Rezension

Katharina Herrmann: De Deo uno et trino. Bildprogramme barocker Dreifaltigkeitskirchen in Bayern und Österreich, Regensburg: Schnell & Steiner 2010, 456 S., ISBN 978-3-7954-2220-2, 89.00 EUR
Buchcover von De Deo uno et trino
rezensiert von Angelika Dreyer, Institut für Kunstgeschichte, Ludwig-Maximilians-Universität, München

Das Geheimnis der Dreifaltigkeit ist groß, so groß, dass für einen lebenden Menschen lediglich der Inhalt der Lehre erkennbar, hingegen nicht das Wesen der Trinität in seiner Gänze erfassbar ist, weshalb jeder Versuch einer vollständigen Darstellung davon scheitern muss.

Trotz der prinzipiellen Unergründlichkeit und Unerfassbarkeit der Trinität, vertrauten zahlreiche Stifter im österreichischen und süddeutschen Barock ihre Kirchen und Gedenksäulen diesem Patrozinium an. Deren komplexe Programme unterzieht Katharina Herrmann in ihrem 2010 erschienenen Buch "De Deo Uno et Trino" anhand ausgewählter Beispiele einer umfassenden ikonografischen Untersuchung.

Während die Zahl von Einzelstudien zum Barock nördlich der Alpen mit Künstler- und Baumonografien langsam, aber stetig steigt, werden übergreifende Fragestellungen seltener verfolgt. Eine Ausnahme hiervon ist z.B. Engelbergs substanzielle Arbeit zur "Renovatio Ecclesiae". [1] Eine kunsthistorische Studie zu einem Thema christlicher Ikonografie legte Hecht mit seinem 2003 erschienenen Buch zur Glorie vor. [2] Anders als Hecht grenzte Herrmann den zeitlichen und geografischen Radius ihres Themas ein und erfasst damit die Dichte der groß angelegten barocken Kirchenausstattungen.

Herrmann akkumuliert nicht einzelne Kunstwerke, sondern untersucht fünf Ausstattungsprogramme in ihrer Komplexität. Die auswahlbedingte Reduktion kompensiert Herrmann durch größtmögliche Vielfalt der einzelnen Dreifaltigkeitskirchen: Sie reichen von der Kirche des Priesterseminars in Salzburg, über die Votivkirche für den Orden der Karmeliterinnen in München bis hin zu den Wallfahrtskirchen Stadl Paura in Oberösterreich, Sonntagberg in Niederösterreich und den nicht ausgeführten Programmentwürfen zu Gößweinstein in Franken.

Einleitend gibt Hermann eine Einweisung in die Trinitätslehre, wobei sich ihre Gliederung entlang der zentralen Eigenschaften und Begriffe der Dreifaltigkeit und deren dogmatische Auslegungen für den Leser als sehr hilfreich erweist. Beeindruckend daran ist, wie sie diese anschließend in ihren ikongrafischen Interpretationen zu den einzelnen Programmen erneut auffächert. Zugleich zeigt sich hierin exemplarisch ihre exegetische Herangehensweise: "Aussagen über die Dreifaltigkeit als theologisches Konzept und Glaubensgeheimnis können nur mit Hilfe der Exegese biblischer Texte getroffen werden" (18) konstatiert Herrmann und begründet damit, warum für sie "zur Deutung der Bilder und Programme in den Dreifaltigkeitskirchen weniger Bildvergleiche als vielmehr auslegende theologische Texte heranzuziehen" seien (19).

Im folgenden Kapitel steht die Verankerung der Trinitätsverehrung in der Frömmigkeitspraxis anhand von Dreifaltigkeitsoffizien, Trinitarierorden, Dreifaltigkeitsbruderschaften und Wallfahrten zur Allerheiligsten Dreifaltigkeit im Vordergrund, wobei Dreifaltigkeitskirchen auch in ihrer Gesamtheit niemals eigenständig zu betrachten, sondern als ein Bestandteil der örtlichen Hinwendung zur Dreifaltigkeit zu verstehen sind.

Die Auslegung der Programme erfolgt nun mit der einer Dissertation geschuldeten Gründlichkeit. Schon zu Beginn ihrer Ausführungen legt sie fest: "Neben der Benennung der Heiligen im Heiligenhimmel [...] und der Zuordnung zu einer Heiligengruppe ist es für die Deutung des gesamten Bildes unabdingbar, die Auswahl möglichst jedes Heiligen zu begründen." (91) Auch wenn hier die Geduld des Lesers an manchen Stellen durchaus beansprucht wird, erweist sich diese Vorgehensweise nicht nur als überaus verdienstvoll, sondern belohnt den Leser in dieser präzisen Darlegung mit einer Ergänzung bisheriger Deutungen einiger Kirchenprogramme.

