Hadrian VI., Clemens VII. und der „Sacco di Roma"

Parallel zu den Ereignissen, die zwischen 1517 in Wittenberg und der Ächtung Luthers auf dem Reichstag von Worms 1521 stattfanden, veränderte sich das Szenarium auch in Italien. Karl V. machte sich 1521 zum ersten seiner insgesamt fünf Kriege auf, mit denen er sich in den nächsten Jahrzehnten die Vorherrschaft in Italien sicherte. Er eroberte Parma und Piacenza und vertrieb seinen großen Gegner François I. im November 1521 aus Mailand, wenige Tage bevor Leo X. am 2. Dezember starb. Neuer Papst wurde Hadrian VI.,der als Rektor der Universität Löwen der Erzieher König Karls V. gewesen war, für den er seit 1520 die Regentschaft in Spanien führte. Gewählt in Abwesenheit, wurde er von den Römern nicht ernst genommen, als er nach seiner Überfahrt von Spanien von Ostia aus auf einem Maulesel nach S. Paolo fuori le Mura ritt, wo ihn die Kardinäle empfingen. In seinen Instruktionen für den 1522 in Nürnberg versammelten Reichstag bekannte er sich zur Reformbedürftigkeit der Kirche und sah in ihr den Grund für den von ihm scharf kritisierten Abfall Luthers. Er beauftragte seinen Legaten: „Du sollst in unserem Namen versprechen, dass zuerst der römische Hof, von dem vielleicht alle diese Übel ihren Anfang genommen haben, gebessert werde; dann wird, wie von hier die Krankheit gekommen, auch von hier die Gesundung beginnen. Solches zu vollziehen, erachten wir uns um so mehr verpflichtet, weil die ganze Welt eine solche Reform begehrt." Für die Umsetzung dieser guten Absichten blieb ihm jedoch keine Zeit mehr und sein Tod im September 1523 nach einem nur knappe 13 Monate dauernden Pontifikat wurde von den Römern nicht beklagt, sondern begrüßt. Ihm folgte Giulio de’Medici, der den Namen Clemens VII. annahm.

Die Hoffnungen auf einen zweiten Papst aus dem Geschlecht der Medici waren groß, aber auch die Skepsis, ob er den Aufgaben, die auf ihn warteten, gewachsen sein würde. Der venezianische Gesandte Gasparo Contarini charakterisierte ihn 1530 wie folgt: „Er zeigt zwar den Wunsch, die Missstände in der heiligen Kirche beseitigt zu sehen, aber er bringt keinen derartigen Gedanken zur Ausführung und entschließt sich zu keiner Maßnahme.“ Gewählt worden war er als Parteigänger des Kaisers, aber aus Sorge um die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts der Kräfte schloss er 1524 einen Geheimpakt mit François I., nachdem dieser 1523 Mailand und Oberitalien erneut erobert hatte und nun die Auseinandersetzung mit Karl V. suchte. In der Schlacht von Pavia im Februar 1525, als das bestens gerüstete Heer des französischen Königs auf die verhungerten Söldner des Kaiserheeres unter dem Söldnerführer Frundsberg traf und ihnen unterlag , wurde François I. Gefangener des Kaisers. Karl V. schonte ihn, obwohl er wusste, dass es in diesem Kampf, der auch die nächsten Jahrzehnte überschatten sollte und unter dem vor allem Italien zu leiden hatte, um die Vorherrschaft in Europa ging. Im Glauben, sein unterlegener Gegner würde sich an die geschlossenen Verträge halten, ließ er ihn 1526 wieder frei. Daraufhin schloss sich François I. mit dem Papst, Venedig, Florenz und Mailand zur Heiligen Liga von Cognac zusammen, die sich unter anderem die Vertreibung der Spanier aus Neapel und die Rückeroberung von Mailand zum Ziel setzte.

Im kaiserlichen Heer, das aus Söldnern und Landsknechten bestand, die während dieser Zeit in Oberitalien untätig auf den Sold warteten und sich die Zeit mit Plünderungen vertrieben, brach am 16. März 1527 eine Meuterei aus, die von Frundsberg nicht im Zaum gehalten werden konnte. Die Landsknechte zogen als führerlose und marodierende Banden gen Süden. Am 6. Mai begann der Sturm auf Rom, Clemens VII. flüchtete in die Engelsburg und lehnte Verhandlungen und die verlangten Zahlungen ab. Daraufhin wurde der Borgo di S. Pietro verwüstet, der Vatikan gestürmt und geplündert. Einen anschaulichen Bericht über diese Ereignisse gibt Benvenuto Cellini, der mit dem päpstlichen Hofstaat in der Engelsburg seine Sicherheit gesucht hatte, in seiner Selbstbiographie. Schließlich musste sich der Papst am 7. Juni 1527 ergeben. Die Gefangenschaft Clemens VII. in der Engelsburg und die Plünderung Roms dauerten ein halbes Jahr. Während dieser Zeit ließ sich der Papst einen Vollbart wachsen, den er – angeblich zum Zeichen der Trauer über die erlittene Schmach – bis zu seinem Tod (1534) nicht mehr ablegte. Nachdem der Kaiser für diese Demütigung des Papsttums den unerwünschten Beifall der Anhänger Luthers erhalten hatte und französische und englische Truppen zur Befreiung des Gefangenen anrückten, schloss er am 26. November 1527 mit Clemens VII. einen Vertrag, der den Kirchenstaat wiederherstellte und dem Papst die Freiheit zurückgab. Die ehemals glanzvolle Residenz im Vatikan war jedoch so verwüstet, dass sie nicht mehr bewohnbar war.

Die kaiserliche Soldateska hatte nichts verschont. Berühmt sind die Kritzeleien (sgraffitti), die die deutschen Landsknechte auf den Fresken Raffaels in den Stanzen hinterließen und aus denen klar hervorgeht, dass unter den Plünderern und Marodierern auch Lutheraner waren. Auf dem Fresko der Disputa in der Stanza della Segnatura >L.XIII.1 ist zu lesen: Vivat Karolus Imperator und darunter: „Luther”. In der luxuriösen Villa des päpstlichen Bankiers Agostino Chigi schrieb ein deutscher Landsknecht auf eine Romvedute in der Sala delle Prospettive: „Was soll ich Schreibens und nit/ lachen di Landsknecht haben den/ Babst laufen machen.“ Obwohl sich in den kommenden Jahren die Herrschaft Clemens' VII. wieder festigte und es mit dem Frieden von Barcelona 1529 sogar zu einer Aussöhnung mit dem Kaiser kam, die in der 1530 in Bologna vollzogenen Kaiserkrönunggipfelte, war der Glanz der Renaissance von Rom gewichen. Fast alle Künstler, die es nach Rom gezogen hatte, in der Hoffnung, dort eine Fortsetzung des mediceischen Zeitalters zu erleben und davon zu profitieren, verließen Rom fluchtartig, darunter vor allem die Schüler Raffaels, die nach dessen Tod im April 1520 seine Werkstatt weitergeführt hatten. Sebastiano del Piombo schrieb 1531 an den damals in Florenz weilenden Michelangelo: „Immer noch scheint es mir nicht, daß ich jener Sebastiano sei, der ich vor der Plünderung Roms war.“

zu 9. Venedig in der Renaissance