Oliver Kase

Oliver KASE
»Art has its boundaries, though imagination has none«. Kennerschaftsurteil, Liebhaber-Erlebnis und Kunstdidaktik in der Bildbeschreibung des 18. Jahrhunderts

Dissertation, abgeschlossen im April 2007
Heidelberg, Ruprecht-Karls-Universität
Publikation ist 2010 unter verändertem Titel erfolgt.

Die Dissertation bietet erstmals einen Überblick über die Bildbeschreibungsproduktion des 18. Jahrhunderts, vorwiegend in Deutschland und Frankreich. Nach den gut erforschten Anfängen der analytischen Kunstbeschreibung im 16. und 17. Jahrhundert beschränkten sich die Arbeiten zum 18. Jahrhundert bislang auf literaturwissenschaftliche Fallstudien, die wenigen herausragenden (Kunst-)Schriftstellern gewidmet waren. Die historische Entwicklung der Bildbeschreibung und allgemeine Leistungen und Probleme der Texte rückten dabei kaum in den Blick.
Dies ist besonders bedauerlich, weil Bildbeschreibungen nicht nur einzigartige historische Dokumente zur Rezeptionsästhetik bilden, sondern sich seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erstmals zu einem Massenphänomen entwickeln, das insbesondere von der breiten Gruppe der Kunstliebhaber und -dilettanten in zahlreichen Journalen erprobt wird. Eine kunsthistorisch angelegte Untersuchung zur Bildbeschreibung kann deshalb einen wichtigen Beitrag leisten zur Erforschung der Umwälzungen des Kunstdiskurses im 18. Jahrhundert, einer gattungsorientierten Aufarbeitung der Kunstliteratur und der allgemeinen Erschließung des Laiendiskurses. Im Rahmen eines umfangreichen Quellenstudiums der Kunstliteratur wurde eine repräsentative Auswahl-Anthologie erstellt, die ca. 100 französische, deutsche und englische Bildbeschreibungen versammelt.
Im 18. Jahrhundert tritt neben die wichtige traditionelle Funktion der Beschreibung als verbaler Anschauungsersatz die psychologisierende Einfühlung der Liebhaber als Verfahren einer empfindsamen Selbsterfahrung am Kunstwerk. Diese affektive Rezeption, die formale Aspekte der Bilder verdrängt, läßt sich als »Bildeintritt« auf rhetorische Kategorie der »enargeia« zurückführen. Die Künstler und Kenner, die selbst erstaunlich selten beschreiben, reagieren auf diese Erlebnis-Rezeption mit Befremden und provozieren erstmals die Frage nach dem Anteil der Subjektivität in der Kunstbetrachtung.
Im Rahmen der Arbeit sind neben den häufig anonymen Texten auch eine Reihe kaum bekannter oder verkannter Kunstpädagogen und Kunstschriftsteller des 18. Jahrhunderts vorzustellen, die die Beschreibung bereits als didaktisches Instrument anschaulich-verbalen Zeigens am Bild (Deixis) erkennen und erproben und damit die Wegbereiter eines kunstwissenschaftlichen Ansatzes bilden. Diese Verfahren dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, daß die rhetorisch-idealistische Fundierung der Kunsttheorie im 18. Jahrhundert an einem normativen »Rubrikenschema« der Beschreibung festhält, das die Verbalisierung einer anschaulichen Bildeinheit noch nicht zuläßt.

ISBN 978-3-86568-489-9

Kontakt:
o.kase AT gmx.de