Familienkonstellationen in Florenz: Medici, Strozzi, Rucellai

Es waren nicht allein die Medici, die in der Kunst ein geeignetes Instrument der opulenten Selbstdarstellung entdeckten. Giovanni Rucellai nennt in seiner Selbstbiographie „Il Zibaldone” deutlich die Motive für sein künstlerisches Engagement, wenn er schreibt, dass er die allergrößte Genugtuung durch die Errichtung von Bauwerken erhalte, weil diese Gebäude der Ehre Gottes, dem Ansehen der Stadt und der Erinnerung an ihn selbst dienten >L.IV.8. In kaum geringerem Maße gelten diese patriotisch, religiös und persönlich motivierten Maximen für die übrigen Künste. Nirgendwo ließen sich individuelle Heilserwartung und Erinnerungsbedürfnis, Repräsentation und Devotion so gut miteinander verbinden wie in Stiftungen von Kunstwerken für kirchliche Einrichtungen. Zugleich konnte man auf diese Weise Macht demonstrieren oder andeuten, zu welcher Gruppierung man gehörte, wie dies etwa der für die Medici-Bank tätige Francesco Sassetti tat, indem er sich in der von ihm gestifteten und 1483–1485 von Ghirlandaio ausgemalten Kapelle zusammen mit Lorenzo de’Mediciverewigen ließ.

Als Indikatoren für machtpolitische Konstellationen gelten heute die unterschiedlichen geschmacklichen Optionen der Familien, die politische und ökonomische Kontrahenten waren. Ein hierfür häufig zitiertes Beispiel ist die Ausstattung der Sakristei von S. Trinita durch Palla Strozzi, den mächtigen Gegenspieler von Giovanni di Bicci de'Medici. Im gleichen Jahr (1421) als Letzterer mit dem Bau der Alten Sakristei begann >L.IV.3, wurde die neue Sakristei von S. Trinita als Begräbniskapelle der Familie Strozzi errichtet. Der Entwurf dazu wird Ghiberti zugeschrieben, während als Altarbild der Kapelle, die 1423 datierte Anbetung der Könige an den damals in Florenz weilenden Gentile da Fabrianoin Auftrag gegeben wurde.Die sich hinter dieser Wahl verbergende künstlerische, vielleicht auch gesellschaftliche Polarisierung wird deutlicher, wenn man die damals schon fast historisch zu nennende Rivalität zwischen Brunelleschi und Ghiberti im Auge behält, die seit dem Wettbewerb für die Baptisteriumstür von 1401 schwelte und die sich 1420 erneut zugespitzt hatte, als beide für die Errichtung der Domkuppel verpflichtet worden waren >L.IV.2.

Frederic Antal hat die These aufgestellt, dass die Bevorzugung des naturalistischen und modernen Stils durch Giovanni de’Medici, der das Haupt der sogenannten Popolani war, beziehungsweise die Option Palla Strozzis für die elegante und höfisch ausgerichtete Sprache Gentile da Fabrianos, die politischen Verhältnisse spiegeln. Jedenfalls gehörten die Strozzi zur Partei der Albizzi, mit denen sie nach der Rückkehr von Cosimo de’Medici aus Padua (1434) das Schicksal der Verbannung teilen mussten. Gentile da Fabriano hielt sich zur gleichen Zeit in Florenz auf, als Masaccio und Masolino die Brancacci-Kapelle ausmalten. Er wohnte von 1420 bis 1424 in einem Haus neben S. Trinita, das den Strozzi gehörte und hatte einen Schüler namens Jacopo Veneziano bei sich >L.XVI.3, hinter dem sich vermutlich Jacopo Bellini verbirgt. Diese Konstellation verdeutlicht das weite künstlerische Spektrum, über das Florenz damals verfügte. Dank ihrer opulenten Erscheinung und ihres prominenten Aufstellungsortes und trotz ihres „veralteten“ Stils hat Gentile da Fabrianos Anbetung der Könige in Florenz Furore gemacht. Ihr faszinierendstes Motiv ist der Zug der Könige, der in seiner Figurenfülle und in seinem reichen Gefolge an Umzüge erinnerte, wie sie anlässlich von religiösen und profanen Festen üblich waren.

