Vasari als Intendant Cosimos I.

Der in Arezzo geborene Vasari kam im Alter von 13 Jahren erstmals nach Florenz, d.h. 1524, wo er sich im Umkreis der Medici etablierte und in einen ersten Kontakt mit Michelangelo trat. 1527, also während des republikanischen Interims, zog er sich zunächst nach Arezzo zurück, ging aber alsbald mit dem Kardinal Ippolito de’Medici 1531 nach Rom, der ihn und den eng mit ihm befreundeten Francesco Salviati in seinen Dienst nahm. Mehrere Reisen führten ihn ab 1536 nach Bologna, Mantua, Venedig und Neapel. 1543 fing er an, für die Farnese zu arbeiten, und erhielt 1546 von Kardinal Alessandro Farnese den Auftrag für die Ausmalung eines Saales im römischen Palast der Cancelleria. In drei monumentalen Wandbildern realisierte Vasari hier in 100 Tagen ein politisches und allegorisches Programm zur Verherrlichung der Taten Pauls III., das von dem Rhetorikprofessor Paolo Giovio entworfen worden war, der schon das Programm für Poggio a Caiano >L.XV.4 konzipiert hatte. Giovio hatte auch wesentlichen Anteil an der Entscheidung Vasaris, Material für seine Sammlung von Künstlerbiografien zu sammeln, die erstmals 1550 und in erweiterter Fassung 1568 erschien. 1548 errichtete sich Vasari ein Haus in seiner Heimatstadt Arezzo, das er in den folgenden Jahren mit einem anspruchsvollen, auf die Künste und den Künstler bezogenen Programm ausmalte.

1550 malte er für Papst Julius III. del Monte dessen Familienkapelle in der römischen Kirche S. Pietro in Montorio mit Themen aus der Paulusgeschichte aus, wobei er – so Vasari über Vasari – absichtlich andere Themen wählte als sie Michelangelo kurz zuvor in der Cappella Paolina >L.XII.8 dargestellt hatte. An diesen Bildern wird deutlich, wie eng damals die Beziehung von Vasaris Malerei zum Stil von Francesco Salviati war. Vasaris Berufung nach Florenz in den Dienst Cosimos I. mit einem jährlichen Gehalt von 300 Scudi erfolgte 1554 und führte 1555 zu seiner definitiven Übersiedlung nach Florenz. Seine wichtigste Aufgabe war die Modernisierung und Neuausstattung des Palazzo Vecchio, bei der er sich als fähiger und effizienter Regisseur und Innenarchitekt erwies. Dies führte dazu, dass ihn Cosimo I. 1559 mit der Errichtung der Uffizien beauftragte, eines U-förmigen Verwaltungsgebäudes für die Magistrature (Hofämter) und das sowohl mit dem Palazzo Vecchio wie mit der neuen Residenz des Palazzo Pitti durch einen überdeckten Gang (Corridoio Vasariano) verbunden wurde . Vasaris architektonisches Vokabular orientiert sich an Michelangelo, ist dabei jedoch von den Gesichtspunkten der funktionellen Sparsamkeit geprägt. Schon damals bestand der Plan, im zweiten Stock des Gebäudes die Kunstsammlungen der Medici unterzubringen, was dann unter Cosimos I. Nachfolger ihr ausschließlicher Zweck wurde. Die Ausstattung der verschiedenen Wohnungen im Palazzo Vecchio, die heute nach den Themenkreisen benannt werden, die hier dargestellt sind, zog sich über mehr als zehn Jahre hin. Die thematischen Vorgaben zur malerischen und dekorativen Ausstattung der einzelnen Räume hat Vasari in den erst nach seinem Tod veröffentlichten „Ragionamenti“ beschrieben. Als erstes Appartement wurde von 1555 bis 1559 das Quartiere degli Elementi im zweiten Stock mit Allegorien der Vier Elemente und Geschichten des Jupiter und Herkules ausgestattet. Es folgte die Wohnung der Herzogin mit einem auf berühmte Frauen aus Mythologie, Bibel und Geschichte bezüglichen Programm. Die Themen des im ersten Stockwerk gelegenen Quartiere di Leone X, bei dem es sich um die Wohnung des Herzogs handelte, betreffen die großen Repräsentanten des Hauses Medici, von Cosimo dem Alten bis zu Cosimo I..

Den künstlerischen Höhepunkt der Dekoration und ihren chronologischen Endpunkt stellt das nach Vasaris Entwürfen von 1570 bis 1574 für Francesco I. de’Medici kostbar und opulent ausgestattete Studiolo dar, mit dem die Florentiner Hofkunst des 16. Jahrhunderts ihren Höhepunkt erreichte. Das anspruchsvolle skulpturale und malerische Programm, das von Vincenzo Borghini ausgearbeitet wurde, thematisiert mythologische Gottheiten, biblische Szenen und die Arbeiten der Menschen unter der Herrschaft der Elemente. Als wichtigster ikonographischer und kunstpolitischer Berater Cosimos I. war Borghini auch für das Bildprogramm des Salone dei Cinquecentozuständig, wobei ihm sowohl Vasari wie Cosimo I. sekundierten, der in den Programmentwurf eingriff, um seine Version der Ereignisse durchzusetzen. Vasari agierte hier demnach als der perfekte Hofkünstler, der sich für die inhaltliche Seite der Programmmalerei den Wünschen des Auftraggebers und der Berater unterwarf. Nach eigener Aussage holte er allerdings auch die Zustimmung Michelangelos ein, um die beiden angefangenen Wandbilder der Schlacht von Cascina und der Schlacht von Anghiari zu beseitigen >L.XI.3-4.

