Rezension

Directmedia Publishing GmbH: 5.555 Meisterwerke. 10 CD-ROMs, Berlin: Directmedia Publishing GmbH 2000,
Buchcover von 5.555 Meisterwerke
rezensiert von Hubertus Kohle, Institut für Kunstgeschichte, Ludwig-Maximilians-Universität München

Abbildungen von Kunstwerken auf CD-ROM zu kaufen, scheint angesichts der Tatsache, daß inzwischen hunderttausende von Bildreproduktionen im Internet zu finden sind, ein zweifelhaftes Unterfangen. Für kunsthistorische Bedürfnisse ist man etwa bei www.artcyclopedia.com sehr gut aufgehoben. Warum also hat es die für anspruchsvolle CD-ROM-Produktionen aus dem kulturgeschichtlichen Bereich bekannte Directmedia in Berlin trotzdem unternommen, die stolze Zahl von 10 Scheiben zu produzieren, auf denen sie die kaum weniger stolze Zahl von 5.555 digitalen Gemäldereproduktionen publiziert? Wer die Technologie kennt, wird dafür schnell eine Antwort finden; denn von der Abbildungsqualität, die man normalerweise im Internet findet und die für die kunsthistorische Beschäftigung mit Kunstwerken meist unzureichend ist, ließe sich diese Anzahl problemlos auch auf eine einzige CD pressen.Dankenswerterweise aber hat sich Directmedia mit dieser Qualität nicht zufrieden gegeben. Die Dateigröße erreicht ein drittel bis über ein Megabyte in allerdings nicht verlustfreier JPEG-Kompression, die Auflösung der einzelnen Bilder geht bis zu über 1600 x 2100 Punkte, eine Zahl, die bisher kaum von den größten Monitoren, geschweige denn von LCD-Projektoren dargestellt werden kann. Auch wenn man damit rein rechnerisch immer noch ein ganzes Stück von der Dia-Qualität entfernt ist, ist die Darstellung auf dem Bildschirm doch eine Augenweide, selbst wenn die meisten Reproduktionen einigermaßen flau wirken und erst mit einem Bildbearbeitungsprogramm geschärft werden müssen.

Aber welche Bilder hat man genommen? Zunächst einmal: nur Reproduktionen von Gemälden. Zweifellos aus Copyright-Gründen sind kaum Künstler aus dem 20. Jahrhundert vertreten, weil bei denen, die noch keine 70 Jahre tot sind, häufig hohe Kosten für die übernahme der Rechte anfallen. Der Bereich der klassischen Kunstgeschichte von der - allerdings nur in einigen ausgewählten Werken präsenten - Antike bis zum Expressionismus andererseits ist ziemlich dicht dokumentiert, manche Hauptvertreter aus der Frühen Neuzeit erreichen über hundert durchweg farbige Reprodukionen, eine Zahl, die mit den meisten spezialisierten Buchpublikationen mithalten kann. Cranach d.ä. etwa ist mit an die 70 Bildern präsent, Rubens mit über 120, Rembrandt gar mit über 160. Andere erstrangige Künstler dagegen - wie Raffael und Poussin - kommen nur auf ein paar Dutzend. Und sobald man in der zweiten Reihe angekommen ist, sind es zuweilen nur zwei oder drei Abbildungen, wenn dort nicht manche hochberühmten Künstler (mir ist der holländische Stillebenmaler Pieter Claesz. aufgefallen) sogar völlig fehlen. Das ist bei einer Gesamtzahl von 5.555 Reproduktionen ja auch kaum verwunderlich, einstellen aber muß man sich eben auf unliebsame und ganz unerwartete überraschungen und allgemein die Tatsache, daß man bei einer solchen Produktion nur in sehr begrenztem Maß von einer systematischen und ausgewogenen Auswahl ausgehen kann.

Die Erschließung der Bilder ist nur halb gelungen, auf der Lieferung des Verfassers funktionierte manches nicht. Die Suchmaske besteht aus einer Künstlerliste, auf der man sich einen Vertreter aussuchen und zunächst Thumbnails, dann eine größere Abbildung und schließlich ein Vollbild aussuchen kann. Diese sind mit einem knappen, für normale Bedürfnisse aber völlig ausreichenden Datensatz mit Namen, Titel, Entstehungsjahr, Maßen, Material und Aufbewahrungsort verbunden. Auch die Künstlerdaten sind aufgenommen. Daneben gibt es die Möglichkeit, nach Begriffen aus den genannten Datenfeldern zu suchen, sich etwa Werke herauszufiltern, die auf Holz gemalt sind, nur solche, die zwischen 1550 und 1600 entstanden sind, oder nur solche, die in einem Pariser Museum aufbewahrt werden. Entgegen der Versprechung in der Hilfefunktion aber springt die Anzeige etwa bei Angabe eines Künstlernamens nicht auf die entsprechende Stelle in der Künsterliste, auch kombinierte Recherchen etwa vom Typ "Bild auf Holz" mit dem Entstehungsdatum 1550-1600 sind nicht möglich. Zwar muß man, um auf einen Künstler zuzugreifen, der sich nicht auf der gerade geladenen CD befindet, nur dann wechseln, wenn man das Vollbild sehen will, schön aber wäre es, wenn man diese Daten ganz ohne eine CD einzulegen aufrufen könnte.

Fazit: Auch für einen vertieften Einblick in die Kunstgeschichte eignen sich die "5.555 Meistewerke" allemal, auch wenn man natürlich auf jede narrative Darstellung verzichten muß. Für einen wissenschaftlichen Kontext dürften die Vorteile schwieriger zu benennen sein. Zweifellos eignen sich die Scheiben als Grundstock für eine digitale Lehrsammlung, die für Einführungskurse zur Geschichte der europäischen Malerei weithin ausreichen dürften. Ersetzen werden solche digitalen Sammlungen die in der Instituten vorhandenen Diasammlungen erst dann, wenn die Anzahl der Reproduktionen mindestens um den Faktor 10 höher liegt.

Noch eine Warnung zum Schluß: Ein sehr schneller Rechner mit großem Hauptspeicher (mindestens 128 MB) und hervorragendem Bildschirm ist in jedem Fall notwendig, zumindestens dann, wenn man auch die sehr großen Vollbilder betrachten will. Und die sind ja der eigentliche Clou bei diesen CD-ROMS.


Hubertus Kohle

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Empfohlene Zitierweise:

Hubertus Kohle: Rezension von: Directmedia Publishing GmbH: 5.555 Meisterwerke. 10 CD-ROMs, Berlin: Directmedia Publishing GmbH 2000
in: KUNSTFORM 1 (2000), Nr. 1,

Rezension von:

Hubertus Kohle
Institut für Kunstgeschichte, Ludwig-Maximilians-Universität München

Redaktionelle Betreuung:

Jan Mohr