Rezension

Christian Ottersbach: Befestigte Schlossbauten im Deutschen Bund. Landesherrliche Repräsentation, adeliges Selbstverständnis und die Angst der Monarchen vor der Revolution 1815-1866, Petersberg: Michael Imhof Verlag 2007, 288 S., ISBN 978-3-86568-066-2, 49.95 EUR
Buchcover von Befestigte Schlossbauten im Deutschen Bund
rezensiert von Guido von Büren, Museum Zitadelle Jülich

In gewohnt gediegener Form legt der Michael Imhof Verlag mit der an der Universität Marburg entstandenen Dissertation von Christian Ottersbach eine bemerkenswerte Forschungsarbeit vor. Der Titel "Befestigte Schlossbauten" erinnert nicht von ungefähr an die Habilitationsschrift des Doktorvaters von Ottersbach. [1] Bezog sich diese auf das Alte Reich, beschäftigt sich Ottersbach nun mit dem 19. Jahrhundert, genauer mit der Zeit des Deutschen Bundes. Damit erschließt er einen erfrischend neuen Zugang zum Schlossbau in der Epoche von Reaktion und Revolution. Diesem hat sich die kunsthistorische Forschung mit unterschiedlichen Fragestellungen genähert - nicht aber unter den funktionalen Aspekten der Verteidigungsfähigkeit. Die Burg bzw. das Schloss im 19. Jahrhundert wurde eher als vom "Geist der Romantik" beseelt angesehen. [2]

Die Präliminarien der Arbeit sind knapp gefasst: Die Einleitung skizziert die Fragestellung und den Gang der Untersuchung. Ausgangspunkt war für Ottersbach Schloss Lichtenstein bei Reutlingen, der "Inbegriff einer mittelalterlichen Ritterburg, und doch in seinen überwiegenden Teilen eine Neuschöpfung der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts" (13). Es folgen hilfreiche Anmerkungen zur Terminologie von Burg, Schloss und Palast mit dem Resümee: "Das Folgende wird zeigen, dass die hier behandelten Objekte alle unter die Kategorie Schloss im Sinne eines befestigten, gesicherten Wohnsitzes fallen und der Definition des 19. Jahrhunderts entsprechend unter die Forts, Zitadellen und kleinen Festungen gerechnet werden können." (19). Von großer Wichtigkeit für das Verständnis der historischen Zusammenhänge sind die Begriffe "Befestigungsrecht und Befestigungshoheit". Im Alten Reich standen diese nur den Fürsten und den Reichsstädten zu. Das änderte sich grundsätzlich auch im 19. Jahrhundert nicht, als "allein der Staatsgewalt, und im Fall des Deutschen Bundes sind dies überwiegend die Monarchen der Einzelstaaten, das Befestigungsrecht zukam" (21). Den Auftakt der Arbeit beschließt eine kurze historische Darstellung der wichtigsten Entwicklungslinien der Epoche zwischen 1789 und 1866.

Ein Herzstück der Schrift bildet die Vorstellung "Ausgewählte[r] Bauten aus den Staaten des Deutschen Bundes". Den Anfang macht das Residenzschloss zu Schwerin im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin, dessen Baubeginn kurz vor Ausbruch der Revolution von 1848/49 liegt. Bauherr war Großherzog Friedrich Franz II. Heute ist das Schloss Sitz des Landtags von Mecklenburg-Vorpommern und gilt als eines der herausragenden Beispiele der Neorenaissance. Ausführlich legt Ottersbach die Planungs- und Baugeschichte anhand des reichen Archivmaterials dar. Kurz nach dem Ende der Revolution beauftragte der Großherzog den Ingenieurhauptmann Schmitt mit einem Gutachten über die Verteidigungsfähigkeit seines Residenzschlosses. Dieser schlug die Anlage von Bastionen vor, die den unmittelbaren Schutz der Anlage ermöglichen sollten. In der Folgezeit wurden diese tatsächlich angelegt und armiert. Noch heute sind die Bastionen erhalten. Dem Großherzog und seinem Ingenieur stand dabei weniger die Verteidigung des Schlosses gegen ein großes Heer, als gegen aufgebrachte Untertanen vor Augen, die ja schon einmal ihrem Unmut freien Lauf gelassen hatten.

Für das Königreich Hannover stellt Ottersbach die Marienburg bei Nordstemmen vor. König Georg V. hatte 1857 mit den Planungen, zu denen ein Artillerieoffizier und ein Militäringenieur herangezogen wurden, beginnen lassen. Bis zur Vertreibung des Königs im deutsch-deutschen Krieg 1866 war die im mittelalterlichen Stil gebaute Burg noch nicht fertiggestellt und blieb letztlich auch unvollendet. Der Einfluss der Militärfachleute zeigt sich in der Anlage von Bastionen und Rondellen, mit denen die Zufahrten verteidigt werden sollten.

