Die Residenz des Bernardo Cles in Trient

Eine der Residenzen, die unter dem direkten Eindruck der Mantuaner Hofkunst unter Federico Gonzaga gestaltet und ausgestattet wurden, ist die Residenz des Fürstbischofs von Trient, Bernardo Cles (1485–1539). Nach seiner durch Kaiser Maximilians I. Protektion ermöglichten Wahl zum Bischof von Trient (1515) unterstützte er die Wahl Karls V. in Frankfurt, und wurde 1526 von dessen Bruder Ferdinand I. zum Kanzler des Deutschen Reiches ernannt. 1530 erfolgte die Ernennung zum Kardinal, 1534 war er sogar unter den engeren Anwärtern auf den Stuhl Petri, hatte aber durch seine eindeutige Zugehörigkeit zur kaiserlichen Partei wenig Chancen. Nach 1528 fügte er dem mittelalterlichen Kastell in Trient, in dem die Bischöfe residierten, die zugleich die temporale Herrschaft über das Herzogtum Tirol ausübten, einen Neubau hinzu, dem er selbst den Namen „Magno palazzo“ gab und dessen 1536 abgeschlossene und gut dokumentierte Bau- und Ausstattungsgeschichte das intensive Interesse des Bauherrn an seiner Schöpfung belegt. 1536, als Kaiser Ferdinand I. und seine Gemahlin Trient besuchten, präsentierte sich die Residenz in einer Weise, die dem Mantuaner Vorbild kaum nachstand. Dass der Palazzo del Te sein Vorbild war, erklärt sich, wenn man weiß, dass Cles zu Gefolge Kaiser Karls V.bei dessen Krönung in Bologna und beim anschließenden Besuch in Mantua im Jahr 1530 gehört hatte. Für die malerische und dekorative Ausstattung seiner Residenz hatte Cles die Ferraresen Dosso und Battista Dossi gewonnen, die sich 1531 mit Erlaubnis Alfonso d’Este’s nach Trient begaben. Aus den Rechnungen ergibt sich, dass die Brüder neunzehn Räume ausmalten, von denen ein beträchtlicher Teil erhalten ist. Im gleichen Jahr, als Dosso in Trient arbeitete, bot auch der Brescianer Maler Gerolamo Romanino dem kunstsinnigen Bischof seine Dienste an. Ihm gab er die Ausmalung der Loggia sowie weiterer Räumlichkeiten in Auftrag, an deren Qualität und Vollendung ihm besonders gelegen war. Bereits im Sommer 1532 war ein großer Teil der malerischen Ausstattung des Magno palazzo vollendet. Romaninos Loggia, deren Darstellungen dem Bischof allzu freizügig waren, gilt heute als sein Hauptwerk im Medium der Wandmalerei. Trotz seiner Herkunft aus Brescia wird Romanino zum venezianischen Kunstkreis gerechnet. Vermutlich vollzog sich seine Ausbildung im Umkreis von Giorgione und Tizian. Außerdem verweist sein Oeuvre auf Kontakte zu Lorenzo Lotto und zu Pordenone. Auch er gilt als ein Vertreter der oberitalienischen antiklassischen Silrichtung (corrente anticlassica), die von der neueren Kunstkritik gern als Ausdruck der ideologischen Unabhängigkeit von der normierenden römischen Kunst verstanden wird. Die Loggia des Magno Palazzoist ein gutes Beispiel dafür, dass er einen Mittelweg zwischen dem venezianischen und dem römischen Stil suchte.

 

zu 9. Die oberitalienischen Anfänge des Nachtbildes