Rezension

Doris Gerstl: Drucke des höfischen Barock in Schweden. Der Stockholmer Hofmaler David Klöcker von Ehrenstrahl und die Nürnberger Stecher Georg Christoph Eimmart und Jacob von Sandrart, Berlin: Gebr. Mann Verlag 2000,
Buchcover von Drucke des höfischen Barock in Schweden
rezensiert von Ingrid Höpel, Institut für Kunstgeschichte, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Selten ergibt sich die Gelegenheit, den Entstehungsprozess von Reproduktions- und Ereignisgraphik in der Kommunikation zwischen Auftrag gebendem Maler und ausführendem Graphiker zu verfolgen, wie es in der vorliegenden Regensburger Dissertation gelingt. In der Handschriftenabteilung der Staatlichen Bibliothek St. Petersburg hat sich ein Briefwechsel mit der geschäftlichen Korrespondenz zwischen dem schwedischen Hofmaler David Klöcker von Ehrenstrahl (1628-1698) und seinem Nürnberger Stecher Georg Christoph Eimmart (1638-1705) erhalten. Der beidseitig überlieferte Briefwechsel dokumentiert die gemeinsame Arbeit an mehreren graphischen Zyklen und Einzelblättern zwischen 1672 und 1689. Dazu gehört die sogenannte Disa-Serie, acht Illustrationen zu einer Komödie nach Johannes Messenius, in der historische Fakten aus der schwedischen Geschichte mit sagenhaften Elementen verbunden werden; zwei Blätter über die festliche Inszenierung einer Seeschlacht; die Feierlichkeiten bei der Regierungsübernahme Karls X. 1674 in einer umfangreichen Festdokumentation; zwei Reiterbildnisse schwedischer Könige sowie die von Klöcker ausgemalte Decke des Stockholmer Ritterhauses.

Die Autorin referiert den Forschungsstand für das Werk Klöckers und Eimmarts, ergänzt um die Ergebnisse ihrer eigenen Untersuchungen an bisher nicht ausgewerteten Archivmaterialien in St. Petersburg, Stockholm und Nürnberg. In breit angelegter Fragestellung untersucht sie die Kooperation der beiden Künstler über Grenzen hinweg, vor allem unter gattungsspezifischen und ökonomischen Aspekten. Dabei entsteht ein Bild von den Bedingungen und Spannungen der Zusammenarbeit zwischen dem Maler aus dem höfischen Stockholm und dem Stecher aus dem städtisch geprägten Nürnberg.

Da sich im Zusammenhang der Disa-Serie sowohl Klöckers lavierte Feder- und Pinselzeichnungen erhalten haben, die Ausgangspunkt für Eimmarts Radierungen waren, als auch die ersten Probeabzüge Eimmarts, in die Klöcker mit der Feder seine Verbesserungsvorschläge hineinkorrigiert hat, ergibt sich im Vergleich mit den endgültigen Abzügen ein hervorragender Einblick in Tendenzen und Strategien der Bearbeitung. Der Graphiker Eimmart erweist sich dabei nicht nur als Ausführender, sondern bestimmt formal und gelegentlich auch inhaltlich mit. Nicht alle Abweichungen von seinen Vorzeichnungen korrigiert Klöcker, manches, auch etwa Veränderungenin der Lichtführung, die eine neue Akzentuierung des Geschehens bewirken, lässt er in Eimmarts Fassung stehen. Nicht zufrieden zeigt sich Klöcker häufig mit der Ausführung der Gesichter, deren Individualisierung er Eimmart weitgehend überlässt. Die Gesichter seiner eigenen lavierten Vorlagezeichnungen folgen einem einheitlichen Typ - im wesentlicheneine Folge der verwendeten Laviertechnik, die sich nicht für die Ausarbeitung von Details eignet. Die grob zusammengefassten Schatten- und Lichtpartien mussten in Eimmarts graphischer Umsetzung detailliert linear ausgeführt werden. Dabei zeigte er Schwächen in der Ausarbeitung individueller Gesichtsformen und mimischen Ausdrucks. Durch genaue Beobachtung und Beschreibung gelingt es der Autorin, die Anteile beider Künstler an der endgültigen Gestalt der acht Blätter der Disa-Serie detailliert zu trennen. Dabei hilft ihr ihre gute Kenntnis der graphischen Techniken, des Verfahrens der ätzradierung und der nachträglichen Bearbeitung mit dem Stichel. Manche Korrekturen, die der Maler Klöcker verlangt, lassen sich nur schwer in die bereits geätzte Kupferplatte einarbeiten und führen zu einem nachträglichen Qualitätsverlust, da der grobe Stichel die feinere Radierlinie unvorteilhaft dominiert. Spannend ist es nun zu beobachten, wo sich Eimmart auf eine Korrektur trotzdem einlässt und wo er sie aus seiner besseren Kenntnis der technischen Möglichkeiten heraus verweigert. Aufgrund ihrer Beobachtungen kann die Autorin die graphischen Folgen als autorisierte Künstlergraphik qualifizieren. Die Initiative geht in allen Fällen von Klöcker aus, der sich als Künstler-Verleger nach dem Vorbild von Rubens profilieren möchte und sich davon auch finanziellen Gewinn erhofft. Er überwacht den graphischen Reproduktions-und Druckprozess gründlich, indem er sich alle Probeabzüge kommen lässt, sie zeichnerisch korrigiert und verbal kommentiert an Eimmart zurücksendet, so dass die künstlerische Verantwortlichkeit letztlich bei ihm liegt.

