Rezension

Eva-Maria Hanebutt-Benz / Isabella Fehle: (Hgg.) Die also genannte Schwarze Kunst in Kupfer zu arbeiten. Technik und Entwicklung des Mezzotintons, München / Berlin: Deutscher Kunstverlag 2009, 228 S., ISBN 978-3-422-06929-9, 39.90 EUR
Buchcover von Die also genannte Schwarze Kunst in Kupfer zu arbeiten
rezensiert von Christian Rümelin, Cabinet des estampes du Musée d'art et d'histoire, Genève

Verschiedene Ausstellungen und Publikationen haben sich in den vergangenen Jahren mit technischen Entwicklungen oder Eigenheiten beschäftigt. Die von Christiane Wiebel kuratierte Ausstellungen in Coburg zur Aquatinta (2007) oder die von Anne Röver-Kann organisierten Ausstellungen in Bremen zur Radierung (2008 und 2010) waren diesbezüglich nicht nur in ihrem Detailreichtum wegweisend, sondern auch methodologisch von herausragender Bedeutung. Es ist wohl kein Zufall, dass gerade Tiefdrucktechniken diese Beachtung erfuhren, ist doch generell ihre technische Bandbreite wesentlich größer und ihre Komplexität wesentlich ausgeprägter als beim Hochdruck. Obwohl dies auch auf die Aquatinta und die Radierung zutrifft, ist das Verständnis des Mezzotinto auch heute noch von zahlreichen Halbwahrheiten, Verunklärungen und Legenden geprägt. Gerade die bestehende, meist englischsprachige Literatur konzentrierte sich häufig auf die Entwicklung und Besonderheiten der englischen Schabkunst im 18. Jahrhundert. Oft bleibt aber dabei außer Acht, dass letztlich der Erfinder und die ersten Anwender alle namentlich bekannt sind, dass es von sozial hochstehenden oder adeligen Dilettanten entwickelt worden war und sich die Technik schnell in die noch heute gebräuchliche Herangehensweise entwickelte. Die vorliegende Publikation hat nicht nur den Anspruch, die genannte Frühzeit, sondern auch die technische Entwicklung detailliert zu untersuchen. Dem wird die Publikation alles in allem auch gerecht.

Die Geschichte der Schabkunst ist in ihren Anfängen stark mit der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Situation in Mainz verknüpft. Am Ende des Dreißigjährigen Krieges war das Kurbistum Mainz stark in Mitleidenschaft gezogen und die Residenzstadt selbst noch bis 1650 von französischen Truppen besetzt. Der Handel in Mainz war fast vollständig zum Erliegen gekommen, eine Neuordnung war notwendig. Johann Philipp von Schönborn, seit 1647 Fürstbischof und Kurfürst von Mainz und gleichzeitig auch Fürstbischof von Würzburg, war viel daran gelegen, die ökonomische Situation zu verbessern und er leitete nach dem Abzug der französischen Truppen zahlreiche Maßnahmen in die Wege, um sowohl die Befestigungsanlagen zu verbessern als auch das Staatswesen in einen frühmodernen Staat zu überführen. Als höchster Reichsfürst nahm er in den 1650er-Jahren eine wichtige Stellung ein, die in den Verhandlungen zur Kaiserwahl und der anschließenden Krönung einen weithin sichtbaren Höhepunkt fand. So erstaunt es kaum, dass sich in dem Frieden von Münster anschließenden Jahrzehnt zahlreiche Gelehrte, Dilettanten oder Adelige am Mainzer Hof aufhielten. Zwei Beiträge dieses Bandes behandeln diese Umbruchphase auch in ihrer politischen Bedeutung. Zum einen der Aufsatz von Wolfgang Dobras, der gerade auch auf die generelle Situation eingeht und wesentlich spezifischer auf die Druckgrafik abzielt, sowie der als sehr gute Einführung dienender Beitrag von Norbert Suhr. Er stellt nicht nur die verschiedenen Künstler vor, sondern zeigt auch in bemerkenswerter Weise deren Bandbreite, thematische Ausrichtung und Netzwerk untereinander auf. Er legt damit quasi die Basis für weitere Untersuchungen und Darstellungen in diesem Band. Letztlich ist eine der großen Fragen, wie Flächenwerte in der Druckgrafik und speziell im Tiefdruck erzeugt werden können. Bestrebungen im Farbholzschnitt seit dem frühen 16. Jahrhundert, aber auch ein zunehmendes Interesse an ausgeprägteren Hell-Dunkel-Werten seit dem späten 16. Jahrhundert im Tiefdruck führten schließlich dazu, dass weitere Techniken gesucht wurden, die direkter zum Ziel führen würden als eng übereinandergelegte, radierte Schraffurlagen oder mechanische Verfahren, wie der Punzierstich oder später im 18. Jahrhundert dann die verschiedenen Techniken zur Wiedergabe von Handzeichnungen und die Aquatinta.

