Rezension

Julia Lloyd Williams: (Hg.) Rembrandt's Women. Ausstellungskatalog National Gallery of Scotland, Edinburgh 2001 / Royal Academy of Arts, London 2001, München: Prestel 2001,
Buchcover von Rembrandt's Women
rezensiert von Dagmar Hirschfelder, Kunsthistorisches Institut, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn

So häufig Rembrandts Werk in der Vergangenheit auch Gegenstand von Ausstellungen war, der Blick auf 'seine Frauen' stellt ein Novum in der bisherigen Auseinandersetzung mit dem Oeuvre des Meisters dar. Der Katalog beinhaltet neben sechs Aufsätzen einen umfänglichen, reich bebilderten Katalogteil, in dem die 141 ausgestellten Werke besprochen werden.

Die Einleitung von Julia Lloyd Williams (An introduction to 'Rembrandt's Women') führt in die Themen der Aufsätze ein und gibt einen überblick über die Bilder und Werkgruppen, in denen Rembrandt Frauen darstellte. Allerdings werden nicht alle Bildgattungen, die in dieser Hinsicht von Bedeutung sind, explizit behandelt. Vielmehr beschränkt sich Williams z.B. bezüglich der Historienbilder darauf, einige der von Rembrandt wiederholt behandelten Themen mit weiblichen Protagonisten vorzustellen. Ein zentrales Problem, das auch in den einzelnen Beiträgen des Kataloges immer wieder aufgegriffen wird, besteht in der Bestimmung der Rolle, die Rembrandts Frauen - seine Mutter Neeltgen Willemsdr. van Zuytbroeck, seine Frau Saskia van Uylenburgh, das Kindermädchen Geertje Dircks und Rembrandts Geliebte Hendrickje Stoffels - für das Schaffen des Meisters spielten. Während man ihre Gesichtszüge in der frühen Forschung in einer Vielzahl von Rembrandts Gemälden zu erkennen glaubte, kommt Williams zu dem Schluss, dass der Meister für viele seiner Bilder bestimmte Gesichtstypen entwickelte, die zwar auf das Vorbild seiner Frauen zurückgehen mögen, von einer tatsächlichen Porträtähnlichkeit jedoch weit entfernt sind. Allerdings finden sich gerade unter Rembrandts Charakterköpfen und Brustbildern in phantasievoller Tracht (sog. tronien) ausgesprochen individuelle weibliche Gesichter, die in der Forschung immer wieder mit Rembrandts Frauen in Verbindung gebracht werden.

Obwohl Williams in ihrer Einleitung anreißt, in welch vielgestaltiger Weise sich Rembrandt mit der Darstellung weiblicher Figuren beschäftigte, fehlen im Katalog Beiträge, die eingehendere Untersuchungen zu einzelner Bildgruppen liefern. Weder den häufig nach dem Leben skizzierten Zeichnungen alltäglicher häuslicher Szenen, die Williams als Werkgruppe nennt, noch Rembrandts Porträts oder seinen Historienbildern mit weiblichen Heldinnen sind eigene Aufsätze gewidmet. Zudem wird auf die Diskussion der Frage, welches Bild von Weiblichkeit Rembrandts Werken zugrunde liegt und inwiefern sie zeitgenössische Rollenmodelle widerspiegeln, völlig verzichtet. Vor dem Hintergrund der Themenstellung des Kataloges scheint diese Ausblendung der geschlechtergeschichtlichen Perspektive kaum gerechtfertigt. Zumindest die Diskussion entsprechender Forschungsansätze, aber auch ein Blick auf die bisherige Forschung zu Rembrandts Darstellungen weiblicher Figuren, die Williams nicht bietet, wäre wünschenswert gewesen.

In seinem Aufsatz Rembrandt: his life, his wife, the nursemaid and the servant skizziert S.A.C. Dudok van Heel das Leben des Meisters unter besonderer Berücksichtigung der Beziehung zu den Frauen, mit denen Rembrandt lebte. Es werden jedoch auch Rembrandts Jugend, seine Lehrzeit, sein Verhältnis zu dem Leidener Kunsthändler Hendrick Uylenburgh, Rembrandts finanzielle Probleme mit dem Bankrott im Jahr 1656 und seine Amsterdamer Auftraggeber in den Blick genommen. Dudok van Heel nimmt an, dass Geertje und Hendrickje aufgrund ihrer niederen sozialen Stellung in der Gesellschaft vermutlich keine Einwände dagegen erhoben, dem Meister als Nacktmodell zu dienen. Mag dies in privatem Rahmen auch möglich gewesen sein, so scheint es doch kaum denkbar, dass die Frauen in der Werkstatt des Meisters vor dessen Schülern nackt Modell standen (s.u., zu Volker Manuth).

