Rezension

Christopher Richard Joby: Calvinism and the arts. A Re-assessment, Leuven: Peeters 2007, ISBN 978-90-429-1923-5, 43.00 EUR
Buchcover von Calvinism and the arts
rezensiert von Jan Harasimowicz, Instytut Historii Sztuki, Uniwersytet Wrocławski

Das Buch baut auf einer Dissertation auf, die im Department of Theology and Religion der Universität in Durham entstanden ist. Sein Umfang beträgt 253 Seiten, davon elf mit Wiedergaben von Bildern und Radierungen sowie Notenaufzeichnungen von zwei Psalmen aus dem Genfer Psalter (199-209). Den sechs Kapiteln, die das Rückgrat des Buches bilden, gehen das Vorwort und die Einführung voraus. Darauf folgt das Fazit mit dem anschließenden umfangreichen Literaturverzeichnis, das die Schriften Johannes Calvins, grundlegende Werke zum Thema sowie sonstige Bücher und Beiträge, die in einzelnen Kapiteln angeführt werden, umfasst (211-231). Das Ganze wird von fünf Indices abgeschlossen, die sich jeweils auf Person und Werk Johannes Calvins, andere Personen und Orte, Subjekte und Begriffe bzw. Bibelsprüche beziehen.

Die ersten zwei Kapitel, unter den Titeln "Calvin and art. A detailed analysis of exactly what type of visual art Calvin opposed and what he affirmed" und "Epistemology and Eschatology: How we can know of God's activity in the world through works of art from within the theology of John Calvin", enthalten eine umfassende Analyse der Einstellung Calvins zu Kunst und Schönheit. Sie beschränkt sich nicht auf relativ seltene direkte Aussagen des Reformators zu diesem Thema, sondern erfasst die Grundlagen seiner Theologie, die vor allem in der "Institutio religionis christianae" formuliert wurden. Joby folgt hier zwei bekannten französischen Forschern, Léon Wencelius [1] und Jérôme Cottin [2], er schöpft auch viele Inspirationen aus dem im Jahre 1999 von Paul Corby Finney herausgegebenen Sammelband "Seeing beyond the Word", und hier insbesondere aus dem Beitrag von Daniel W. Hardy. [3]

Das dritte Kapitel, das den Titel "Calvin, music and visual art: Ontological and epistemological similarities between Calvin's metrical psalmody and history and landscape paintings" trägt, ist für das Konzept des Buches von grundlegender Bedeutung. Den Ausgangspunkt bildet die von Calvin umgesetzte Reduzierung der Kirchenmusik auf Psalmen, die - ohne Instrumente - von der ganzen Gemeinde einstimmig, im vereinfachten binären Metrum vorgesungen werden. Der allgemein verbreiteten Überzeugung entgegen bedeutete dies keine Missbilligung der Musik, wie das bei Huldrych Zwingli der Fall war, sondern diente ihrer Verteidigung: Dank Calvin erhielt das musikalische sacrum zum ersten Mal sein eigenes, gesondertes, nur von Klängen bestimmtes Objekt. Ungeachtet der im Laufe der Zeit vollzogenen Auflockerung, die die strengen Regeln der metrischen Psalmodie erfuhren, war von Anfang an ihre andere, musikalisch reichere Form vorgesehen, die aber nur im Rahmen des "Hauspriestertums" zugelassen wurde. Die Lage der Historien- und Landschaftsmalerei war anders: Innerhalb des Kirchenbaus gab es für sie keinen Platz. Die Rolle, die sie im "Hauspriestertum" erfüllte, hatte jedoch mit der bereicherten metrischen Psalmodie viel gemeinsam.