Andere Themen der Korrespondenz sind die ökonomischen Bedingungen der Auftragserteilung, z. B. Verhandlungen um Bezahlung, Auflagenhöhe, Papiersorten und Lieferfristen. Gerade die endgültigen Liefertermine betreffend, finden immer wieder Nachverhandlungen statt. Das liegt an Klöckers verspäteter Zusendung der Vorzeichnungen, an Verzögerungen bei der graphischen Umsetzung durch Eimmart, an Unstimmigkeiten über Auflagenhöhe, Papiersorte und -größe, an den langen, gefährlichen Transportwegen, manchmal auch an Klöckers verspäteten Zahlungen. Insgesamt stellen sich die Projekte als Fehleinschätzungen des Absatzmarktes und deshalb als finanzielle Fehlschläge dar. Vor allem in Schweden scheint das Kaufinteresse nicht so groß gewesen zu sein, wie Klöcker es sich erhofft hatte, denn kurz nach Ankunft der ersten Probeabzüge fragt er bei Eimmart bereits nach Absatzmärkten, Verkaufsbedingungen und möglichen Preisen für die Graphiken in Nürnberg und Hamburg an.

Bei den Reiterporträts der schwedischen Könige Karls X. und Karls XI. arbeitete auf Wunsch Klöckers Jacob von Sandrart mit. Er war als Stecher von Herrscherporträts zu Pferde ausgewiesen und war deshalb für die Ausführung der Figuren, Gesichter und Pferdezuständig, während Eimmart nur die Ausführung der Hintergründe überlassen wurde. Verhandlung und organisatorische Durchführung des Auftrags blieben jedoch in Eimmarts Händen. Die Ansprüche Klöckers im Hinblick auf Porträtahnlichkeit führten dazu, dass sich die Auslieferung auch dieser Blätter verzögerte, bis ihm schließlich ein Hamburger Stecher mit einem minderwertigeren Produkt zuvorkam und die Bedürfnisse des Markts abdeckte, so dass es auch bei diesem hochwertigen Produkt zu Absatzschwierigkeiten kam. Weitere Projekte mit Porträtaufträgen wurden deshalb eingestellt.

Einen besonderen Höhepunkt in der Zusammenarbeit stellt die Festdokumentation zum Amtsantritt König Karls X. im Dezember 1672 dar. Nach dem Vorbild anderer graphischer Festdokumentationen plante Klöcker bereits vor dem Ereignis, es möglichst schnell in einer umfangreichen Beschreibung zu veröffentlichen. Aber auch bei der Realisierung dieses Projekts gab es Unstimmigkeiten und Verzögerungen, so dass aus der geplanten Frist von einem Jahr schließlich mehr als vierzehn Jahre wurden, bevor das Werk 1686 im Umfang von insgesamt 62 Blättern erscheinen konnte.

Das letzte gemeinsame Projekt besteht in der Reproduktion der Deckenausmalung des Versammlungsraumes der Ritterschaft im Stockholmer Ritterhaus. Diesen Auftrag hatte Klöcker 1674 vollendet. Die Decke zeigt ein moralisierendes Tugendprogramm zur Verherrlichung Schwedens in ikonographischer Anlehnung an italienische Vorbilder. Nach einer ersten brieflichen Erwähnung des Vorhabens 1672 erhält er erst nach insgesamt sechzehn Jahren 1689 die drei fertigen Blätter aus Nürnberg. Vermutlich nicht zuletzt aufgrund solcher Verzögerungen in der Ausführung der Aufträge endet die Zusammenarbeit.

Ein besonderer Vorzug des vorliegenden Buches liegt darin, dass die Autorin neben ihrer genauen Recherche immer auch die kunsthistorische Forschungslage reflektiert. Die behandelten Themen werden in ihre ikonographische Tradition eingeordnet, etwa in einem ausführlichen Exkurs zum Herrscherporträt auf courbettierendem Pferd oder zur Einordnung der certamen equestre-Folge in die europäische Festdokumentation und Ereignisgraphik. Dabei wagt sie es auch, sorgfältig abwägende und genau begründete Qualitätsurteile zu geben. Darüber hinaus ist das Buch für Historiker und Literaturwissenschaftler von Interesse, etwa wenn Gerstl den literarischen und volkstümlichen überlieferungstraditionen der Disa-Serie nachgeht oder die ökonomischen und politischen Hintergründe für die Absatzschwierigkeiten auf dem schwedischen Graphikmarkt untersucht.

Insgesamt wurde die Publikation sorgfältig redigiert; lediglich bei einigen Bildbeschreibungen finden sich irritierende Verwechslungen von rechter und linker Bildseite. Die Veröffentlichung wird von einem umfangreichen Katalogteil begleitet, der Zeichnungen, korrigierte Graphik und Graphik unterscheidet. Personen- und Ortsregister, Abbildungsnachweis und 12 Farb- sowie 109 Schwarzweißabbildungen vervollständigen den Band.


Ingrid Höpel

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Ingrid Höpel: Rezension von: Doris Gerstl: Drucke des höfischen Barock in Schweden. Der Stockholmer Hofmaler David Klöcker von Ehrenstrahl und die Nürnberger Stecher Georg Christoph Eimmart und Jacob von Sandrart, Berlin: Gebr. Mann Verlag 2000
in: KUNSTFORM 2 (2001), Nr. 1,

Rezension von:

Ingrid Höpel
Institut für Kunstgeschichte, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Redaktionelle Betreuung:

Jan Mohr