Die nach dem Vorbild des Dogenpalastes in Venedig in Kassetten unterteilte Deckedes Salone, in deren 39 Feldern die Geschichte von Florenz und des Hauses Medici zu sehen ist, entstand von 1563 bis 1565. Für die Struktur des gesamten Bildprogramms wurden schematische Skizzen angefertigt, bevor Vasari die einzelnen Szenen entwarf. Die malerische Umsetzung oblag einer großen Truppe von jüngeren Malern (giovani), die am Beginn ihrer Karriere standen. Gelegentlich musste Vasari aber retuschieren, damit, wie er sagt, alles in ein und derselben Manier gehalten sei. Seine Organisation folgte dem von Raffael eingeführten Prinzip, das auch Giulio Romano übernommen hatte >L.XIV.5, den Vasari 1540 bei seinem Besuch in Mantua kennengelernt hatte. Dank seiner intellektuellen Fähigkeiten und seines langen Lebens wurde Vasari jedoch ein effizienterer Manager als Giulio Romano.

Im Zentrum der Decke ist in einem Tondo die Apotheose Cosimos I. dargestellt, die vor allem deswegen bemerkenswert ist, weil es sich um die erste Darstellung des für die Zukunft bedeutungsvollen Themas der Apotheose eines lebenden Fürsten handelt. Die sechs großen Wandgemälde mit den siegreichen Schlachten der Florentiner wurden erst 1571 beendet. Auch hier wurde Vasari von mehreren Mitarbeitern (Jacopo Zucchi, Giovanni Stradano und Giovanni Battista Naldini) unterstützt. Vasaris letztes Werk war die Ausmalung von Brunelleschis Domkuppel nach dem Programmkonzept von Vincenzo Borghini, die jedoch unvollendet war, als er 1574 starb. Das im achtteiligen Kuppelgewölbe nicht gerade ideal platzierte Thema ist das Weltgericht, wobei der Bezugspunkt Michelangelos Weltgerichtin der Sixtinischen Kapelle war, das heftiger Kritik ausgesetzt gewesen war >L.XII.7. Obwohl sich Vasari sein ganzes Leben lang als Parteigänger und Schüler Michelangelos verstanden hatte, folgte er mit der Kuppel den gegenreformatorischen Prinzipien. Im Rückgriff auf ältere Versionen des Weltgerichts wählte er eine überschaubare Ordnung der Figuren, die streng nach den theologischen Hierarchien gegliedert sind. Die Ausmalung der Kuppel wurde nach seinem Tod in diesem Sinne von Federico Zuccari 1579 vollendet.

Systematik und effiziente Arbeitsorganisation sind die Stichworte, mit denen Vasaris Wirken am besten gekennzeichnet ist. Diese Prinzipien sollten sich in den kommenden Jahrzehnten allgemein durchsetzen. Das wichtigste Ergebnis seiner Bemühungen um effiziente Organisationsstrukturen für die Künste war die Gründung der Florentiner Accademia del Disegno im Jahr 1563. Mit seinem neuen Konzept, das die ehemals konkurrierenden Künste unter dem Dachbegriff des Disegno vereinte, entwarf Vasari die für die Zukunft maßgebliche Struktur der künstlerischen Arbeit im Dienst des absoluten Herrschers. Im Rückblick betrachtet war er der Architekt der organisatorischen Strukturen, die es den Künsten während des Zeitalters des Barock ermöglichen sollten, ihre vielfältigen Aufgaben im Dienste der Höfe zu erfüllen. Mit seiner Sammlung von Künstlerbiografienschuf er zudem den historischen Unterbau und künstlerischen Bezugspunkt für die weitere Entwicklung und sorgte dafür, dass sein Konstrukt der Renaissance in die Geschichte einging.

 

zu Lektion XVI

Disegno

In der zweiten Ausgabe der „Vite“ von 1568 bezeichnet Vasari die Zeichnung („il Disegno“) als „Vater unserer drei Künste Architektur, Bildhauerei und Malerei, der aus dem Geist hervorgeht (…)“. Er ist für ihn die „Idee aller Dinge der Natur“ und infolgedessen „eine anschauliche Gestaltung und Darlegung jener Vorstellung, die man im Sinn hat, von der man sich im Geist ein Bild macht und sie in der Idee hervorbringt.“ Diese Konzeption der Zeichnung als „Erkenntnisform des Geistes“ (Pfisterer), die weit über L. B. Albertis Definition der Zeichnung (segno) als Punkt und Linie hinausgeht, wurzelt in den Schriften des Florentiner Dichters und Philosophen Angelo Poliziano.

Literatur: Wolfgang Kemp: Disegno. Beiträge zur Geschichte des Begriffs zwischen 1547 und 1607, in: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft 19, 1974, 219–240; Matteo Burioni (Hg.): Giorgio Vasari, Einführung in die Künste der Architektur, Bildhauerei und Malerei. Die künstlerischen Techniken der Renaissance als Medien des disegno, Berlin 2006, 98; Ulrich Pfisterer: Die Kunstliteratur der italienischen Renaissance. Eine Geschichte in Quellen, Reclam ub 18236, Stuttgart 2002, 101–103.