SWD Bericht 1996

Vorbereitungstreffen der Arbeitsgruppe Schlagwortnormdatei

Die im unmittelbaren Anschluß an die AKMB-Fortbildungsveranstaltung „Erschließungswerkstatt für Kunst- und Museumsbibliotheken" am 24./25. Oktober 1996 im Sprengel Museum Hannover begründete AKMB-Arbeitsgruppe SWD hat sich erstmals am 5. März 1997 in der Kunstbibliothek der Staatl. Museen zu Berlin (SPK) versammelt. Gesprächspartner der Vertreter der Kunst- und Museumsbibliotheken war bei dieser Gelegenheit Herr Martin Kunz, Leiter der SWD bei Der Deutschen Bibliothek in Frankfurt a. M.

Die Diskussion basierte auf vorher ausgetauschten schriftlichen Stellungnahmen der Arbeitsgruppen-Mitglieder und spannte einen weiten Bogen von allfälligen Detailfragen und -problemen bis zu Grundbedingungen kunstwissenschaftlicher Sacherschließung.

Es erstaunt nicht, daß besonders intensiv über das für RSWK-/SWD-Ansetzungen charakteristische Nachschlagewerkprinzip gesprochen wurde. Gerade am Beispiel der von der Sächsischen Landesbibliothek/Staats- u. Universitätsbibliothek Dresden im Rahmen ihrer SSG-Verantwortung zu leistenden Verschlagwortung von Literatur etwa zu Gegenwartskünstlern wurde deutlich, daß bei hochspezialisierten Beständen Aufwand und Nutzen der vorschriftsgemäßen Orientierung an der „Liste der fachlichen Nachschlagewerke zu den Normdateien (SWD, GKD)" (zu abonnieren bei der DDB) bisweilen in keinem sinnvollen Verhältnis stehen, mithin ein Dilemma entsteht, dem wohl nur durch eine, sich anscheinend auch abzeichnende, auf Regelwerkebene verankerte Relativierung des die „Liste der fachlichen Nachschlagewerke" bestimmenden Prinzips der Gebräuchlichkeit abzuhelfen wäre. Auch wurde angeregt, die „Liste der fachlichen Nachschlagewerke" um elektronische Ressourcen zu erweitern, wie etwa die online abfragbare „Union List of Artist Names (ULAN)" des Getty Information Institute.

Das mit dem Nachschlagewerkprinzip eng verklammerte Prinzip der Gebräuchlichkeit führt bei den Bibliotheken auch hinsichtlich der Ansetzung von Geographika immer wieder zu Irritationen, auch vielleicht, weil die Verweismöglichkeiten des EDV-Katalogs, auf die der Vertreter der DDB verwies, oft noch nicht genügend realisiert worden sind. Es schien im Laufe des Gesprächs andererseits auf, daß durchgängig originalsprachliche Ansetzung von Geographika kaum praktikabel wäre. Gerade für ost-, mittelost- und südosteuropäische Ortsnamen scheint aber die Regelwerksentwicklung ohnehin in Richtung einer stärkeren Betonung der gültigen nationalsprachlichen Formen zu gehen.

Für den Bereich der Sachschlagwörter wurde dagegen moniert, daß die SWD sowohl mitunter den aktuellen Sprachgebrauch nicht genügend berücksichtige als auch in ihren thesaurusartigen Begriffsbezügen oft nicht auf die Terminologie der Kunstwissenschaften abgestimmt sei. Herr Kunz stellte klar, daß bei der Beurteilung von SWD-Sachschlagwörtern im Einzelfall nicht vergessen werden darf, daß ein Universalvokabular immer auch die Verwendung von Begrifflichkeiten (z.B. 'Abstraktion', 'Menschendarstellung') in anderen Fächern spiegelt, es sich bei manch scheinbarer Inkonsequenz also keineswegs um einen Fehler handelt.

Der RSWK-typische Zusatz 'Geschichte' im Zusammenhang mit Zeitangaben wurde von verschiedenen Teilnehmern nachdrücklich als entbehrlich kritisiert. Er wird dementsprechend in zwar SWD-basierten, aber nicht durchgängig RSWK-konformen Sacherschließungssystemen von vornherein weggelassen.

