Michelozzo di Bartolomeo als Architekt der Medici

Die entscheidende Zäsur für den Palastbau in Florenz war das Jahr 1434, als die Medici aus ihrer eineinhalbjährigen Paduaner Verbannung nach Florenz zurückkehrten und den Machtwechsel zum Anlass für die Enteignung der Patrizierfamilien der ottimati nahmen, die ihrerseits Cosimo de’Medici 1433 verbannt hatten. Nach einer von Antonio Billi und dem so genannten „Anonimo Magliabechiano” überlieferten Anekdote bat Cosimo de’Medici Brunelleschi um ein Projekt für seinen Palast, der auf einem Areal gegenüber der Kirche S. Lorenzo errichtet werden sollte. Es fiel jedoch so grandios aus („troppo grande e suntuosa impresa“), dass Cosimo den Plan ablehnte, was ihm später leid getan habe. Brunelleschi, der seinen ganzen ingegno in dieses Modell investiert habe, zerschmetterte es daraufhin. Der Wahrheitsgehalt dieser Episode, für die das Jahr 1443 plausibel wäre, ist allerdings zweifelhaft. 1444 ging der Auftrag für den Palast der Medici in der via larga an Michelozzo di Bartolomeo. Zu Beginn seiner Karriere war er hauptsächlich als Goldschmied und Bildhauer tätig gewesen, so z.B. am Grabmal Papst Johannes XXIII. >L.II.4 im Baptisterium von Florenz (1424–1428). Hier wie auch an der Kanzel des Doms von Prato (1434–1438) hatte er mit Donatello zusammengearbeitet und war mittlerweile Hausarchitekt der Medici geworden. Er hat sowohl den von Cosimo gestifteten Klosterkomplex von S. Marco (1436–1443) sowie das benachbarte Kloster der Serviten mit der Kirche Santissima Annunziata als auch zwei Villen der Medici in der näheren Umgebung (Careggi, Cafaggiolo) errichtet. Darüber hinaus gehört auch die ebenso originelle wie einfache Kirche der Badia Fiesolana zu seinem Oeuvre. Michelozzo wurde nach Brunelleschis Tod (1446) Vorsteher (capomastro) der Dombauhütte (opera del duomo). und war in dieser Funktion für die Vollendung der Laterne der Domkuppel zuständig. Später war er auch als Festungsbaumeister tätig. Die Vielseitigkeit seines Repertoires und seines Schaffens ist beeindruckend, wenn ihm auch die Genialität und der Innovationsgeist seines Lehrers fehlten. Der Palazzo Medici ist sein frühestes architektonisches Werk in Florenz. Möglicherweise gingen in Michelozzos Plan Ideen und Anregungen ein, die auf den von Billi erwähnten Entwurf Brunelleschis zurückgehen, dem gelegentlich sogar die Konzeption des Palastes zugeschrieben wird. Als 1445 die Bauarbeiten für den Palast begannen, lebte Brunelleschi noch, so dass es durchaus denkbar, dass sich Cosimo und sein Architekt Rat bei ihm holten. Das Innenleben des Palastes und seine Ausstattung können anhand des Inventars, das nach dem Tode Lorenzos 1492 erstellt wurde, und dank einer Beschreibung von Antonio Averlino gen. Il Filarete rekonstruiert werden. In seinem „Trattato di architettura” lädt er den Leser dazu ein, mit ihm den Palast zu besichtigen. Immer wieder lobt Filarete das decorum und die dignitas der Innenausstattung und verwendet damit Begriffe, die aus dem Vokabular Albertis stammen >L.III.4.

