Rezension

Editorial

Editorial Juni 2012

Neben Studien, die sich bislang wenig beachteten Themen widmen, wie etwa dem „sträflich vernachlässigten Künstler“ Francois-Andre Vincent oder den Infirmariekomplexen nordenglischer Zisterzienserklöster, fällt in der vorliegenden Ausgabe von KUNSTFORM eine Reihe von Publikationen auf, die sich längst etablierten und intensiv bearbeiteten Gegenständen des Faches Kunstgeschichte widmen und zu einem Vergleich ihrer Ansätze einladen, wie sie vor der großen Zahl bereits vorhandener Beiträge jeweils ihre neue Position behaupten:

Eine aktuelle Monographie über das Südquerhaus des Straßburger Münsters bringt nach Auffassung unseres Rezensenten neue Erkenntnisse vor allem bei Aspekten wie liturgischer und profaner Nutzung, Auftraggeberschaft, Baufinanzierung sowie den jeweiligen Rollen des Domkapitels und der Stadtbürgerschaft. Eine aufwendige Publikation zur Planungsgeschichte von Kloster und Kirche der reichsunmittelbaren Abtei Ottobeuren zielte vor allem darauf, einen einzigartigen Bestand von Plandokumenten und Schriftquellen der Barockarchitektur in bestmöglicher Form umfassend zu publizieren und den bisherigen Kenntnisstand im Sinne der Sachforschung zu korrigieren, zu präzisieren und zu ergänzen. In der Studie „Impressionist Children. Childhood, Family, and Modern Identity in French Art“ wird an bekannten und bei einem größeren Publikum beliebten Werken von Édouard Manet, Mary Cassatt, Edgar Degas, Berthe Morisot, Claude Monet und Pierre-Auguste Renoir die These entwickelt, dass die „Gemälde eine geradezu bildpädagogische Funktion in den generationenübergreifenden Stabilisierungsversuchen der noch jungen Dritten Republik und ihrer republikanisch-demokratischen Ideologie einnahmen, indem sie die Erziehung von verantwortungsvollen Staatsbürgern im trauten Umfeld der Kernfamilie […] repräsentierten“. Einen „reciprocal, cross-cultural and conflicted process“ versucht hingegen eine Publikation zum abstrakten Expressionismus eines Robert Rauschenberg und seiner Stellung in der globalen Expansion der US-amerikanischen Kunst herauszuarbeiten. Die intendierte Gegenposition zur "These von einem programmatisch exekutierten amerikanischen Kulturimperialismus im Mittel der Hochkunst" stellt die vielfältige Interaktion von Künstlern, Kuratoren, Galeristen und Kritikern sowie eine differenzierte Interpretation der Werke selbst in den Mittelpunkt der Darstellung.

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Ulrich Fürst, Hubertus Kohle, Stefanie Lieb und Olaf Peters


zur Ausgabe KUNSTFORM 13 (2012), Nr. 6

Empfohlene Zitierweise:

Kathryn M. Rudy: Rezension von: Sarah Blick / Laura D. Gelfand: (eds.) Push Me, Pull You. Imaginative, Emotional, Physical, and Spatial Interaction in Late Medieval and Renaissance Art, Leiden / Boston / Tokyo: Brill Academic Publishers 2011
in: KUNSTFORM 13 (2012), Nr. 6,

Rezension von:

Kathryn M. Rudy
School of Art History, University of St Andrews

Redaktionelle Betreuung:

Dagmar Hirschfelder