Bei der Beschäftigung mit "Rembrandts Frauen" stellt sich naturgemäß die Frage nach der Stellung der Frau in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts. Eddy de Jongh (The model woman and women of flesh and blood) legt dar, welches Idealbild der Frau in zeitgenössischen Benimmbüchern und anderen moralisierenden Schriften vermittelt wurde. Geprägt war dieses Bild von der überzeugung, dass die Frau dem Mann in mentaler und physischer Hinsicht unterlegen sei. Generell wurde von Frauen die Unterordnung unter ihren Mann, Gehorsam, Bescheidenheit, Frömmigkeit und vor allem Keuschheit erwartet. Abweichend von diesem Ideal entwickelten die holländischen Frauen des 17. Jahrhunderts jedoch ein hohes Maß an Unabhängigkeit. Vom politischen Leben blieben sie zwar ausgeschlossen, sie übernahmen jedoch häufig die Geschäfte ihrer Männer, wenn diese abwesend oder gestorben waren, gingen bezahlten Beschäftigungen nach oder waren im karitativen Bereich tätig. Des weiteren beschäftigt sich de Jongh neben Heiratsbedingungen und den Gefahren, die Schwangerschaft und Mutterschaft im 17. Jahrhundert mit sich brachten, auch mit dem körperlichen Idealbild der Frau, das durchaus nicht heutigen Schönheitsvorstellungen entsprach. Aus dem Aussehen von Rembrandts Darstellungen nackter Frauen schließt der Autor, dass die Zeitgenossen einen eher üppigen Frauentyp bevorzugten, der mit dem theoretisch begründeten Schönheitsideal der Klassizisten wenig gemein hatte. Zwar thematisiert de Jongh Rembrandts Entwurf von Weiblichkeit im Sinne der äußeren Gestalt seiner Figuren, die Frage, welche Vorstellungen von weiblichem Handeln und Verhalten Rembrandts Werken zugrunde liegt und inwiefern sie Rollenmodelle seiner Zeit spiegeln, bleibt jedoch offen.

Eric Jan Sluijter beschäftigt sich in seinem Beitrag 'Horrible nature, incomparable art': Rembrandt and the depiction of the female nude mit Rembrandts Auffassung des weiblichen Aktes. Er zeigt auf, in welcher Weise sich Rembrandt von der Darstellungsweise seiner Vorgänger emanzipierte, indem er auf jegliche Idealisierung und Stilisierung des weiblichen Körpers verzichtete und eine möglichst naturgetreue Darstellung anstrebte. Die durch das Malen nach der Natur erzielte Lebensnähe diene dazu, beim Betrachter ein möglichst hohes Maß an Empathie zu erzeugen. In der Forschung stießen Rembrandts Akte aufgrund ihrer plumpen Formen wiederholt auf Ablehnung. Allerdings nimmt Sluijter an, dass die Figuren den Zeitgenossen nicht nur realistisch, sondern auch begehrenswert erschienen. Es fällt auf, dass eine Vielzahl der weiblichen Akte Rembrandts eine ähnliche Gestalt aufweisen: sie haben schmale Schultern, maßvolle Brüste, einen feisten, runden Bauch und kräftige Oberschenkel. Trotz dieser Beobachtung diskutiert Sluijter nicht, ob Rembrandt das tatsächliche Aussehen seiner Modelle möglicher Weise gemäß eines bestimmten Käufergeschmackes abänderte und somit zwar keine Idealisierung im klassischen Sinne, aber doch eine Korrektur der Natur vornahm. In jedem Fall ist dem Autor sicher darin zuzustimmen, dass es Rembrandt vor allem darauf ankam, seine Fähigkeit zu besonders überzeugender Naturnachahmung unter Beweis zu stellen. Er trat in Wettstreit mit berühmten Vorgängern und suchte deren Aktdarstellungen an Natürlichkeit zu übertreffen. In diesem Zusammenhang erläutert Sluijter ausführlich, welchen Stellenwert das Naturvorbild gegenüber dem Studium antiker und moderner Vorbilder in der zeitgenössischen Kunsttheorie besaß. Als in dieser Hinsicht programmatisches Bild betrachtet er Rembrandts Darstellung der Dana‘ von 1636 in der Eremitage.