Die Entwicklung der Schabkunst war letztlich dem Versuch geschuldet, ein Verfahren zu finden, das entsprechende Flächenwerte zuließ, gleichzeitig aber leicht genug anzuwenden und auch ohne professionelle Unterstützung oder Ausbildung anwendbar war. Der technischen Entwicklung, den verschiedenen Beiträgen unterschiedlicher Stecher und schließlich der Ausbildung der technischen Feinheiten ist der größte Teil der Publikation gewidmet. Zu Beginn, wie Berndt Schäfer und Martina Alt-Schäfer sehr detailliert in der Diskussion verschiedener früher Schabkunstblätter darlegen, war es, ähnlich wie andere Tiefdrucktechniken, ein additives Verfahren. Das bedeutet, die Platte wurde ebenfalls von Hell zu Dunkel gearbeitet und die entsprechenden Flächen im Laufe des Prozesses eingearbeitet. Relativ schnell allerdings ging die Entwicklung weiter, und das Mezzotinto wurde schließlich geändert, um dann zuerst die Platte aufzurauen und dann mit entsprechenden Schabeisen abzuglätten, um damit von den dunklen Stellen in Richtung der Lichter zu arbeiten. Zwar gehen die beiden Autoren detailliert auf die verschiedenen Schritte der Entwicklung ein und diskutieren auch die Vorgehensweise einzelner herausragender Beispiele, doch bleiben sie leider eine weitergehende kunsthistorische Einschätzung schuldig. Auch der jeweilige historische, sozialgeschichtliche oder politische Kontext bleibt leider etwas zu knapp. Letztlich ist die Darstellung sehr stark auf Mainz ausgerichtet, was zwar durchaus nachvollziehbar ist, doch wäre durch die verschiedenen Reisen der frühen Anwender und die relativ schnelle Verbreitung der Technik eine weitergehende Diskussion eigentlich notwendig gewesen. Aufgrund der leider häufigen inhaltlichen Wiederholungen wäre dies sogar ohne einen größeren Umfang möglich gewesen.

Zwei Abschlusskapitel von Frithjof Schwartz zum englischen Mezzotinto kontextualisieren den spezifischen Sammlungszusammenhang in Aschaffenburg. Aus dieser Perspektive ist der Exkurs mehr als legitimiert und birgt auch ein deutliches Interesse, gerade im Hinblick auf sammlungs- und rezeptionshistorische Fragestellungen, doch ist nicht sofort erkennbar, worin genau der Beitrag dieser Ausführungen liegt. Es ist unbestritten, dass das englische Mezzotinto des 18. Jahrhunderts einen Höhepunkt der technischen Entwicklung darstellt, doch bleibt der Zusammenhang zur Frühzeit dieser Technik, also dem Rest der Publikation, ziemlich unklar. Es ist zwar eine nahe liegende Anbindung, doch unbestritten der Höhepunkt der technischen Entwicklung ist ein solcher Ansatzpunkt in diesem Zusammenhang leider auch relativ konventionell.


Christian Rümelin

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in: KUNSTFORM 12 (2011), Nr. 6,

Rezension von:

Christian Rümelin
Cabinet des estampes du Musée d'art et d'histoire, Genève

Redaktionelle Betreuung:

Hubertus Kohle