Der Zug der in Gold gekleideten Könige nähert sich mit großem Pomp der ganz links dargestellten Heiligen Familie; der prächtige Zug, die herausgeputzten Pferde und die Jagdhunde nehmen wesentlich mehr Fläche ein als die an den linken Bildrand platzierten Hauptakteure. Die ganze Bildfläche ist in der so genannten Klapp-Perspektive gehalten, das heisst, der von rechts aus dem Mittelgrund heranströmende figurenreiche Zug füllt die Bildfläche ohne Unterscheidung von räumlichen Ebenen aus. Die letzten Köpfe verschwinden hinter einem Baum. Die Bildfläche unter der Arkatur des originalen Rahmes ist der Erzählung des Vorher und des Nachher vorbehalten Allerdings gibt es zwischen dem Geschehen in den drei „Lünetten“ und dem Vordergrund keine Verbindung oder Kommunikation. Links aussen erblicken die drei Weisen den Stern, unter dem mittleren Bogen sieht man den Zug auf dem Weg nach Jerusalem, rechts ihre Rückkehr in das hügelige Morgenland. Die mächtigen Felsen der Geburtshöhle und ein Orangenhain schneiden diese beiden Aktionsebenen völlig voneinander ab. Die Bildstruktur ist bestimmt von der narrativen und dekorativen Fülle, die das Vorher und Nachher der im Vordergrund dargestellten Szene einschliesst, ohne es räumlich zu bewältigen. Prachtentfaltung, Erlesenheit und Liebe zum Detail – auch in den Darstellungen des Rahmens – sind die Merkmale dieses Bildes.

Der Stil, den Brunelleschi, Donatello und Masaccio vertraten, war ein Kontrastprogramm zu dem mit Gold, kostbaren Materialien und Stoffen prunkenden Stil des Altar-Retabels von Gentile, das zu den herausragenden malerischen Leistungen der „Internationalen Gotik“ gerechnet wird. Michelangelo soll Vasari zufolge gesagt haben, dass Gentiles Art zu malen, seinem Namen ähnlich sei. Stellt man ihr die Anbetung der Könige von Masaccio in der Predella seines 1426 vollendeten Altars von Pisa gegenüber, so wird dieses Urteil nachvollziehbar. Die Unterschiede im Format verhalten sich umgekehrt zur Bildwirkung. Dies rechtfertigt den Vergleich, der aufgrund der unterschiedlichen Maße und Funktion der Bilder im Altargefüge nicht ganz korrekt ist. Masaccios Predella nimmt zwar mit einigen Motiven direkt auf Gentiles Gemälde Bezug, so etwa in der Gesamtanordnung der Pferde, verleiht dem Ereignis jedoch durch den Verzicht auf Gold und reiche Gewänder, auf großes Gefolge und Geschenke eine feierliche und ernste Stimmung. Hier scheint Leon Battista Albertis Mahnung vor dem materiellen Aufwand in der Malerei vorweg genommen zu sein: „Es gibt Maler, die in ihren Bildern viel Gold verwenden, weil sie meinen, das verleihe ihnen Erhabenheit. Ich kann das nicht wirklich rühmen. Im Gegenteil, selbst wenn ich Vergils Dido malen würde […] würde ich mich eher darum bemühen, mit Farben die Darstellung des Goldglanzes mit Farben als mit Gold darzustellen.“

