Rezension

Susanne Skowronek: Autorenbilder. Wort und Bild in den Porträtkupferstichen von Dichtern und Schriftstellern des Barock, Würzburg: Königshausen & Neumann 2000,
Buchcover von Autorenbilder
rezensiert von Elisabeth Oy-Marra, Institut für Kunstgeschichte, Johannes Gutenberg-Universität, Mainz

In einer Zeit, die den Autor als gottähnlichen Schöpfer dekonstruiert hat, rückt auch das Autorenbildnis erneut in den Blickpunkt. Wann entsteht es, und wie konstituiert sich der Autor als solcher im Bild? Exemplarisch ließe sich anhand der Petrarca- und Dante-Bildnisse von der Saladei Giganti in Padua bis hin zu Tom Phillips jüngster Bearbeitung des Danteporträts Signorellis in Orvieto eine Geschichte der Konstitution und Dekonstruktion des Autors anhand seiner Inszenierung im Porträt schreiben. Die Germanistin Susanne Skowronek wählt in ihrer Dissertation: "Autorenbilder. Wort und Bild in den Porträtkupferstichen von Dichtern und Schriftstellern des Barock" einen anderen Weg. Im Vordergrund ihrer Untersuchung stehen 52 graphische Porträts von 39 deutschsprachigen Schriftstellern und Schriftstellerinnen des 17. Jahrhunderts, eine Materialfülle, mit der die Autorin zu den barocken Stichwerken selbst in Konkurrenz zu treten scheint. Die Konzentration der Arbeit auf graphische Porträts scheint den Begriff des Autorenbildnisses aufgrund deren faktischer Nähe zum Text zu rechtfertigen. Skowronek definiert eingangs das Autorenbildnis als ein Porträt, das einer Werkausgabe beigegeben ist und die Urheberschaft des Dargestellten augenfällig bezeugen soll. So einleuchtend diese Definition zu sein scheint, so wenig wird sie leider von der Autorin selbst eingelöst, denn eine Vielzahl der von ihr vorgestellten Porträtstiche sind als Einzelblätter konzipiert worden. Zu dieser begrifflichen Unschärfe kommt hinzu, daß die Autorin weder den Begriff des Autors problematisiert, noch versucht, den des Dichters für das deutsche 17. Jahrhundert näher zu erläutern.

Erklärtes Ziel der Arbeit ist es, die Eigenständigkeit der Gattung graphischer Dichterporträts darzustellen und deren Wurzeln und Traditionen aufzuzeigen. Die Arbeit ist daher in zwei Hauptteile gegliedert: Einem einführenden Kapitel über die Entwicklung des Autorenbildes folgt im Hauptteil der Arbeit die Beschreibung der barocken Porträts und eine abschließende Diskussion der Inschriften.

Anstelle des zwar verständlichen, aber nichts desto weniger problematischen Versuchs, die Tradition der Dichterbildnisse seit der Antike darzustellen, wäre es für das Verständnis des barocken Bildnisses sinnvoller gewesen, an ausgewählten Beispielen gezielt Strategien der Inszenierung von "Geistesautorität" aufzuzeigen. Die Humanistenbildnisse lassen sich darüber hinaus nur schwer allein aus der antiken überlieferung und den Bildkonventionen der Evangelisten und Kirchenväter herleiten, auch wenn zuweilen auf diese Pathosformeln zurückgegriffen wird. Sie haben ihre Vorläufer vielmehr in der Sepulkralkunst, wie dies das Epitaph des Titus Livius in Padua oder auch die Künstlerepitaphien im Florentiner Dom augenfällig machen, die Porträt und Inschrifttafel offenbar für lange Zeit als Bestandteile der Ehrung zu etablieren verstanden.

Die von Skowronek besprochenen Porträts zahlreicher bedeutender Dichter des deutschen Barocks von Martin Opitz (1597-1639), über Georg Philipp Harsdörffer (1607-1658), Andreas Gryphius (1616-1664), Sigmund von Birken (1626-1681), Regina Magdalena Limburger (gest.1691) bis hin zu Sidonia Hedwig Zäunemann (1714-1740) überraschen aufgrund ihrer variantenreichen Inszenierung, doch lässt sich an ihnen erwartungsgemäß oft mehr über die posthumen Funktionalisierungen der Autoren erfahren, als über ihr persönliches Selbstverständnis. Neben Martin Opitz, der zum Wegbereiter der deutschen Lyrik und nationalen Integrationsfigur stilisiert wurde, wird dies besonders deutlich in den posthumen Porträts der Dichterinnen, deren Werk in den in der Regel von Freunden stammenden Beischriften zugunsten von Bescheidenheits- und Frömmigkeitstopoi eher degradiert, als ins rechte Licht gerückt wird. Erst im Porträt der Sidonia Hedwig Zäunemann von 1738, auf dem die Dichterin selbstbewusst mit Lorbeerkranz und Schreibfeder ihren Betrachter herausfordernd anblickt, scheint dieses Verständnis der dichtenden Frau gebrochen zu sein, doch handelt es sich hierbei um ein noch zu Lebzeiten entstandenes "echtes" Autorenbildnis, das für die Ausgabe ihrer Gedichtesammlung "Poetische Rosen in Knospen" als Titelkupfer konzipiert wurde.