Hinsichtlich der RSWK-Formschlagwörter bewegte sich die Arbeitsgruppe wohl auf dem Stand der Regelwerkdiskussion, indem sie zwar zu einzelnen Ergänzungen der Liste der Form-Schlagworte ermunterte, andererseits aber auch erkannte, daß unter EDV-Bedingungen eine allzu große Diversifizierung auf das Retrieval nachträglich wirken könnte. Es wurde an die laufenden Bemühungen um Abstimmung mit künftigen RAK-Materialcodes erinnert. Besonders dankbar hat die AG das Angebot von Herrn Kunz angenommen, den aktuellen Entwurf der Liste der RSWK-Formschlagwörter durchzusehen. Einige wenige Anregungen und Änderungsvorschläge wurden noch in Berlin an Herrn Kunz übermittelt, der freundlicherweise auch die Einsichtnahme in den Entwurfsstand zu RSWK-§§ 723-732 (Werke der bildenden Kunst und Bauwerke) gestattete.

Überhaupt ermöglichte das Gespräch mit dem SWD-Leiter der Deutschen Bibliothek als naturgemäß souveränem Kenner aller sachlichen, technischen und organisatorischen Details von RSWK/SWD die Klärung zahlreicher Verständnisprobleme und dadurch letztlich die Zurückführung der sachlichen Erörterung auf die tatsächlichen bestehenden Probleme. So konnte Herr Kunz klarstellen, daß die zahlreichen in der SWD enthaltenen ungenügend individualisierten Personensätze Relikte aus früheren Jahren sind und keineswegs die laufende Praxis reflektieren.

Besonders spannend war die Situierung der SWD-Entwicklung im internationalen Kontext. So erinnerte Herr Kunze daran, daß die Abstimmung mit Normdateien anderer Länder, etwa dem französischen RAMEAU, bereits auf Nationalbibliothekenebene prämeditiert wurde und weiterhin Zukunftsziel bleibt. Andererseits wurde von einzelnen Arbeitsgruppenmitgliedern die Meinung vertreten, daß universale Dateien wie SWD, RAMEAU oder LoC-Subject headings prinzipiell ab einem gewissen Spezifizierungslevel nicht in der Lage sind, ausgesprochene Fachthesauri zu ersetzen und daß wohl eher ein abgestimmtes Nebeneinander von Universal- und Fachthesauri anzustreben sei. Im Bereich der Kunstwissenschaft ist der vom Getty Information Institute betreute amerikanische „Art & Architecture Thesaurus (AAT)", der den Bereich der Ikonographie zugunsten von ICONCLASS ausklammert und auf einen Einsatz als Facettenklassifikation hin konzipiert ist, das maßstabsetzende Beispiel für einen Fachthesaurus von ungleich größerem fachbegrifflichem Reichtum als die Universalvokabulare, freilich bislang noch ohne realistische Aussicht auf Anwendung in deutschen Umgebungen. Gerade vor diesem Hintergrund schienen sich die Teilnehmer einig darüber zu sein, daß eine verstärkte Integration kunstspezifischer Belange in RSWK/SWD für die deutschen Kunst- und Museumsbibliotheken besonders wünschenswert und dringlich wäre und vielleicht sogar außerhalb der reinen Literaturerschließung, nämlich für den wegen seiner fast chaotischen Heterogenität besonders problematischen Bereich der (EDV-gestützen) Objektdokumentation nützlich werden könnte. Letztere Überlegung führte Christof Wolters vom Berliner Institut für Museumskunde zu dem vom SWD-Leiter durchaus positiv aufgenommenen Vorschlag, einmal einen Test der SWD im Hinblick auf ihre Anwendbarkeit auf Objekte, und zwar nicht nur Kunstobjekte, zu realisieren.

Wichtigstes Resultat der Sitzung war die Erklärung von Herrn Kunz, daß Die Deutsche Bibliothek, aufbauend auf entsprechenden Erfahrungen mit den kirchlich-wissenschaftlichen Bibliotheken, bereit ist, bei der SWD-Pflege mit den Spezialbibliotheken der AKMB im Sinne des o.e. Ziels einer intensiveren Integration der spezifischen fachlichen Belange eine Form der direkten Zusammenarbeit bei der Dateneingabe zu organisieren. Dank der überaus erfreulichen Kooperativität der Deutschen Bibliothek könnten somit die systematischen AKMB-Bemühungen um Zusammenarbeit mit den nationalen Institutionen des Bibliothekswesens in absehbarer Zeit ein Niveau erreichen, das sich mit den Errungenschaften unserer französischen und englischen Kollegen messen liesse.

[Text: Rüdiger Hoyer, Zentralinstitut für Kunstgeschichte München / Bibliothek - abgedruckt in: AKMB-news 3 (1997), Nr. 1]