Albrecht von Brandenburg und die Reformation

Am 31. Oktober 1517 hatte der in Wittenberg lehrende Augustinermönch und Professor für Bibelgeschichte Dr. Martin Luther 95 Thesen „Über die Kraft der Ablässe“ veröffentlicht. Sie richten sich vor allem gegen die Ablasspredigten, die der Eintreibung der so genannten Konfirmationsgelder dienten, mit denen die von Predigern – berüchtigt war vor allem der Leipziger Dominikaner Johann Tetzel – gewährten Ablässe (Indulgentien) bezahlt wurden. Vorausgegangen war eine Vereinbarung, die der im Juli 1517 von Leo X. zum Kardinal kreierte Kurfürst von Mainz Albrecht von Brandenburg mit der Kurie ausgehandelt hatte. Albrecht von Brandenburg, der als Mäzen eine der herausragenden Figuren der deutschen Renaissance war, kommt eine wesentliche Verantwortung für den Ausbruch der Reformation in Deutschland zu. Als er 1514 Erzbischof und Kurfürst von Mainz wurde, und damit ex officio Erzkanzler des Reiches und Primas der Kirche in Deutschland, wurden für diese Ämter Abgaben nach Rom in Höhe von 30.000 Gulden fällig. Er erhielt vom Bankhaus Fugger, das die Zahlungen nach Rom abwickelte, einen Kredit von 29.000 rheinischen Gulden. Zur Bezahlung seiner Schulden bot ihm die Kurie 1515 den Vertrieb eines Plenar-Ablasses an, der zugunsten des Neubaus der Peterskirche ging. Für acht Jahre sollte die eine Hälfte der Einkünfte in die Kassen des Kurfürsten, die andere nach Rom fließen. Schon 1506 hatte Julius II. einen sogenannten Jubelablass eingerichtet, der zur Finanzierung des Neubaus von St. Peter dienen sollte. Er war 1513 von Leo X. erneuert worden, traf aber bei den deutschen Reichsfürsten auf Widerstand, was auch damit zusammenhing, dass Rom zwar Gelder schluckte, die immer wieder eingeforderten und angekündigten Reformen der Kirche aber ausblieben. Luther, der 1510 selbst in Rom gewesen war und sich die Sehenswürdigkeiten der Stadt angesehen hatte, während er im Augustinerkonvent von S. Maria del Popolo logierte, schickte 1518 eine lateinische Erläuterung seiner Thesen nach Rom, die zur Erhebung der Anklage gegen ihn führte, und schließlich am 3. Januar 1521 zur Verhängung des Banns seitens des Papstes und zur Reichsacht durch Karl V.

Zu diesem Zeitpunkt war jedoch bereits klar, wie viele Anhänger Luther in Deutschland hatte und dass der ins Rollen gebrachte Stein nicht mehr aufzuhalten war. Nach dem Urteil Ludwig von Pastors waren Julius II. und Leo X. nicht an inneren Reformen der Kirche interessiert und erkannten den Ernst der Lage nicht. Das von Julius II. 1512 einberufene Fünfte Laterankonzil wurde zwar 1517 mit einigen wichtigen Beschlüssen zu Ende geführt, aber das eigentliche Problem, d.h. der schon von Savonarola >L.II.6 geschürte Widerstand gegen den Autoritätsanspruch einer Kirche, die sich gegen jede Veränderung sperrte und die ihre Einkünfte nicht für geistliche Aufgaben, sondern für profane Machtausübung und prunkvolle Selbstdarstellung verwendete, wurde damit nicht beseitigt. Auch ein auf den Kompromiss bedachter Mann wie Erasmus von Rotterdam sah die Situation kaum anders als Luther: „Mit Personen zu streiten hilft nichts, solange man nicht die Tyrannei des römischen Stuhls und seiner Satelliten, der Dominikaner, Franziskaner und Karmeliter, aufheben kann. Doch dies könnte niemand ohne ernsthaften Tumult versuchen.“ Unter diesem Aspekt sind die Reformation in Deutschland und die Renaissance in Italien in einem sehr direkten Sinne eng miteinander verkettet.

zu 8. Hadrian VI., Clemens VII. und der „Sacco di Roma"