Der ehemals nahezu quadratische Block des Palastes steht auf drei Seiten frei. Die neunachsige Front zur via Cavour (ehem. via larga), in der sich auch die casa vecchia befand, also die alten Wohnhäuser der Familie, ist die Hauptfassade. Die Nebenfassade mit acht Fensterachsen richtet sich zur via de’Gori, während die hohe Einfassungsmauer des rückwärtigen Gartens – in dieser Form und Anordnung eine Neuheit in der Stadtresidenz einer Patrizierfamilie – zur via de’Ginori geht. An der urbanistisch und strategisch wichtigsten Ecke (via Cavour/ via de'Gori) befand sich ursprünglich eine einachsige offene Loggia, welche Papst Leo X. 1517 schliessen liess. Am Aussenbau fallen die Elemente des traditionellen Florentiner Palastes auf: das hohe und in massiger Bossenquaderung mit Randschlag aufgemauerte Sockelgeschoss mit einem mittleren Eingang, der von zwei gleichartigen Bögen flankiert ist, die heute ein Fenster bzw. eine Loggienöffnung enthalten. Ein neues Motiv ist die um den Sockel herumlaufende Stufe, über deren Funktion eine Ansicht von Francesco Granacci informiert, die den Einzug König Karls VIII. in Florenz 1494 darstellt. Diese Stufe wird von nun an zu einem festen Bestandteil der Florentiner Paläste der Familien, die sich als Träger und Repräsentanten des öffentlichen Lebens betrachten. Zugleich ist sie auch ein ästhetisches Element, das die Wuchtigkeit des Sockelgeschosses mindert. Den Abschluss des Sockelgeschosses, das ein Zwischengeschoss beherbergt, bildet ein mit einem Klötzchenfries verziertes Gesims, das funktional eine Fenstersohlbank ist. Im weniger hohen ersten Geschoss (piano nobile), deutlich erkennbar an der reichen Gestaltung der von Radialsteinen eingefassten Fenster und an der Anbringung des Familienwappens in Eckposition, wechselt das Mauerwerk vom Bossenwerk zur glatten Rustikaquaderung. Das Bogenfeld der Biforien- oder Zwillingsfenster, bei denen es sich um ein Würdemotiv handelt, das auf das Vorbild des Palazzo della Signoria verweist, ist durch eine radiale Umrahmung herausgehoben. Die Fenster nehmen keinen axialen Bezug auf die Öffnungen des Sockelgeschosses, entsprechen aber dem dritten Geschoss.

Den Abschluss des 25 m hohen Gebäudes bildet ein antikisierendes Kranzgesims. Der Klötzchenfries nimmt Bezug auf die unteren Gesimse, dann folgen ein Eierstab und Konsolen, die das vorkragende und mit einer Kassettierung versehene Abschlussgesims tragen. Eigentlich bedürfte dieses mit 3 m Höhe dem Gesamtbau durchaus angemessene Kranzgesims nicht der antiken Elemente, da es nicht als Abschluss einer Ordnung antiken Stils fungiert, sondern die Funktion eines seit vorkragenden Daches erfüllt, das in Florenz üblich war. Obwohl die Fassade einen Kompromiss zwischen den traditionellen Florentiner Bauformen und einigen neuen Elementen zeigt, galt der Palazzo Medici noch für Vasari als erster Palast, der in Florenz nach dem ordine moderno, also einem neuen, an klassischen Vorbildern orientierten Stil errichtet wurde. Das wichtigste Element der Innendisposition ist der Hof: ein Säulenarkadenhof, der sich achsenymmetrisch zum Eingangskorridor (andito) verhält und dessen rückseitiger Flügel breiter ist. Hier empfing Lorenzo de’Medici seine Besucher. Von hier aus erfolgte der ehemals engere Zugang zum Garten, der von einer zinnenbekrönten Mauer umgeben ist. In diesem Garten, der auch eine private Loggia beherbergt (Loggia terrena), in der 1469 die Hochzeit zwischen Lorenzo und Clarice Orsini gefeiert wurde, stand Donatellos Judith, während sich sein bronzener David >L.V.6 im Hof befand. Die innere Disposition achtet auf symmetrische Entsprechungen und enthält erstmalig axial kommunizierende Raumfolgen, und zwar für das im piano nobile gelegene offizielle appartamento des Lorenzo il Magnifico, zu dem auch die Kapelle gehörte >L.V.1, der einzige relativ unversehrt erhaltene Innenraum aus dieser Phase.

zu 8. Albertis Palazzo Rucellai