Rezension

Richard Clay: Iconoclasm in revolutionary Paris - the transformation of signs. , Oxford: Voltaire Foundation 2012, ISBN 978-0-7294-1054-0, 65.00 GBP
Buchcover von Iconoclasm in revolutionary Paris - the transformation of signs
rezensiert von Christine Tauber, Zentralinstitut für Kunstgeschichte, München

Gleich zu Beginn seiner Untersuchung über den Ikonoklasmus in Paris während der Revolutionszeit von 1789 bis 1795 identifiziert Richard Clay seine forschungsgeschichtlichen Gegner, gegen die er anzuschreiben gedenkt: Gustave Gautherot und seine Untersuchung Le vandalisme jacobin: Destructions administratives d'archives, d'objets d'art, de monuments religieux à l'époque révolutionnaire aus dem Jahr 1914, Louis Réau mit seiner Histoire du vandalisme: les monuments détruits de l'art français (Paris 1958, 21994), schließlich François Souchals Buch Le Vandalisme de la Révolution von 1990. Der grundlegend falsche Ansatz dieser Autoren, so Clay, bestünde einerseits darin, die ikonoklastischen Akte der Französischen Revolution primär als Zerstörungen autonomer Kunstwerke gedeutet, andererseits die Akteure als ignorante Barbaren denunziert zu haben. Demgegenüber vollzieht er eine terminologische Korrektur, indem er nicht mehr von "Vandalismus", sondern von "Ikonoklasmus" spricht [1], welchen er als materielle Zeichentransformation und als bedeutungskonstituierenden Akt definiert.

Die Generalthese seiner semiotisch orientierten Arbeit lautet, dass die diskursiven Kontexte, in denen die Zerstörungen sich vollzogen, wesentlich stärker von politischen und religiösen Argumenten geprägt waren als von historischen oder genuin künstlerischen. Die heiß umkämpfte Kontrolle über den "offiziellen", institutionalisierten Ikonoklasmus (und über den ihn begleitenden Diskurs), so seine zunächst durchaus triftige Schlussfolgerung, diente den neuen konkurrierenden politischen Institutionen primär als Mittel der Machtausübung und -legitimation. Der nicht-offizielle Ikonoklasmus hingegen sei als Instrument der gezielten Radikalisierung in der politischen Entwicklung der Zeit genutzt worden.

Sein methodisches Vorgehen fasst Clay am Ende des Buches noch einmal zusammen: "By taking a semiotic turn in my study of 'iconoclasm' I have characterised the breaching of representational objects' integrity as being a form of material sign transformation with communicational intent. Central to my approach has been an emphasis on the diversity of the semiotic ground that Parisians of various backgrounds, beliefs and cultural competencies used when decoding and recoding polysemic signifiers' meanings." (277) Die - wenig aufregende - Erkenntnis, dass sämtliche behandelten Objekte, Zeichen und Diskurse sowohl "synchronically" als auch "diachronically polyvalent" sowie "polysemic" seien, wird hier übertrieben zeichentheoretisch aufgerüstet und im Textverlauf ad nauseam wiederholt. Das Buch kommt generell etwas überdidaktisch daher: Jedes Kapitel beginnt mit einer die Thesen exponierenden Einleitung und endet mit einer diese noch einmal rekapitulierenden Zusammenfassung - von der Haupt-Introduction und -Conclusion ganz abgesehen. Die Pariser, die die Königsstatuen stürzten und die verhassten Zeichen von Monarchie, Feudalismus und Katholizismus gewaltsam tilgten, werden in dieser Sicht der Dinge zu gewiegten Zeichendeutern und semiotisch geschulten "guten Vandalen": "Far from being ignorant vandals, iconoclasts were sophisticated coders, as well as decoders, of signs and spaces" (240). [2]

Clay bietet auf beeindruckend breiter Quellenbasis, die auch abgelegene Dokumente berücksichtigt, eine Fülle von mikrohistorischen, alltags- und sozialgeschichtlichen wie diskursanalytischen Einzelfalluntersuchungen, die in chronologischer Folge präsentiert werden. Besonders gelungen sind seine Analysen der "Zeichenkriege" zwischen konstitutionellen und altgläubigen Katholiken und der daraus resultierenden Laisierungstendenzen (auch wenn er bisweilen in seiner methodischen Heuristik etwas über das Ziel hinausschießt, indem er Grundtatsachen katholischer Glaubenspraxis durch eine Art ethnografisch-verfremdende Brille betrachtet). Auch seine - in der bisherigen Literatur eher vernachlässigten - Untersuchungen zu "Iconoclasm and Revolutionary signs" u.a. am Beispiel der Marat-Büsten und der Stilisierung des "Ami du peuple" zum Revolutionsmärtyrer (224ff.) bringen interessante neue Einsichten in die Strukturlogik des Revolutionsikonoklasmus und innovative Erkenntnisse für eine objektwissenschaftlich orientierte Kunstgeschichte wie für die material culture. Auch gelingt es Clay, einen der Hauptakteure des Ikonoklasmus, François Daujon, zu rehabilitieren: Dieser mutiert in seiner Darstellung vom boshaften und ignoranten Bilderstürmer zum höchst fantasievollen Umgestalter und verhinderten Künstler, der in den Pariser Kirchen wie Saint-Eustache und Saint-Sulpice ausgeklügelte Symboltransformationen nach dem Motto "Schwerter zu Pflugscharen" (und umgekehrt) vollzog, indem er Kreuze in Revolutionspiken oder Zepter in Olivenzweige verwandelte und damit viele bedeutende Kunst- und Kultobjekte vor der Zerstörung bewahrte.

