Rezension

Claudia Brink: Arte et Marte. Kriegskunst und Kunstliebe im Herrscherbild des 15. und 16. Jahrhunderts in Italien, München / Berlin: Deutscher Kunstverlag 2000,
Buchcover von Arte et Marte
rezensiert von Gerald Schröder, Kunstgeschichtliches Institut, Ruhr-Universität Bochum

Die aus dem Hamburger Graduiertenkolleg zur Politischen Ikonographie hervorgegangene Dissertationsschrift von Claudia Brink läßt sich im Kontext der Forschungen ihres Doktorvaters Martin Warnke zum Hofkünstler verorten. Denn - so lautet die zentrale These ihrer Arbeit - die untersuchte Debatte über den Vorrang von Kriegskunst und humanistischer Bildung ("arma et litterae") könne mit dem hier formulierten Idealbild eines Herrschers, der beide Bereiche harmonisch in seiner Person vereine, als eine "theoretische Fundierung der Kunstpatronage" (S. 10) und damit - so ließe sich hinzufügen - als ideologische Voraussetzung für die Genese des frühneuzeitlichen Hofkünstlers betrachtet werden. Die Einbeziehung der bildenden Künste in den Zuständigkeitsbereich des Herrschers setzt freilich eine Erweiterung des zunächst streng humanistisch gefaßten Ideals von "arma et litterae" voraus, das als "Arte et Marte" auch zu Recht den Titel von Brinks Arbeit bildet. In diesem neu formulierten Ideal fanden die Interessen des Herrschers und die der von ihm unterstützten oder Unterstützung erhoffenden Künstler zusammen. Dies macht die kunsthistorische Relevanz des Themas aus.

Es überrascht nicht, daß Brink zur Entfaltung ihrer These gerade Federico da Montefeltre und Cosimo I. gewählt hat. Haben doch beide maßgeblich zur Konstituierung des genannten Herrscherideals beigetragen. Mit der Untersuchung dieser historischen Schnittstellen im 15. und im 16. Jahrhundert kennzeichnet sie ihre Arbeit als Fallstudie, die gleichwohl Anspruch auf Verallgemeinerung erhebt: "Die Bildprogramme in Urbino und Florenz lassen bestimmte Grundmuster erkennen, die auch anderswo zum Verständnis entsprechender Konzepte herangezogen werden können." (S. 11) Doch unausgesprochenermaßen relativiert Brink selber diesen Anspruch, wenn sie in ihren Ausführungen auf den besonderen Zwang zur Herrschaftslegitimation hinweist, der sowohl die Regentschaft des unehelich geborenen Condottiere Federico, als auch die des einer Nebenlinie der ruhmreichen Familie der Medici entstammenden Cosimo kennzeichnete. Humanistische Bildung und Mäzenatentum müssen gerade in dieser spezifischen Situation den Mangel an Blutadel kompensieren.

Flankiert werden die beiden Fallstudien von der Rekonstruktion der theoretischen Debatte, die eine breite Kenntnis der Quellen voraussetzt und von Brink prägnant zusammengefaßt wird. Dabei streift sie kurz die antike Tradition und wendet sich dann dem Rangstreit zwischen Kriegskunst und Jurisprudenz zu, weil in dieser Debatte des 14. und 15. Jahrhunderts nicht nur das dialogische Schema, sondern auch einzelne Argumente geprägt wurden, die später von den Humanisten und den bildenden Künstlern übernommen wurden. Alle Gruppen, die den Wettstreit mit der Kriegskunst suchten - seien es nun die Juristen, ärzte, Humanisten oder Künstler - wollten damit letztlich ihr soziales Prestige verbessern. Es ging also ganz konkret um die Verteilung gesellschaftlicher Macht, die auch in der Rangfolge einzelner Repräsentanten im Rahmen städtischer und höfischer Zeremonien zum Ausdruck gebracht wurde. Daß sich im 15. Jahrhundert auch bereits Architekten an dieser Debatte beteiligten, kann Brink an den Traktaten Albertis und Filaretes zeigen, die den Beitrag der Baukunst für das Gemeinwohl des Staates betonen und sie damit zum gleichberechtigten Pendant der staatssichernden Kriegskunst erheben. Mit diesen Ausführungen hat Brink ein Argumentationsniveau erreicht, das es ihr nun erlaubt, eine ikonographische Analyse der Porträts Federicos und der bildlichen Zeugnisse im Palazzo Ducale in Urbino vorzunehmen, womit vor allem die Intarsien der Türen und des Studiolo gemeint sind. In einem "Gang durch den Palazzo" wird dem Motiv der "arma et litterae" nachgespürt, das bekanntermaßen im Studierzimmer des Fürsten seine ausdrückliche Formulierung findet.

Im Anschluß an diese erste Fallstudie setzt Brink ihr Referat über den Wettstreit von humanistischer Bildung und Kriegskunst fort, um die im 16. Jahrhundert geführte Debatte für ihre Interpretation der von Cosimo I. in Auftrag gegebenen Ausstattungsprogramme zu nutzen. Freilich steht hierbei der Palazzo Vecchio in Florenz im Zentrum. Aber auch das nicht ausgeführte Skulpturenprogramm der Villa in Castello und die Festarchitektur anläßlich der Hochzeit Francescos mit Johanna von …sterreich sind Gegenstand der Analysen. Auch hier ist das Ergebnis wenig überraschend, wenn Brink zusammenfassend festhält, daß im "Bild der Medici als Kriegsherren und Mäzene [...] der Bedeutung der Künste für die Repräsentation politischer Macht erstmals anschaulich Rechnung getragen [wurde]." (S. 168) Der übergang von "arma et litterae" zu "Arte et Marte" konnte im Rahmen der Kunstpolitik Cosimos I. vollzogen werden. Denn gerade als Mäzen der sich ausdifferenzierenden bildenden Künste stellte sich Cosimo I. in die Tradition von Cosimo il Vecchio und Lorenzo und etablierte damit eine realiter nicht vorhandene dynastische Legitimation seiner Herrschaft.

Der Wert der Arbeit von Claudia Brink liegt weniger in den Ergebnissen ihrer Interpretation der Residenzen Federicos und Cosimos, als in der Zusammenstellung des Materials, das erstmalig die theoretische Debatte um das Ideal des perfekten Fürsten mit prägnanten Beispielen der Kunstgeschichte vereint. Durch die spezifische Perspektivierung der Fragestellung gelingen Brink auch hier zahlreiche interessante Beobachtungen im Detail der unterschiedlichen Ausstattungsprogramme. Eine stärkere Fokussierung auf den ideologischen Gehalt der theoretischen Debatte und ihrer künstlerischen Umsetzung wäre wünschenswert gewesen.


Gerald Schröder

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Gerald Schröder: Rezension von: Claudia Brink: Arte et Marte. Kriegskunst und Kunstliebe im Herrscherbild des 15. und 16. Jahrhunderts in Italien, München / Berlin: Deutscher Kunstverlag 2000
in: KUNSTFORM 2 (2001), Nr. 1,

Rezension von:

Gerald Schröder
Kunstgeschichtliches Institut, Ruhr-Universität Bochum

Redaktionelle Betreuung:

Jan Mohr