Die »Goldene Zeit« des Fotoalbums

Zweifellos waren die frühen Alben ab der Mitte des 19. Jahrhunderts eine sehr kostspielige Angelegenheit. Erinnern die frühesten Beispiele in ihrem Äußeren an wertvolle Prachteinbände vergangener Zeiten, in Leder gefasst, aufwendig geprägt und der Inhalt mit Goldschnitt versehen, so tauchen daneben bald dem Zeitgeschmack geschuldete und nicht weniger aufwendige Exemplare in der Formensprache des Historismus auf, der nach der Jahrhundertmitte in Mode gekommen war. Zum einen zeigt sich dies in den geprägten Motiven, zum anderen anhand der Beschläge und der montierten Reliefs. Wenngleich die Qualität der verwendeten Materialien heute - rund 150 Jahre später - durchaus Unterschiede in der Haltbarkeit und Strapazierfähigkeit erkennen lässt, so waren doch all jene Alben zu ihrer Zeit ohne Frage verhältnismäßig teuer und damit an bestimmte Einkommensschichten gebunden, zumal in den damals vorzugsweise verwendeten Einsteckalben vor allem Visit- oder Kabinettfotos aus den Fotoateliers Aufnahme fanden. 

Einigermaßen überraschend ist die Tatsache, dass in der Sammlung der Fotothek aus diesen frühen Jahren keine Alben-Einbände doppelt vorhanden sind, obwohl der regionale Sammelschwerpunkt der Einrichtung in ihren Anfängen erklärtermaßen auf Sachsen lag, ja sogar auf den Großraum Dresden konzentriert war. Einen Hinweis zur Erklärung liefert möglicherweise Katja Hofmanns Aufsatz »Teatrum Mundi. Das Dresdner Prachtalbum Immanuel Wilhelm Bärs« (Ziehe, Hägele, Berlin 2006, S. 59), in dem sie schreibt: »Im Bereich der Fotoalben […] wurden neben der klassischen Form des auslegbaren Albums auch aufstellbare Modelle vertrieben. Ferner konnte der Kunde um 1890, dem hier maßgeblichen Betrachtungszeitraum, allein in der Ausstattung des Einbandes zwischen verschiedenen Materialien, der Verwendung von Goldpressung, Schildern, Metallecken usw. wählen. Auch aufwendige Sonderanfertigungen waren erhältlich, wurden aber zu entsprechend höheren Preisen angeboten als die seriell produzierte Ware.«

Blättert man durch diese Alben, so erstaunt der Aufwand, der getrieben wurde, durchaus. Doch stellt sich bald unvermeidlich der Eindruck einer gewissen Gleichförmigkeit ein. Selbst in jenen Fällen, da noch Informationen zur Familie vorliegen, welcher das Album gehörte, erzählt dieses doch meist recht wenig über familiäre Beziehungen, über besondere Interessen der Dargestellten oder ihr Alltagsleben. Es handelt sich eben überwiegend nur um Versammlungen von Porträts, und diese dokumentieren bestenfalls modische Aspekte der Garderobe oder der Frisuren, des Schmuckes oder in den Accessoires. Man hielt sich weitestgehend an die geltenden Konventionen, die vorschrieben, wer bei offiziellen Anlässen zu stehen hatte oder wer sitzen durfte. Einen bestimmten Anlass, den Fotografen aufzusuchen, kann man in der Regel nicht erkennen. Man trug vorgefasste Mienen zur Schau, und es ist schon überraschend, wenn es ausnahmsweise der Familienhund einmal mit aufs Foto geschafft hat. So hält sich die individuelle Aussagefähigkeit dieser Alben oft in Grenzen. Und das wird ein Grund dafür sein, dass man sich mit dem Verlust einer persönlichen Beziehung zu den Dargestellten auch von den Alben trennte, und diese entweder gänzlich der Vernichtung anheimgab oder im günstigsten Fall noch an einen Sammler oder eine Sammlung verkaufte.

Die »Goldene Zeit« der Fotoalben war also vor allem jene von Goldschnitt und Goldprägung. Diese Zeit steht für kunsthandwerklichen Anspruch, für aufwendig ausgeführte oder doch wenigstens aufwendig erscheinende Gestaltungen sowie für mehr oder minder teure Materialien. Alles sollte ebenso wohlsituiert erscheinen wie der gesellschaftliche Status der abgelichteten Besitzer und deren Familienverhältnisse.

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