Von besonderem Interesse sind die von Skowronek als "Gesellschaftporträts" bezeichneten Bildnisse, die im Zusammenhang der großen literarischen Vereinigungen des deutschen Sprachraums entstanden, wie etwa die 1617 gegründete "Fruchtbringende Gesellschaft" oder der "Pegneische Blumenorden", der seine Gründung Harsdörffer verdankt. Hier wäre es wünschenswert gewesen, wenn die Autorin die Ziele dieser literarischen Vereinigungen ausführlicher behandelt und die Porträts nach den Mitgliedschaften der Dichter besprochen hätte, anstatt sie als allzu persönliche Inszenierung aufzufassen. Drei der interessantesten Porträts zeigen Mitglieder des Pegneischen Blumenordens: Georg Philipp Harsdörffer, Sigmund von Birken und Maria Catharina Stockfleth. Sie zeichnen sich durch ihren singulären Bezug zur klassischen Mythologie aus. Während Harsdörffers unter einem papiernen Vorhang verborgenes Bildnis aus seinen "Frauenzimmer-Gesprächspielen" als kolossale, von einem Lorbeerkranz gerahmte Porträtbüste auf dem vor den Toren Nürnbergs liegenden Helikon inmitten der von Apoll präsidierten Musen thront, lassen sich Sigmund von Birken, der dem Orden von 1662 bis zu seinem Tode 1681 vorstand, und die Dichterin Maria Catharina Stockfleth als Pegnitzschäfer Floridan und Dorilis darstellen. Das von Jakob von Sandrart gestochene Bildnis Birkens ist von hoher Qualität und durch die antikisierende kolossale Büste des Dichters inmitten einer arkadischen Landschaft von großem Interesse. Skowronek tut dem wahrscheinlich posthum entstandenen Bildnis jedoch unrecht, wenn sie es allein als Ausdruck eines barocken Rollenspiels versteht, das dem Dichter nur in dieser Verkleidung eine private, geschichtsenthobene Inszenierung ermögliche. Vielmehr ist zu vermuten, dass das Bildnis eine programmatische Bedeutung für den pegneischen Blumenorden hatte. Von welcher Tragweite gerade die arkadische Hirtenwelt für das Selbstverständnis literarischer Vereinigungen war, zeigt nicht zuletzt die Tatsache, dass sich auch eine der wichtigsten Akademien Italiens "Arcadia" nannte. Mithilfe von Wolfgang Isers Verständnis der Bukolik als Paradigma literarischer Fiktionalität ließe sich das Imaginäre dieses Bildnis nicht allein im Kontext absolutistischer Zwänge deuten.

Dass graphische Porträts in einem intermedialen Spannungsverhältnis stehen, und Anleihen an andere Porträtgattungen wahrscheinlich sind, wird von Skowronek nur wenig berücksichtigt. Am Beispiel eines posthumen Porträts Harsdörffers verweist sie zurecht auf einen Titelkupfer mit dem ebenfalls in eine Portalarchitektur eingebundenen Bildnis des Kaisers Matthias. Skowronek schließt daraus jedoch in Unkenntnis der Porträtkonventionen der Zeit vorschnell auf eine allzu enge Verbindung zum Herrscherporträt. Gerade auch das sehr qualitätvolle Porträt Daniel Caspar von Lohensteins von 1688, das den Dichter selbstbewusst am Schreibtisch mit einer Tacitusausgabe in Händen zeigt, ließe sich besser mit Künstlerporträts wie dem Charles Le Bruns von Largillière vergleichen als ausgerechnet mit Rigauds Porträt Ludwigs XIV.

Wie die Autorin zu Recht betont, zeugen die Inschriften der barocken Porträts von einer Rivalität zwischen dem vergänglichen Schein der Gestalt des Porträtierten und dem Verweis auf die Schriften als "wahres Porträt" und Garant für ein ewiges Nachleben. Dennoch spielt gerade die anschauliche Präsenz des abwesenden Dichters im Porträt eine nicht unerhebliche Rolle für dessen Nachleben. In dieser Ambivalenz spiegelt sich nicht zuletzt eine grundsätzlichere zwischen Bild und Schrift als Gedächtnismedien, die im Glauben an die Schrift als kongeniales Medium des Geistes (Aleida Assmann) verankert ist, den Bezug von Bild und Tod, auf den Hans Belting erst jüngst verwiesen hat, jedoch nicht verleugnen kann. Während die Schrift zwar das Weiterleben des Werkes garantierte, stellte erst das Bildnis die bleibende Verbindung des Werkes mit seinem Urheber über den Tod hinaus sicher. Aus dieser Perspektive betrachtet zeugen gerade die Bildnisse des Barock von der Konstitution des Autors als Urheber und Eigentümer des Textes.


Elisabeth Oy-Marra

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Empfohlene Zitierweise:

Elisabeth Oy-Marra: Rezension von: Susanne Skowronek: Autorenbilder. Wort und Bild in den Porträtkupferstichen von Dichtern und Schriftstellern des Barock, Würzburg: Königshausen & Neumann 2000
in: KUNSTFORM 2 (2001), Nr. 3,

Rezension von:

Elisabeth Oy-Marra
Institut für Kunstgeschichte, Johannes Gutenberg-Universität, Mainz

Redaktionelle Betreuung:

Jan Mohr