Die Florentiner Werkstätten und ihr Repertoire

Neben dem von Baxandall eingeschlagenen Weg zur Erkundung der Realität, in der die Kunstwerke entstanden und für die sie geschaffen wurden, sind es die in den vergangenen Jahrzehnten intensiv aufgearbeiteten Archivalien, die grundlegende Erkenntnisse über die Strukturen und die Mechanismen des Florentiner Kunstbetriebes ermöglichen. So wissen wir heute viel über das wirtschaftliche Gebaren der Künstler, von denen einige wie die Werkstatt von Benedetto und Giuliano da Maiano oder auch die der Brüder Antonio und Bernardo Rossellino, vor allem aber die Familie della Robbia, als effiziente „Unternehmer“ über einen langen Zeitraum hinweg auch im näheren und ferneren Umland von Florenz tätig waren. Sie waren dazu in der Lage, „kompakte Lösungen“ anzubieten, indem sie eine ganze Kapelle – vom Altarretabel bis zum Grabmal – mit dem erforderlichen Zubehör ausstatteten. Dieser Art von bewährter Kooperation, die auch mehrere Generationen übergreifen konnte, verdanken sich einige Ensembles, die an Erlesenheit, ästhetischer Geschlossenheit und geschmacklicher Verfeinerung kaum zu übertreffen sind, wie etwa die von Antonio und Bernardo Rossellino zwischen 1461 und 1466 errichtete Grabkapelle des Kardinals von Portugal in S. Miniato al Monte, die einer der schönsten und prächtigsten Innenräume der Florentiner Frührenaissance ist. Die ca. zehn Jahre später entstandene Ausstattung der Kapelle der hl. Fina in San Gimignano folgt weitgehend diesem Vorbild.

Neben den führenden Werkstätten der Stadt gab es viele Künstler und Werkstätten, die vor allem die Bedürfnisse der Bürgerschaft erfüllten und deren Werke sich kaum mehr identifizieren lassen. Zu ihren Tätigkeitsfeldern gehörten künstlerisch gestaltete Gegenstände, die ihren festen Platz im Leben der einzelnen Familien hatten und die oft Träger von profanen Szenen und Ereignissen waren. Drei besonders erfolgreiche Typen aus diesem Repertoire sollen besprochen werden, nämlich die bemalten Hochzeitstruhen (cassoni), die Bekrönungen von Wänden hinter umlaufenden Bänken oder hölzernen Wandverkleidungen (spalliere) und die Geburtsscheiben (deschi da parto). Die cassoni wurden anlässlich von Eheschließungen in Auftrag gegeben, meistens bezieht sich ihr Dekor mit profanen und vorwiegend mythologischen Themen auf die Hochzeit. Einer der berühmtesten Florentiner cassoni ist der sogenannte Adimari-cassone, dessen Bemalung eine elegante und prächtige Hochzeitsszene darstellt, die eine anschauliche Vorstellung von der verfeinerten Festkultur der Florentiner Gesellschaft gibt, zu der die Familie Adimari gehörte. Der Malstil scheint wie eine Mischung aus Elementen der Internationalen Gotik und der Renaissance. Als Maler gilt der Bruder Masaccios, der unter dem Namen lo Scheggia bekannt ist, und der einer jener handwerklich orientierten Künstler war, der sein Geld mit der Herstellung kunstvoller Gebrauchsgegenstände verdiente. Unter einer spalliera versteht man schmale, oft friesartige Paneele, die als dekorativer oberer Abschluss von hölzernen Wandverkleidungen dienten. In diese Kategorie gehört vermutlich Botticellis um 1495 für seinen Freund Antonio Segni gemalte Allegorie auf die Verleumdung des Apelles, die ein berühmtes Gemälde dieses antiken Malers zitiert, das Alberti in seinem Traktat „De Pictura“ von 1435 erwähnt und beschrieben hat.

Das berühmteste Beispiel für einen desco da parto (Geburtsscheibe), der in der Regel ein Tondo war, stammt von Masaccio und ist eines der signifikantesten und innovativsten Gemälde der Florentiner Frührenaissance: Masaccio, Desco da parto, Mit Darstellung einer vornehmen Wöchnerinnenstube mit Besuchern, Berlin, Gemäldegalerie, ca. 1427–1428.

 

 

zu 4. Leitthemen der Malerei im Quattrocento

Desco da parto

 

Das berühmteste Beispiel für einen desco da parto (Geburtsscheibe), der in der Regel ein Tondo war, stammt von Masaccio und ist eines der signifikantesten und innovativsten Gemälde der Florentiner Frührenaissance: 

Masaccio, Desco da parto, Mit Darstellung einer vornehmen Wöchnerinnenstube mit Besuchern, Berlin, Gemäldegalerie, ca. 1427–1428

Man blickt in ein geöffnetes Haus mit reich inkrustierter Fassade. In der den Säulenarkadenhof säumenden Loggia, die nach vorn wie eine Bühne geöffnet wird, bewegt sich eine Prozession von Frauen, auf eine hinter einem Pfeiler verdeckte Türöffnung zu, die in das unter der rechten Arkade sichtbare Schlafgemach führt, in dem eine Geburtsszene dargestellt ist. Obwohl sie an Darstellungen der Geburt Mariens erinnert, ist hier eine profane Geburt gemeint. Keine der Frauen trägt einen Heiligenschein, die junge Mutter wendet sich neugierig den Besucherinnen an der Tür zu. Dem Zug der Frauen folgen mit einem gewissen Abstand drei Männer, einer von ihnen bläst in eine Trompete, an der eine Fahne mit der Florentiner Lilie hängt, der andere hält ein gleichartiges Instrument, schaut aber aus dem Bild heraus, in einem gewissen Abstand von ihnen folgt ein junger Mann, der einen runden Teller mit Gebäck vor sich her trägt, die er der Sitte gemäß der jungen Mutter bringen wird. Die dargestellte Szene bezieht sich also exakt auf den Anlass, aus dem solche Geburtsscheiben gemalt wurden und an den sie erinnern sollten. Die Rückseite des desco da parto, die immer bemalt ist, zeigt ein nacktes männliches Kind mit einem Hermelin, also offensichtlich das Kind, das man auf der Vorderseite in Windeln und mit einer Glück bringenden Korallenkette in den Armen der Amme sieht.

 

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