Rezension

Editorial

Der diesjährige Kunsthistoriker-Tag ist soeben in Dresden erfolgreich zu Ende gegangen. Er thematisierte unter den Leitbegriffen Kunst lokal – Kunst global verschiedenste künstlerische Aspekte in einer Stadt, die selbst gerade unter der Spannung von lokal geprägter, stolzer Identität (aber auch Angst und Aggression) einerseits und globalen Herausforderungen wie Migration anderseits agiert und sich partiell neu definiert oder zu definieren hat. Kassel erlebt gerade im Vorfeld der 14. documenta eine ähnlich, jetzt aber immanent auf den Kunstbetrieb bezogene Spannung, wenn der Ort der erfolgreichsten und wichtigsten Ausstellung zur Gegenwartskunst (und nicht nur er) "von Athen lernen" soll. Überdies wird die Ausstellung diese Tage in der griechischen Hauptstadt (einem aktuellen Brennpunkt von Ökonomik und Migration) und dem Gründungsort der Demokratie eröffnet, bevor der "Hauptsitz" der Veranstaltung nachziehen darf. Diese regionale Lokalität wird ohnehin inzwischen in Frage gestellt, denn ist in Zeiten der Globalisierung die ehemalige "Frontstadt des Zonenrandgebiets" noch adäquater Austragungsort für ein hippes Ereignis auf der Landkarte des internationalen Kunst-Jetsets? Und bezogen auf die Gegenwart: kann man von Athen lernen, wenn der Besuch Athens vielen Besuchern in Kassel kaum möglich scheint? Will man von Athen lernen, wenn der Standort den eigenen relativiert, ja fraglich erscheinen lässt? Man wird sehen, ob diese eher populistischen Fragen die ernsthafte Erörterung und Standortbestimmung von Gegenwartskunst als Erkenntnismedium in der öffentlichen Wahrnehmung tangieren werden: Kunst lokal – Kunst global ist jedenfalls ein gut gewähltes Motto, nicht nur für Dresden.

Nach Dresden und vor Kassel jetzt aber nochmals Lesen: etwa über Neues zu Carl Einstein (der ja die globale Kunstgeschichte schon 1915 im formalistischen Blick hatte), über die Zukunft der Völkermuseen, postkoloniale Positionen (eine Problematik, die Okwui Enwezor ja bei der von ihm verantworteten documenta schon in den Blick nahm) oder 'touristische Bilderfabriken' (/-fabrikationen?) Also: auch unsere Ausgabe verschränkt globale und lokale Perspektiven miteinander. Ihnen viel Vergnügen und interessante Entdeckungen bei der Lektüre dieser Ausgabe von KUNSTFORM!

Hubertus Kohle Susanne Leeb Florian Leitner Olaf Peters Sigrid Ruby Ute Verstegen


zur Ausgabe KUNSTFORM 18 (2017), Nr. 3

Recommended Quotation:

Tania Meyer: Rezension von: Verena Rodatus: Postkoloniale Positionen?. Die Biennale DAK'ART im Kontext des internationalen Kunstbetriebs, Frankfurt a.M. [u.a.]: Peter Lang 2015
in: KUNSTFORM 18 (2017), Nr. 3,

Rezension von:

Tania Meyer
Universität Potsdam

Redaktionelle Betreuung:

Kerstin Schankweiler