Rezension

Andrea Knop: Carl Alexander Heideloff und sein romantisches Architekturprogramm. Monographie und Werkkatalog, Neustadt a.d. Aisch: Verlagsdruckerei Ph. Schmidt 2009, ISBN 978-3-87707-749-8, 39.00 EUR
Buchcover von Carl Alexander Heideloff und sein romantisches Architekturprogramm
rezensiert von Anne Heinig, Kiel

Die über hohen Felsen scheinbar schwebende Ritterburg, die scherenschnitthafte Silhouette eines gotischen Altargesprenges oder die zur Idee einer mittelalterlichen Reichsstadt gehörenden altdeutschen Bürgerhäuser - solche malerischen Impressionen zählen zu den Charakteristika des romantischen Architekturprogramms, das der Neugotiker Carl Alexander Heideloff (1789-1865) mit seinem umfangreichen Werk und in seinen Schriften entwickelte.

Welche Bedeutung die malerische Komponente seiner Bauten und Pläne für Heideloff und für den Historismus besaß, hat Andrea Knop in ihrer Dissertation über den Stuttgarter Maler, Architekten und Landschaftsplaner untersucht und damit eine aktuelle Überblicksdarstellung vorgelegt. Die Grundlage ihrer Studie bildet ein 101 Nummern umfassender Werkkatalog. Er fußt auf dem 1958 publizierten Aufsatz von Urs Boeck [1] und berücksichtigt neben dem umfangreichen Nachlass Heideloffs auch Ergebnisse jüngerer Einzelforschungen. Ihm voran geht eine Monografie, in der die Autorin anhand der Beispiele von Stadt, Burg, Kirche und Landschaft den programmatischen Denkmalgedanken nachspürt, die sie - laut These - hinter der dekorativ-malerischen Bildhaftigkeit der Werke Heideloffs vermutet.

Der einleitende Problemaufriss fällt angesichts der Komplexität des Themas recht knapp aus. Knop umgeht Erläuterungen des Historismus und der Neugotik und führt stattdessen dezidiert das Prädikat "romantisch" ein. Ohne dessen begriffsgeschichtlichen Hintergrund näher zu beleuchten, zitiert sie eine schriftliche Äußerung Heideloffs, der mit der Kategorie des Romantischen die altdeutsche Architektur und ihre Eignung zur Erinnerung an die phantasievolle und christliche Werte bergende Epoche der Gotik meint.

Einen aussagekräftigeren Zugang zu seiner romantischen Architekturauffassung bietet da schon das folgende Kapitel über Heideloffs künstlerische Herkunft. Als Spross einer Dekorationsmalerfamilie erarbeitete er sich durch die Beteiligung an Restaurierungen, ausgiebige Quellenstudien und Forschungen zur mittelalterlichen Baukunst vielseitige Kenntnisse, die er zur Planung von Festarchitekturen, Brunnenbauten und Gärten, Fassaden und später zu monumentalen Bauprojekten nutzte. Kritisch geht die Autorin auf sein Selbstverständnis als genialer "Künstler-Architekt" ein, das bereits Anfang des 19. Jahrhunderts als überholt galt. Knop charakterisiert den Künstler als "Architekturgestalter", dem zeitlebens die technischen und planerischen Fertigkeiten eines ausgebildeten Architekten fehlten.

So arbeitet sie im ersten Hauptkapitel über Heideloffs Tätigkeit für die Dürerstadt Nürnberg auch die Grenzen heraus, auf die er mit seiner einseitigen Konzentration auf die bildhafte Ausdrucksqualität seiner Bauten stieß. Als Beispiel ist sein Plan für den Umbau des spätgotischen Augustinerklosters in ein Theater in altdeutschem Stil zu nennen. Knop weist nach, dass Heideloff weniger auf technische Funktionalität und Komfort im Innern als auf die Ensemble-Wirkung der sakral anmutenden gotisierenden Fassade achtete, die Kosten falsch veranschlagte und sich damit um Reputation brachte. Deutlich wird, dass sein Hauptziel in der Stiftung von Identität durch Veranschaulichung des Denkmalwertes als Reichs- und Künstlerstadt lag, den Nürnbergs Bürger nach der politischen Degradierung ihrer Stadt zur bayerischen Provinz umso leidenschaftlicher beanspruchten.