Die Anbetung des Kindes durch die Königeaus dem Morgenland war ein Bildthema, das wie kaum ein anderes die wohlgefällige Verwendung des materiellen Reichtums visualisiert. Die Anzahl von Altartafeln dieser Thematik nahm im 15. Jahrhundert in den reichen Städten deutlich zu, und zwar dies- und jenseits der Alpen. Die ‚Konjunktur’ des Themas im 15. Jahrhundert ist sowohl ein Indikator für den zunehmenden bürgerlichen Wohlstand wie auch ein Symbol für die Bereitschaft zum kirchlichen Patronat. So wie die Könige dem Kind ihre Gaben darbringen, wird das kostbare Gemälde als Gabe der Kirche überantwortet. Es zeugt damit nicht nur vom Reichtum des Stifters, sondern auch von seiner Frömmigkeit, und schließlich dient es seiner memoria. Einer derberühmtesten Königszüge findet sich in der 1459 durch Benozzo Gozzoli vorgenommenen Ausmalung der Kapelle des Palazzo Medici.Blickt man von hier aus zurück, so werden die stilistischen Veränderungen deutlich, die sich seit den frühen 1420er Jahren vollzogen hatten. Einerseits hatten sich die Divergenzen zwischen den „Traditionalisten“ und der „Avantgarde“ ausgeglichen, andererseits waren inzwischen Maler wie Gozzoli, die nicht zu den als erstrangig angesehenen Vertretern ihrer Zunft gehörten, im neuen Vokabular gut genug geschult, um eine Verbindung von Konvention und Modernität zu gewährleisten. Ernst Gombrich hat darauf hingewiesen, dass Gentiles Altarbild eines der Vorbilder für diesen spektakulären Zug der Könige und ihres Gefolges war, in dem sich Bildnisse der Medici und ihrer Anhänger, aber auch des Malers befinden.

Er zog daraus den Schluss, dass sich dank der Stabilisierung der politischen Macht der Medici zunehmend Formen der feudalen und höfischen Repräsentation herausbildeten, während die einst nach außen hin gezeigte austeritas abgedankt hatte. So einleuchtend das klingt, muss jedoch berücksichtigt werden, dass sich diese Kapelle wie ein kostbarer Schrein im Innersten des Palastes befindet. Der auf den ersten Blick profan wirkende Charakter relativiert sich, wenn man sich das Ziel des auf den Wänden entfalteten Aufwandes klarmacht. Dieses Ziel ist der im Chorraum befindliche Altar mit Filippo Lippis Anbetung des Kindes durch Maria. Seitlich gerahmt von den jubilierenden Engelschören und vom Panorama des Zuges durch die scharfe Abgrenzung der Eckpilaster abgesetzt, naht der alte König mit seinem Gefolge. Der mit Geschenken beladene Zug schwenkt von hier in den Hintergrund ab, so dass zwischen dem Zug und dem Ziel ein zeitliche Zäsur und eine Wegstrecke liegen, die von der Darstellung nicht überbrückt werden. Die Zusammenführung der irdischen und der himmlischen Welt vollzog sich in den liturgischen Handlungen. Das Neuartige an der Ausmalung dieser Kapelle ist die Umdeutung des Zuges der Könige, der im 15. Jahrhundert zu einem eigenen Thema geworden war, zu einem theatrum sacrum,das sich unter Anteilnahme der hier Zugelassenen vollzieht. Die Voraussetzung für diese neuartige Inszenierung war die Vereinnahmung der Wandflächen durch großformatige Wandbilder, die – anders als in den Innenräumen Brunelleschis – die architektonische Struktur dominieren.

zu 2. Kunstrezeption im 15. Jahrhundert

Internationale Gotik

Die beste Charakterisierung des Begriffs findet sich in: The Dictionary of Art, Hg. von Jane Turner, Macmillan Publishers, vol. 13, 126-157: „The term has functioned both to describe an entire culture, including poetry , and an artistic style. Its cultural and aesthetic background was formulated by such historians as Huizinga, Focillon and Panofsky, who following Burckhardt, accepted the notion that later medieval culture in northern Europe, especially France and Burgundy, was one of selfconscious aestheticism, with a collective tendency to retrospection and, ultimately, morbidity. This was contrasted with the cultural optimism and individualism of the Renaissance in Italy.” (Paul Binski, “Gothic”, § 4: Painting, 155).

Zur Geschichte des Begriffs und zum italienischen Spektrum: Liana Castelfranchi Vegas, Internationale Gotik in Italien, Dresden 1966, 5-8.

 

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Wikipedia