Volker Manuth ('As stark naked as one could possibly be painted...': the reputation of the nude female model in the age of Rembrandt) untersucht Rembrandts Verhältnis zu seinen Modellen und die Frage danach, ob es sich bei diesen tatsächlich um die Frauen handelte, mit denen Rembrandt lebte. Manuth konstatiert, dass die von der frühen Forschung vorgenommenen Identifikationen bestimmter Frauen in Rembrandts Gemälden, Zeichnungen und Radierungen heute in vielen Fällen nicht mehr haltbar oder noch ungeklärt sind. Rembrandts Arbeitsweise wird vor dem Hintergrund zeitgenössischer Werkstattpraxis beleuchtet. So ist bekannt, dass niederländische Maler im 17. Jahrhundert in sogenannten 'Academien' nach dem lebenden, nackten Modell zeichneten. Ob auch Rembrandt an solchen Sitzungen teilnahm, ist zwar nicht dokumentiert, es existieren jedoch Belege dafür, dass seine Schüler in seiner Werkstatt Aktstudien anfertigten. Manuth führt aus, dass nacktes Modellstehen als ausgesprochen unmoralisch und unehrenhaft betrachtet wurde. Aus zeitgenössischen Dokumenten geht hervor, dass es häufig Prostituierte waren, die den Malern gegen Lohn Modell standen. Vor diesem Hintergrund sollte die Annahme, dass es meist Saskia, Geertje oder Hendrickje sind, die uns in Rembrandts Aktstudien und seinen Gemälden nackter Frauen begegnen, überdacht und modifiziert werden. So erscheint etwa die überlegung, Saskia habe Rembrandt noch vor ihrer Heirat nackt Modell gestanden, als nahezu ausgeschlossen. Letztlich ungelöst bleibt allerdings die Frage, wie viel Rembrandts Akte seinen Beobachtungen im privaten Bereich außerhalb des Werkstattbetriebes verdanken.

Marieke de Winkel (Fashion or fancy? Some interpretations of the dress of Rembrandt's women re-evaluated) beschäftigt sich mit der Kleidung, die die von Rembrandt dargestellten Frauen tragen. Ihr Beitrag ist von besonderem Interesse, da Fragen zur Tracht von Rembrandts Figuren in vieler Hinsicht noch ungeklärt sind und von der Forschung bisher eher vernachlässigt wurden. Grundsätzlich ist zwischen der zeitgenössischen Mode, die die Dargestellten auf Rembrandts konventionellen Porträts tragen, und den Kostümen der Figuren in seinen Historienbildern zu unterscheiden. Porträts des 17. Jahrhunderts zeigen die jeweiligen Auftraggeber in der Regel in ihrem Sonntagskleid. Wie dieses aussah und welche Accessoires gewählt wurden, hing jedoch in hohem Maße von gesellschaftlichem Status, Alter und Religionszugehörigkeit der Dargestellten, aber auch von ihrem Wohnort und sozialen Konventionen ab. Es werden eine Reihe von Motiven behandelt, die in der bisherigen Forschung falsch gedeutet wurden. So kann beispielsweise der schwarze Schleier, den Oopjen Coppit auf Rembrandts Porträt von 1634 (Rothschild Collection, Paris) trägt, nicht wie zuvor angenommen als Zeichen der Trauer interpretiert werden. Der glänzende Stoff des Kleides und der überfluss an feiner Spitze und Schmuck, der es ziert, sind damit nicht vereinbar. Im Unterschied zu seinen Porträts tragen Rembrandts Figuren in Historienbildern keine zeitgenössische Tracht. Vielmehr bediente sich der Meister einer "eclectic mixture of fashionable, historic and exotic costume elements" (61). Dabei stützte er sich de Winkel zufolge nicht in dem Maße wie bisher angenommen auf seine Werkstattrequisiten oder Theaterkostüme, sondern vielmehr auf die eigene Erfindungskraft und künstlerische Traditionen, wie sie vor allem in der Druckgraphik greifbar werden.