Allerdings werden Quellen und Literatur, die Clays Generalthese zuwiderlaufen, da sie den autonomen Kunstwert der zerstörten Objekte thematisieren, schlicht ausgeblendet: So erlaubt sich der Autor in seinem Unterkapitel zu den "Post-thermidorian reactions to the iconoclasm of the Terror" (267ff.), die drei "Rapports sur le vandalisme", die der konstitutionelle Bischof von Blois, Henri Grégoire, am 31. August, 29. Oktober und 14. Dezember 1794 im Auftrag des Comité d'instruction publique dem Nationalkonvent vortrug, zu ignorieren. [3] Grégoire - und nicht Joseph Lakanal, wie Clay behauptet [4] - war in diesen für den ikonoklastischen Diskurs absolut zentralen Texten der Erste, der den Terminus Vandalismus im Sinne eines nach-thermidorianischen Kampfbegriffs in die Diskussionen um Kunst in der Revolutionszeit und in die merkwürdig dialektische Debatte um Zerstören und Bewahren von Kunstwerken in den 90er-Jahren des 18. Jahrhunderts einführte.

Ebenfalls nicht eingehender behandelt werden die (für das Thema relevanten) Pläne zur Umgestaltung des öffentlichen Pariser Stadtraums [5], die Festkultur der Revolutionszeit, das neue Zeit- und Geschichtskonzept, das sich auch in den ikonoklastischen Aktionen und in der Neubesetzung der hierdurch geschaffenen Leerstellen manifestiert, sowie die Schaffung neuer Institutionen, die mit der Verwaltung und Konservierung der Überbleibsel dieser ikonoklastischen Akte betraut wurden (Depots, Museen). Auch der in den Debatten wichtige Begriff des monument in seiner erinnerungsstiftenden und -konservierenden Funktion bleibt undiskutiert. Positiv hervorzuheben ist demgegenüber die Auswahl des Bildmaterials, das gleichwertig mit den Textquellen analysiert wird und mit vielen selten abgebildeten Beispielen aufwarten kann.


Anmerkungen:

[1] Hierbei kann er auf Stanley J. Idzerda zurückgreifen, der diese terminologische Wende bereits 1954 vollzogen hat, in: Iconoclasm during the French Revolution, in: The American Historical Review 60 (1954), 13-26.

[2] Vgl. hierzu den (von Clay nicht zur Kenntnis genommenen) Sammelband: Der Sturm der Bilder. Zerstörte und zerstörende Kunst von der Antike bis in die Gegenwart, hgg. v. Uwe Fleckner / Maike Steinkamp / Hendrik Ziegler, Berlin 2011, dort v.a. den Beitrag von Godehard Janzing: Der "Vandaliste" und sein Werk. Bildakte der Zerstörung und Befreiung in der Französischen Revolution, 55-74.

[3] Gleiches gilt für die Analyse dieser Texte in: Christine Tauber: Bilderstürme der Französischen Revolution. Die Vandalismusberichte des Abbé Grégoire, Freiburg i.Br. 2009, deren Lektüre die Euphorie über die methodischen und inhaltlichen Neuentdeckungen des Autors durchaus hätte mindern können. Generell weist das recht schmale Literaturverzeichnis des Buches drastische Lücken auf, die nicht allein auf die Zentrierung Clays auf anglophone Publikationen zurückzuführen ist: So fehlen beispielsweise Lynn Hunt: Politics, Culture, and Class in the French Revolution, Berkeley / Los Angeles 1984; Edouard Pommier: L'art de la liberté. Doctrines et débats de la Révolution française, Paris 1991; Rolf Reichardt / Hubertus Kohle: Visualizing the Revolution. Politics and Pictorial Arts in Late Eighteenth-century France, London 2008; generell Literatur zum Musée des monuments français, das ebenso wie die Louvre-Gründung nur marginal erwähnt wird und vieles mehr.

[4] Clay sitzt hier Lakanals retrospektiver Selbststilisierung als Ersterfinder auf: Dieser änderte im Inhaltsverzeichnis seiner Gesammelten Werke den Titel seines Rapport à la Convention vom 4. Juni 1793; zudem ersetzte er in dessen erstem Satz die "outrages de l'aristocratie" - die als solche noch im Abdruck des Berichts im Moniteur Universel vom 7.6.1793 angeprangert worden waren - durch die Vergehen des jetzt ex post sogenannten "vandalisme".

[5] Vgl. Armand-Guy Kersaint: Abhandlung über die öffentlichen Baudenkmäler, Paris 1791/92, frz. / dt. hg. v. Christine Tauber, Heidelberg 2010, v.a. "Nachwort: Bauen auf der tabula rasa", 175-284; Habermas' Überlegungen zum Strukturwandel der Öffentlichkeit werden nur indirekt über einen Aufsatz von Benjamin Nathans rezipiert (145, FN 45) und für die vorliegende Untersuchung in keiner Weise fruchtbar gemacht.


Christine Tauber

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Christine Tauber: Rezension von: Richard Clay: Iconoclasm in revolutionary Paris - the transformation of signs. , Oxford: Voltaire Foundation 2012
in: KUNSTFORM 16 (2015), Nr. 5,

Rezension von:

Christine Tauber
Zentralinstitut für Kunstgeschichte, München

Redaktionelle Betreuung:

Hubertus Kohle