Die Villen des Veneto und der Humanismus

Auch im Veneto und meistens an Wasserwegen entstanden schon während des 15. Jahrhunderts Landhäuser mit Loggien und weitläufigen Portiken, die landwirtschaftlichen Zwecken dienten und die dem Typus der villa-castello folgten. Besonders prominent war der barco der Königin von Cypern Caterina Cornaro in Altivole bei Treviso, von dem nur noch eine Erdgeschossloggiaerhalten ist. Sie war Teil der inneren Einfassungsmauer des riesigen Anwesens, das wegen seiner Umfriedung als barco (Park) bezeichnet wurde. Der venezianische Dichter und Kleriker Pietro Bembo (1470–1547) hat diesem Ort in seiner Dichtung „Gli Asolani“ ein literarisches Denkmal gesetzt.

Neben den Niederungen in küstennahen Gebieten, wo die Villen zur Urbarmachung des Landes beitrugen, waren die Euganeischen Hügel südlich von Padua ein wichtiges Zentrum der frühen Villenkultur des Veneto. In Arqua hatte sich Francesco Petrarca um 1360 ein kleines Landhaus errichtet, das er als Ort seines Seelenfriedens preist, an dem er sich seinen Studien, aber auch dem Landbau und der Botanik widmet. Als Sinnbild der Harmonie von vita activa und vita contemplativa wurde die bescheidene Villa Petrarcas zum Ausgangsort des von den antiken Autoren inspirierten Ideals, das die Villenkultur des Veneto nachhaltig geprägt hat. Wie in kaum einer anderen Region Italiens waren es hier vor allem die aus wohlhabenden Patrizierfamilien stammenden Humanisten, die zu den intellektuellen und aktiven Wegbereitern der Villenarchitektur wurden, und die sich auch ethischen Grundsätzen verpflichtet sahen. Eines der frühesten monumentalen Beispiele dafür ist die Villa dei Vescovi bei Luvigliano di Torreglia, ein Anwesen der Bischöfe von Padua. Auf den podiumsartigen Substruktionen des 15. Jahrhunderts wurde zwischen 1529 und 1543 ein imposanter Neubau mit großer Freitreppe und allseits offenen Loggien errichtet. Die Blockhaftigkeit des Baukörpers und der Kontrast zwischen dem rustizierten Sockelgeschoss und den durch eine gleichförmige toskanische Pilastergliederung akzentuierten Arkaturen der Loggien fanden im Veneto keine Nachfolge. Das antike Vorbild für diesen Bautypus war das studio in der vermeintlichen Villa des Marcus Terentius Varro bei Cassino, das Giuliano da Sangallo als Kubus rekonstruiert hatte. Als entwerfender Architekt der Villa dei Vescovi, die an Giuliano da Sangallos Villa in Poggio a Caiano >L.IV.4 erinnert, gilt Giovanni Maria Falconetto aus Verona, der nach Vasari 21 Jahre lang für Alvise Cornaro (1484–1566) tätig war. Nach seinem Tod (1535) kam es zu einigen Veränderungen an der Villa, für die Giulio Romano verantwortlich war.

Falconettos wichtigster Bau war die Loggia Cornaro, die er ab 1524 in der Nähe der Basilika des Santo am Stadtrand von Padua errichtete. Dieses prospektartige Gebäude klassischen Stils, bestehend aus einer fünfachsigen Erdgeschossloggia und einem Obergeschoss mit Ädikulafenstern, diente als Schauplatz volkstümlicher Theateraufführungen und gelehrter Konversationen und entsprach damit den Idealen, denen Cornaro sich verpflichtet sah. In seiner Schrift „Discorsi intorno alla vita sobria“ huldigt er der von den klassischen Autoren übernommenen Vorstellung einer harmonischen Mischung von aktivem Handeln (negotium) und musischem Zeitvertreib (otium). Cornaros Bedeutung als geistiger Anreger der venezianischen Villenkultur zeigt sich auch an seinen ethischen Grundsätzen. Im Landleben und in der Landwirtschaft sieht er das Ideal der Gemeinschaft verwirklicht, in dem sich die gesellschaftlichen Unterschiede aufheben und ausgleichen. Architektonisch ist die Loggia Cornaro römischen Vorbildern verpflichtet, für den Aufriss ist vor allem den Einfluss von Peruzzis Villa Chigi bestimmend gewesen, die Cornaro dank seiner Romreise aus eigener Anschauung kannte.

 

zu 9. Palladios Villen