerische Freiheit bewahrt und manche Kunsthistoriker bemühen sich bis heute vergeblich, "tridentinische Bildervorschriften" und deren künstlerische Umsetzung zu finden.


Christian Hecht

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Christian Hecht: Rezension von: Luise Leinweber: Bologna nach dem Tridentinum. Private Stiftungen und Kunstaufträge im Kontext der katholischen Konfessionalisierung. Das Beispiel San Giacomo Maggiore (= Studien zur Kunstgeschichte; 136),, Hildesheim: Olms 2000
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Jan Mohr