Das vierte Kapitel, unter dem Titel "The form and ontology of church in the Reformed Tradition", behandelt calvinistische Kirchenbauten: ihre architektonische Form, ihre Innengestaltung in Hinsicht auf die Anforderungen der Liturgie und schließlich ihre Kultsymbolik. Zum Ausgangspunkt macht Joby die unter persönlicher Leitung Calvins durchgeführte Neuordnung des Inneren in der Domkirche St. Pierre in Genf, viel Aufmerksamkeit widmet er auch der Domkirche St. Giles in Edinburgh und der Hauptpfarrkirche St. Bavo in Haarlem. Anschließend untersucht er reformierte Kirchenneubauten, hauptsächlich französischer und niederländischer Herkunft. Dabei konzentriert er sich auf diejenigen, die auf einem Zentralgrundriss (Zirkel, Achteck bzw. griechisches Kreuz) errichtet wurden. Sie erfüllten selbstverständlich die Anforderungen des calvinistischen Gottesdienstes, indem sie zum Beispiel gute Sichtbarkeit des Predigers von jedem Platz aus gewährleisteten, stellten jedoch kein neues Phänomen dar, das ausschließlich für das reformierte Bekenntnis typisch wäre. Dem Typus, der tatsächlich einen genuinen Beitrag des Calvinismus zur Geschichte des christlichen Kirchenbaus darstellt, nämlich den Kirchen auf dem Grundriss eines querliegenden Rechteckes (den sogenannten Querhauskirchen), widmet der Verfasser nicht genug Aufmerksamkeit, auch wenn auf eine der europaweit ältesten Kirchen auf diesem Grundriss, Westerkerk in Amsterdam, mehrmals im Buch verwiesen wird.

Das fünfte Kapitel, mit dem Titel "Art and Identity: How we can argue for the introduction of history and landscape paintings into Reformed churches by considering decoration and works of art already in them" versehen, enthält ausführliche Untersuchungen der Dekoration ausgewählter architektonischer Details und Ausstattungsstücke reformierter Kirchen von der Reformation bis heute. Behandelt werden nacheinander Fenster und ihre Verglasung, Orgeln und Kanzeln, und zum Abschluss des Kapitels das ganze Programm der Verzierung der berühmten Noorderkerk in Amsterdam, die auf dem Grundriss des griechischen Kreuzes erbaut wurde. Die getroffene Auswahl muss im Lichte der neuesten Forschung Zweifel aufkommen lassen. Den Darlegungen des Verfassers käme es wohl zugute, wenn er zum Gegenstand seiner Interessen auch die Werke der Sepulkralkunst (Epitaphien, Grabmäler, Totenschilde) sowie das Abendmahlsgerät gemacht hätte. Das neulich veröffentlichte fundamentale Werk von Johann Michael Fritz zeigt ausdrücklich, zu welch überraschenden Ergebnissen eine gründliche Analyse der reformierten Abendmahlspokale aus dem frühen 17. Jahrhundert, manchmal mit umfassenden Bildprogrammen versehen, führen kann. [4]

Die zwei letzten Kapitel des Buches, das sechste: "Rembrandt's The Risen Christ at Emmaus (1648) : the epistemological value of a history painting" und das siebente: "Jacob van Ruisdael's landscape paintings: a place where man encounters God's activity in the world", sind der eingehenden Untersuchung von zwei Werken niederländischer Malerei des 17. Jahrhunderts gewidmet: dem Bild Rembrandt van Rijns "Die Lichterscheinung Christi bei dem Mahl in Emmaus" aus dem Jahre 1648 (im Musée du Louvre in Paris) sowie dem Bild Jacob van Ruisdaels "Das Kornfeld", entstanden um das Jahr 1660 (im Museum Boijmans van Beuningen in Rotterdam). Nach der Meinung des Verfassers veranschaulicht das erstgenannte Bild auf meisterhafte Weise die calvinistische Auffassung des Abendmahls, das zweitgenannte spiegelt dagegen die Tätigkeit Gottes in der Welt, die systematisch im "Buch der Natur" aufgezeichnet wird, wider. Das sind natürlich keine völlig neuen Auslegungsmotive und schon gar nicht die am tiefsten greifenden, denn in der Vergangenheit wurden sogar Versuche unternommen, den Inhalt mancher Werke der beiden Künstler, insbesondere Rembrandts, auf konkrete theologische Positionen innerhalb der niederländischen reformierten Kirche zu beziehen. Sie verdienen jedoch wegen der Verknüpfung der beiden Bilder mit der calvinistischen rhythmischen Psalmodie unsere Aufmerksamkeit.