Eine andere Zielgruppe für seine Nachschöpfung mittelalterlicher Baukunst fand Heideloff in den Auftraggebern der Schlossburgen in Lichtenstein und Landsberg. Unter dem Titel "Poetische Burgenromantik" entwirft Knop im zweiten Hauptkapitel ein Tableau des Denkmalkultes, zu dessen Grundpfeilern Rittertum, Patriotismus, Herrschaftslegitimation und Religion gehören. Anhand von Beispielen der Adaption englischer Vorbilder und "altdeutscher" Bauformen wie Satteldach, Erker und Maßwerkfenster sowie mit Vergleichen zu Schlossbauten wie Stolzenfels verortet die Autorin die Burgenromantik Heideloffs an einem Wendepunkt zwischen romantischem und historistischem Schlossbau, ohne die Entwicklungslinien näher nachzuzeichnen.

Mit dem Titel "Kirchen für Religion, Kunst und Vaterland" greift Knop für ihr drittes Hauptkapitel über Heideloffs Sakralbauten einen altbekannten Topos ideengeschichtlicher Würdigung der Kölner Neugotik auf. [2] Neben der knappen Beschreibung von Gestaltungskriterien für die Außenbauten und Innenräume, unter denen hier das Streben nach Vertikalität und das mystische Dämmern zu nennen sind, befasst sie sich näher mit seiner Entdeckung des sogenannten "Achtorts". Durch archivalische Studien war Heideloff auf diesen gotischen Proportionsschlüssel gestoßen, den er dem Dominikaner Albertus Magnus zuschrieb und als eigene Errungenschaft in seine Schriften integrierte. In der Tat galten seine Forschungen zur mittelalterlichen Architektur auch dadurch für Neugotiker wie Friedrich Hoffstadt und Georg Gottlob Ungewitter als wegweisend und wurden an polytechnischen Schulen genutzt. Übte Heideloff damit Einfluss auf die spätere, dogmatisch-wissenschaftliche Phase des Historismus aus, sprechen die eigenen Kirchenbauten noch die Sprache des frühen Historismus, wie seine evangelische Kirche in Sonneberg zeigt: Dort bilden die neugotischen Formen eine dünne, dekorative Schicht, unter der ein kompakter Baukörper zum Vorschein kommt. Weder an einer gerüsthaften Baustruktur noch an einer Offenlegung des Baumaterials schien er interessiert. Auch den kirchlichen Auftraggebern widmet Knop ein Kapitel, in dem sie die Konflikte zwischen religiösen Einheitsbestrebungen und vorreformatorischen Kirchenbauvorstellungen des Katholiken Heideloff und den Erwartungen der meist protestantischen Gemeinden an eine zweckmäßige und bezahlbare Predigtkirche beschreibt.

Den letzten Abschnitt widmet Knop der Landschaft als offenem Denkmalraum. Er dient der Eingrenzung der Kulturvorstellungen, die Heideloff bei seinen Stadt- und Landschaftsplanungen begleiteten. Als wichtiges Merkmal einer solchen Kulturlandschaft ist die - teils Imagination gebliebene - Sichtachse zwischen Kirche, Stadt und Burg hervorzuheben. In diesem Spannungsfeld sollte sich das Erlebnis eines emotional ansprechenden und historisch bedeutsamen Lebensraumes voller Sinnbezüge entfalten.

Insgesamt zeichnet sich die Arbeit durch eine einfühlsame Auseinandersetzung mit dem romantischen Architekturprogramm Heideloffs aus. Die Darstellung seiner Bedeutung für die weitere Entwicklung des Historismus bleibt bis auf die Hinweise auf Hoffstadt und Ungewitter aber recht allgemein, da es keine Belege für die tatsächliche Rezeption seiner Bauten durch die nächste Neugotiker-Generation gibt. Auch eine systematische Würdigung des umfangreichen und hier in Einzelzitaten greifbaren Schrifttums hätte die anschaulich illustrierte Monografie und damit das Heideloff-Bild abgerundet. Anzumerken bleibt, dass Knops Arbeit eine wesentlich sorgfältigere redaktionelle Aufbereitung des Manuskripts verdient hätte.


Anmerkungen:

[1] Urs Boeck: Karl Alexander Heideloff, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 49 (1958), 314-390.

[2] Otto Dann (Hg.): Religion, Kunst, Vaterland. Der Kölner Dom im 19. Jahrhundert, Köln 1983.


Anne Heinig

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Empfohlene Zitierweise:

Anne Heinig: Rezension von: Andrea Knop: Carl Alexander Heideloff und sein romantisches Architekturprogramm. Monographie und Werkkatalog, Neustadt a.d. Aisch: Verlagsdruckerei Ph. Schmidt 2009
in: KUNSTFORM 11 (2010), Nr. 1,

Rezension von:

Anne Heinig
Kiel

Redaktionelle Betreuung:

Stefanie Lieb