Mit den Bauaktivitäten der Könige von Preußen im 19. Jahrhundert verbindet man u. a. den Ausbau der Rheinburgen Rheinstein, Stolzenfels und Sooneck. Nach den bisherigen beiden Beispielen verwundert es weiter nicht, auch hier Elemente realer wie symbolischer Wehrhaftigkeit zu finden. In seiner Analyse kann Ottersbach einerseits Bezüge zum preußischen Festungsbau der Zeit herausarbeiten und andererseits plausibel machen, dass die Burgen als reale Verteidigungsanlagen gegen Frankreich angesehen wurden, wenngleich explizite Quellenbelege hier leider fehlen. Ein herausragendes Beispiel für das Thema der Arbeit ist die Stammburg Hohenzollern im Vorland der Schwäbischen Alb. Aufbauend auf den Festungswerken des späten 17. Jahrhunderts präsentiert sich die Anlage noch heute als beeindruckendes festes Schloss.

Zurecht breiten Raum nimmt die Darstellung von Schloss Lichtenstein im Königreich Württemberg ein. Bauherr war Graf Wilhelm von Württemberg, der sich den Traum einer "Ritterburg" erfüllte, diese aber - an der nicht durch natürliche Geländebegebenheiten geschützten Südseite - aufwändig fortifizieren ließ. Bemerkenswert sind seine zahlreichen eigenhändigen Skizzen, die zeigen, dass das Kriegshandwerk auch noch im 19. Jahrhundert ein herausragender Bestandteil adeliger Bildung und adeligen Selbstverständnisses war. Die Befestigung des Schlossareals begründete der Graf u. a. damit, dass er um seine reiche Kunstsammlung fürchtete.

Das Königreich Bayern nimmt eine Sonderstellung ein, die zeigt, dass die Fürsten durchaus unterschiedlich auf die Bedrohung ihrer Souveränität reagierten. Feste Schlösser entstanden hier nämlich nicht. König Maximilian II. ließ zwar Planungen für die Sicherung der Residenzstadt München gegen Revolutionäre ausarbeiten. Vor der Realisierung schreckte er jedoch wiederholt zurück, da er entsprechende Reaktionen der Bevölkerung gegen die abweisenden Bauten fürchtete. Er wollte lieber, eingedenk des Schicksals seines Vaters in der Revolution 1848/49, als "Bürgerkönig" in Erscheinung treten.

Der zweite Hauptteil des Buches widmet sich dem - selbstverständlich nicht auf den Raum des Deutschen Bundes beschränkten - Kontext, in den sich die beschriebenen Bauten einordnen lassen. Ottersbach referiert die wichtigsten Positionen in den zeitgenössischen Schriften zur Zivil- und Kriegsbaukunst zwischen 1780 und 1870. Der theoretische Diskurs stand in einer langen Tradition, die - bezogen auf das Bastionärsystem - sich bis in das frühe 16. Jahrhundert zurückverfolgen lässt. Ein zweites Kapitel stellt historische Zitadellen und Bergfestungen vor, die noch im 19. Jahrhundert militärisch genutzt wurden, wie z. B. die Zitadellen von Dömitz und Spandau sowie die Festung Königstein. Die im 19. Jahrhundert aktuell diskutierten Befestigungsarten (Manieren) und ihre Verwendung bei den befestigten Schlossbauten werden ebenso thematisiert, wie der entsprechende Ausbau alter Schlossanlagen (hier am Beispiel von Schloss Hartenfels in Torgau und der Marienburg). Die Interpretation der "feste[n] Schlösser als Topos adelig-höfischer Kultur im späten 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts" bildet ein weiteres Kapitel. Hier werden grundlegende Elemente adeligen Selbstverständnisses herausgearbeitet, die den Epochenumbruch der Zeit um 1800 unverändert überdauerten.

Das Schlusskapitel fasst unter der Überschrift "Befestigung als Folge von Revolutionsangst" auf zwei Seiten pointiert die Grundthese des Buches zusammen: die Angst vor der Revolution als Movens für den Bau und die Unterhaltung befestigter Schlossbauten durch die Fürsten des Deutschen Bundes.

Die Qualität der Reproduktionen, vor allem des historischen Planmaterials, ist vorzüglich. Hervorzuheben ist das Register, welches das reichhaltige Material der Arbeit erschließen hilft. Bedauerlich ist aus Sicht des Rezensenten allein die "Verbannung" des umfangreichen Anmerkungsapparates in den Anhang. Christian Ottersbach hat ein stringent aufgebautes Buch vorgelegt, das die Forschung sicherlich befruchten wird. Dem Verfasser ist ein beeindruckendes Plädoyer für eine historisch angemessene und fundierte Analyse von Kunstwerken - hier Schlössern des 19. Jahrhunderts - gelungen. Darüber hinaus trägt die Arbeit hoffentlich mit dazu bei, dass die Erforschung des neuzeitlichen Festungsbaus im universitären Bereich weiter Wurzeln schlägt. In diesem Sinne ist auch zu begrüßen, dass die Deutsche Gesellschaft für Festungsforschung e.V. die Drucklegung und damit das zügige Erscheinen förderte.


Anmerkungen:

[1] Ulrich Schütte: Das Schloss als Wehranlage. Befestigte Schlossbauten der Frühen Neuzeit, Darmstadt 1994.

[2] Vgl. z. B. "Gebaute Träume am Mittelrhein. Der Geist der Romantik in der Architektur." Ausst.Kat. Koblenz, Regensburg 2002.


Guido von Büren

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Rezension von:

Guido von Büren
Museum Zitadelle Jülich

Redaktionelle Betreuung:

Stefanie Lieb