Dies zeigt sich besonders bei ihren "erschöpfenden Untersuchungen" (105) zur Dreifaltigkeitskirche in Salzburg, wo es Hermann gelingt, durch die inhaltliche Zusammenschau von bisher isoliert gedeuteten Bestandteilen einen neuen thematischen Schwerpunkt zu gewinnen. So verschiebt sich der Akzent der Kirchenstiftung in der Gesamtbetrachtung aus Hochaltar, figürlicher Fassadengestaltung, erzbischöflicher Stiftung der Dreifaltigkeitsbruderschaft und dem Grabmal für das Herz des Auftraggebers samt dazugehörender Inschrift am Boden hin zu einer sepulkralen Gedenkstätte des Fürsterzbischofs Johann Ernst von Thun. Schließlich habe dieser, ganz wie es das theologische Geheimnis vom Gläubigen fordert, sein Herz zu Lebzeiten nicht nur, wie die Gottesmutter, jungfräulich rein gehalten, sondern ganz der Verehrung der Trinität gewidmet.

Der thematisch-ikongrafische Zugewinn zeigt sich ebenfalls in den Ausführungen zur Dreifaltigkeitskirche in München. Besonderes Merkmal der zwischen 1711-1718 entstandenen und ausgestatteten Votivkirche für den Orden der Karmeliterinnen ist ihre überaus komplexe und reich mit Emblemen ausgestattete Trinitätsikonografie, die u.a. im Corpus der barocken Deckenmalerei eingehend untersucht wurde. [3] Basierend auf diesen Erkenntnissen seziert Herrmann insbesondere die Embleme, wobei die von barocken Zeitgenossen als Standardwerk häufig herangezogenen Bände zur Bibelexegese aus der Hand des Jesuiten Cornelius a Lapide (1567-1637) hierzu ihr bevorzugtes Werkzeug darstellen. Während bisherige Interpretationen auf bildmotivische Vergleichbarkeit mit anderen Emblemen beruhten, überprüft Herrmann jedes Motiv detailliert auf seine theologische Zeichensprache. Dabei gelingt es ihr oft, wesentliche Eigenschaften der Trinität, wie beispielsweise das Gegensatzpaar der Appropriation und Perichorese, die spezifischen Eigenschaften von Vater, Sohn und Heiligem Geist und ihr gleichzeitiges ganz ineinander eingehen, präzise aufzuzeigen und damit eine völlig neue theologische Sinnschicht hinzuzufügen.

Herrmanns Methode der messerscharfen ikonografischen Analyse ist durchaus auch anderen Ansätzen in der Barockforschung dienlich. Dies zeigt sich u.a. daran, dass auch weitere zeittypische Phänomene wie beispielsweise die Verschiebung von komplexen Gesamtkonzepten hin zu sich auf wesentliche Glaubensinhalte konzentrierende Programme um die Jahrhundertmitte, gut ablesbar sind.

Die oftmals sehr eigenständig und symbolisch gestaltete Architektur vieler barocker Dreifaltigkeitskirchen und Dreifaltigkeitssäulen thematisiert Herrmann in einem abschließenden Kapitel. Dass die Architektur im Rahmen ihrer eher bildprogrammatisch ausgerichteten Ausführungen nur einen untergeordneten Platz einnehmen kann, ist ein kleiner Wermutstropfen.

Insgesamt zeigt die Arbeit von Herrmann deutlich, wie notwendig es ist, barocke Kirchenausstattungen immer in ihrer Gesamtheit zu betrachten, obgleich dies bis heute eher die wissenschaftliche Ausnahme als die Regel bildet. Ihr streng exegetisches Vorgehen wird insbesondere der Trinitätsverehrung überaus gerecht, zumal die barocken Ausstattungskonzepte häufig nicht Künstler, sondern Theologen erstellten. Gerade aber auch durch die Berücksichtigung der örtlichen Stiftungen konnte Herrmann wertvolle neue Erkenntnisse gewinnen und ein umfassendes Panorama der Trinitätsverehrung im Barock aufzeigen.


Anmerkungen:

[1] Meinrad von Engelberg: Renovatio Ecclesiae. Die "Barockisierung" mittelalterlicher Kirchen (= Studien zur internationalen Architektur und Kunstgeschichte; Bd. 23), Petersberg 2005 (Diss. Augsburg 2001).

[2] Christian Hecht: Die Glorie. Begriff, Thema, Bildelement in der europäischen Sakralkunst vom Mittelalter bis zum Ausgang des Barock, Regensburg 2003 (Habil. Erlangen Nürnberg 2002).

[3] Hermann Bauer / Bernhard Rupprecht (Hgg.): Corpus der barocken Deckenmalerei in Deutschland. Bd. 3.1. München Sakralbauten, München 1987.


Angelika Dreyer

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Angelika Dreyer
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Redaktionelle Betreuung:

Hubertus Kohle