Hofkunst in Ferrara: Alfonso d'Este

Bruder der Isabella war Alfonso d’Este (1476–1534), der 1501 Lucrezia Borgia (+1519) geheiratet hatte und der seit 1505 Herzog von Ferrara war. Er gilt als einer der kunstsinnigsten Fürsten seiner Generation. Allerdings lassen sich die Schauplätze seines Mäzenatentums und seiner Tätigkeit als Sammler heute in Ferrara nicht mehr besichtigen. Die berühmte Gemäldesammlung wurde 1598 nach Rom gebracht und befindet sich heute zu einem großen Teil in der Galleria Borghese, andere Gemälde gelangten im 18. Jahrhundert nach Dresden. Hofmaler Alfonsos I. d’Este war Dosso Dossi, der aufgrund seiner gesuchten und oft rätselhaften Themen zu den Künstlern zählt, die sich nur schwer einordnen lassen. Seine stilistische und vor allem koloristische Nähe zu Giorgione wurde nach seiner Romreise, die um 1520 datiert wird, vom Einfluss Raffaels und Giulio Romanos überlagert, ohne dass er das venezianische Kolorit aufgab. Dossi war auch an der malerischen Ausstattung des Palazzo Ducale in Ferrara beteiligt, die 1545 einem Brand zum Opfer fiel. Eine Vorstellung von seiner Manier im Medium der Wand- und Deckenmalerei vermitteln die Arbeiten, die er zusammen mit seinem Bruder Battista um 1530 im Castello del Buonconsiglio in Trient gemalt hat >L.XIV.8. Die Cimelien der Ausstattung und der Sammlung des Herzogs Alfonso d’Este befanden sich in seinen privaten Wohngemächern, die später als Camerini d’alabastro bezeichnet wurden. Als Studiolo diente dem Herzog die sogenannte Camera del poggiolo (Balkonzimmer), auch Camerino delle pitture genannt, deren Vorbild das Studiolo der Isabella d’Estein Mantua war. Allerdings war hier das Thema nicht der Kampf zwischen Tugend und Laster, sondern Bacchus und antike Bacchanalien. Die Gemälde, die den Hauptschmuck des Raumes ausmachten, zählen zu den berühmtesten Werken der venezianischen Renaissance.

Das früheste Gemälde ist das 1514 datierte Gemälde von Giovanni Bellini, in dem das Festmahl der Götter dargestellt ist.Der Hintergrund des Bildes von Bellini wurde zweimal übermalt, und zwar zunächst um 1519 durch Dosso Dossi und 1529 ein zweites Mal durch Tizian. Die Übermalung des ursprünglich kargen Hintergrundes durch eine üppige und sattgrüne Landschaft erklärt sich aus den drei übrigen Bildern des Studiolo, die Tizian in den folgenden Jahren malte. Es handelt sich dabei um drei seiner berühmtesten Gemälde profaner Thematik: 1. das von 1518 bis 1520 entstandene Venusfest, 2. die 1520–1523 zu datierende Begegnung von Bacchus und Ariadne auf Naxos, und 3. das von 1523–1524 entstandene Gelage der Andrier, die sich an einem von Bacchus geschaffenen Weinfluss dem Weingenuss hingeben. Aus der Korrespondenz des Auftraggebers mit dem Maler geht hervor, dass zwei dieser Gemälde zunächst von Fra Bartolomeo (Anbetung der Venus) >L.XV.1 bzw. von Raffael (Triumph des Bacchus) gemalt werden sollten. Angeblich brach Raffel die Arbeit an seinem schon durch Zeichnungen vorbereiteten Bild ab, als er erfuhr, dass der ferraresische Hofmaler Pellegrino da San Daniele das gleiche Sujet in Auftrag hatte. Die Zeichnung Raffaels, die nach Ferrara geschickt wurde, diente laut Vasari später als Vorlage für das Gemälde von Garofalo, das den leer gebliebenen Platz einnehmen sollte. Das Programm wurde ergänzt durch weitere Werke der beiden ferraresischen Hofmaler Pellegrino di San Daniele und Dosso Dossi. Dossis Gemälde mit einem weiteren Triumph des Bacchus wurde erst in jüngster Zeit wiederaufgefunden. Der Herzog beabsichtigte demnach ähnlich wie seine Schwester in Mantua, in diesem Raum Gemälde der damals exzellentesten Vertreter der italienischen Malerei zu versammeln. Auch die Themen, deren Quellen die Bilderbeschreibungen des Philostratund die „Fasti“ des Ovid sind, wurden möglicherweise unter dem Gesichtspunkt dieses Wettstreits ausgewählt. Zur ehemaligen Ausstattung des Raumes gehörten außerdem zehn Szenen aus der „Aeneis“ des Vergil von Dosso Dossi, antike Skulpturen und Reliefs sowie moderne Reliefarbeiten des Venezianers Antonio Lombardo.

 

zu 8. Die Residenz des Bernardo Cles in Trient