Zu Beginn ihres Aufsatzes nennt de Winkel als Hauptproblem der Forschung die Frage danach, ob es sich bei den von Rembrandt verwandten Kostümen um reale oder um Phantasiekostüme handelt. Diese Frage stellt sich allerdings nicht bei den von de Winkel untersuchten Porträts des Meisters, sondern in erster Linie hinsichtlich der Kleidung von Figuren, die nicht als formelle Porträts gelten können. Für die aus dem Jahre 1633 datierende Silberstiftzeichnung von Saskia weist de Winkel nach, dass Rembrandt seine junge Frau hier in alltäglicher Kleidung darstellt. Da Strohhüte, wie ihn Saskia trägt, außerhalb des Hauses zum Sonnenschutz dienten, wurden sie von den Zeitgenossen unmittelbar mit dem Landleben verbunden. Aus diesem Grund findet man sie auch so häufig in pastoralen Darstellungen von Hirtinnen. Dies erlaubt jedoch im Falle von Rembrandts Zeichnung nicht den Umkehrschluss, dass er Saskia als Hirtin verkleidet zeichnete. Es zeigt sich, dass es in der Forschung gerade da, wo es um die Bestimmung von Elementen der alltäglichen Kleidung geht, zu Fehlinterpretationen kommen kann. Die Untersuchung der Frage, inwiefern die Kleidung der Figuren auf Genrebildern der tatsächlich im 17. Jahrhundert getragenen Alltagstracht entspricht, erscheint vor diesem Hintergrund als wichtige Aufgabe künftiger Forschung.

Der von der Herausgeberin bearbeitete Katalogteil des Buches umfasst sowohl in technischer als auch in thematischer Hinsicht das weite Spektrum der künstlerischen Ausdrucksweisen Rembrandts. Neben gemalten Porträts, tronien, mythologischen und biblischen Dreiviertelfiguren und Historienbildern werden auch eine Vielzahl von Radierungen und Zeichnungen behandelt, die von skizzenhaften Figurenstudien über tronien und Aktdarstellungen bis hin zu Genre- und Historienszenen reichen. Allerdings sind die Werke der Ausstellung im Katalog insgesamt chronologisch geordnet und nicht den unterschiedlichen Techniken gemäß in Gruppen aufgeteilt. Dies hat zwar den Vorteil, dass thematische Zusammenhänge im Gesamtwerk aufgezeigt und Vorstudien direkt zugeordnet werden können, macht es jedoch schwer, stilistische und ikonographische Entwicklungen innerhalb der verschiedenen Medien nachzuvollziehen. Hinzu kommt, dass präzise Datierungen für viele Werke Rembrandts nicht gegeben werden können, was eine ausschließlich chronologische Ordnung problematisch erscheinen lässt. Insgesamt ist der Katalogteil gründlich recherchiert und gibt in der Regel den neusten Stand der Rembrandtforschung wieder, wenn auch an einigen Stellen die Diskussion neuerer Spezialliteratur fehlt.

Ohne Zweifel behandeln die Aufsätze des Kataloges wichtige Aspekte hinsichtlich der Frage nach den Frauen in Rembrandts Leben und in seinen Werken. Der Leser wird über die Beziehung des Meisters zu seinen Frauen, seinen Umgang mit Aktmodellen, die Verwendung bestimmter Kostüme in den Darstellungen weiblicher Figuren, aber auch über das Leben und die Stellung niederländischer Frauen des 17. Jahrhunderts informiert. Allerdings hätte die zusätzliche Untersuchung einzelner Themenkomplexe und Werkgruppen und damit verbunden die Diskussion des Weiblichkeitsentwurfes, der sich möglicher Weise in den Werken des Meisters spiegelt, ein noch vollständigeres Bild von Rembrandts Auseinandersetzung mit dem anderen Geschlecht geliefert. Stattdessen wird ein deutliches Gewicht auf die Untersuchung von Rembrandts Darstellung des weiblichen Körpers gelegt. In jedem Fall bietet der Katalogteil ein umfassendes Bild von den vielfältigen Themen, die der Meister in seinen Darstellungen mit weiblichen Figuren behandelte, aber auch von den unterschiedlichen Techniken, derer er sich zu diesem Zweck bediente. Zudem bietet das Buch einen völlig neuartigen Blick auf Rembrandts Oeuvre und somit die Möglichkeit neuer Fragestellungen und Interpretationsansätze.


Dagmar Hirschfelder

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Dagmar Hirschfelder: Rezension von: Julia Lloyd Williams: (Hg.) Rembrandt's Women. Ausstellungskatalog National Gallery of Scotland, Edinburgh 2001 / Royal Academy of Arts, London 2001, München: Prestel 2001
in: KUNSTFORM 2 (2001), Nr. 3,

Rezension von:

Dagmar Hirschfelder
Kunsthistorisches Institut, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn

Redaktionelle Betreuung:

Jan Mohr