Im Fazit, und insbesondere in dem durch den Verfasser angedeuteten Wunsch nach weiterer Forschung (195-196), kommt der praktisch-theologische Ansatz, der auch aus einzelnen Kapiteln ersichtlich wird, deutlich zum Ausdruck. Welcher Platz gebührt den bildenden Künsten in der modernen liturgischen Praxis reformierter Kirchen? Sollen sie sich direkt im Zentrum des Gotteshauses, oder eher in Seitenkapellen, Sakristeien, kirchlichen Gemeinschaftsräumen befinden? Ist in einer Kirche abstrakte Malerei zulässig? Und die Werke der Plastik? Der Wille, diese Fragen, wenn auch nur vorläufig und unverbindlich, beantwortet zu haben, belastet die ganze Abhandlung und unterdrückt den in solchen Beiträgen unabdingbaren historischen Gesichtspunkt. Wäre der Verfasser konsequent auf dem Grund der kritischen Kirchen- und Kulturgeschichte stehengeblieben, dann hätte er zu der neuesten Forschung zum politischen Calvinismus und seiner Bildlichkeit, also zu solchen Phänomenen wie dem Bildprogramm der Innenräume des hessischen Schlosses Eschwege, von Landgraf Moritz dem Gelehrten gestiftet [5], oder dem Bildprogramm der Decke im Roten Saal des Rechtstädtischen Rathauses in Danzig, auf Veranlassung des procalvinistisch gesinnten Stadtrates geschaffen [6], Stellung nehmen müssen. Als zu Beginn des 17. Jahrhunderts die Theologen der lutherischen Orthodoxie die calvinistische Bilderlehre scharfer Kritik unterzogen, wiesen sie auf deren zahlreiche Widersprüche - darunter eben auf die bereitwillige Anwendung der Bildlichkeit auf der Politikebene - hin.

Das Buch Christopher Richard Jobys bildet keine wesentliche Erweiterung des bisherigen Wissens zum Verhältnis des Calvinismus zur Kunst. Der Verfasser schränkt das Gebiet seiner Forschung zu sehr ein, indem er die für die Geschichte der reformierten Glaubensgemeinschaft so wichtigen Länder wie Anhalt, Brandenburg, Hessen, Litauen, Pfalz, Polen, Preußen oder Ungarn völlig weggelassen hat. Nachdem vor zehn Jahren der von Paul Corby Finney herausgegebene Sammelband erschien, bestand die Hoffnung, dass man auf eine erste ausführliche Betrachtung des künstlerischen Erbes des Calvinismus nicht lange warten müsse. Heute sehen wir, dass der Weg dahin noch weit ist.


Anmerkungen:

[1] Léon Wencelius: L'esthétique de Calvin, Genève 1979.

[2] Jérôme Cottin: Le Regard et la Parole: Une théologie protestante de l'image, Genève 1994.

[3] Daniel W. Hardy: Calvinism and the Visual Arts. A Theological Introduction, in: Seeing beyond the Word. Visual Arts and the Calvinist Tradition, hg. von Paul Corby Finney, Grand Rapids, Mich. / Cambridge 1999, 1-16.

[4] Johann Michael Fritz: Das evangelische Abendmahlsgerät in Deutschland. Vom Mittelalter bis zum Ende des Alten Reiches, Leipzig 2004, 443-445.

[5] Heiner Borggrefe / Thomas Fusenig / Birgit Kümmel: Ut Pictura Politeia oder der gemalte Fürstenstaat. Moritz der Gelehrte und das Bildprogramm in Eschwege, Marburg 2000.

[6] Katarzyna Cieślak: Między Rzymem, Wittenbergą a Genewą. Sztuka Gdańska jako miasta podzielonego wyznaniowo, Wrocław 2000, 186-202.


Jan Harasimowicz

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Jan Harasimowicz: Rezension von: Christopher Richard Joby: Calvinism and the arts. A Re-assessment, Leuven: Peeters 2007
in: KUNSTFORM 10 (2009), Nr. 9,

Rezension von:

Jan Harasimowicz
Instytut Historii Sztuki, Uniwersytet Wrocławski

Redaktionelle Betreuung:

Johannes Wischmeyer