Rezension

Christina Grimminger: Otto Gebhard (1703-1773). Leben und Werk des Prüfeninger Barockmalers, Regensburg: Schnell & Steiner 2000,
Buchcover von Otto Gebhard (1703-1773)
Angelika Mundorff / Eva von Seckendorff: (Hg.) Inszenierte Pracht. Barocke Kunst im Fürstenfelder Land, Regensburg: Schnell & Steiner 2000,
Buchcover von Inszenierte Pracht
rezensiert von Cordula Boehm, Institut für Kunstgeschichte, Ludwig-Maximilians-Universität, München

Mit 'inszenierter Pracht' - Pracht als deutscher Begriff für die Herrschertugend Magnificentia, die in Zeremoniell, Kleidung und Kunst die Macht und die Gewalt eines Herrschers repräsentierte - ist in diesem Band konkret die Magnifizenz des Klosters Fürstenfeld, dem wittelsbachischen Hauskloster, gemeint. Die höchste Pracht galt der göttlichen Majestät, die jedem Besucher beim Betreten der Klosterkirche in dem großartigen Bau Viscardis mit der hervorragenden Ausstattung der Brüder Asam und der Stukkatoren Appiani (1699-1741) vor Augen geführt werden sollte. Gleichzeitig repräsentierte sich der Abt als Princeps ecclesiasticus. Das Gesetz des 'decorum' bestimmte den Aufwand des jeweiligen Schmuckes ('ornatus'), der dem Ort und dem Zweck angemessen sein musste. Die Beachtung dieses Gesetzes wird (im Beitrag Hundemer) in Anlehnung an die 'Rhetorica' des Aristoteles als eine der Grundforderungen der rhetorischen Lehre herausgestellt, die im Barock nicht nur der Sprachkunst die Regeln vorgab, sondern auch der Bildkunst. Und im Gegensatz zur protestantischen Kirche, die mit der Predigt auf die überzeugungskraft des Wortes setzte, inszenierte die katholische Kirche die christliche Heilsbotschaft als sinnenfreudiges Ereignis aufgrund der psychologischen Erkenntnis, dass das 'Auge, das vornehmste aller Sinnesorgane, die Dinge nicht wie das Ohr nacheinander, sondern auf einen Blick erfahre und damit das Tor sei, das den Sinneseindruck auf direktem Wege zur Seele lenke'. So entstand in der Gegenreformation eine rhetorisch und dramaturgisch wirksame Bildsprache, die der barocken Kunst in Süddeutschland ihre überwältigende Sinnlichkeit und Pracht verliehen hat. Im Zusammenspiel aller Kunstgattungen entstand die Inszenierung des 'Theatrum Sanctum', das dem Lebensgefühl der Zeit entsprach, Realität in scheinhafte Sinnschichten aufzulösen.

Das Buch erschien im Zusammenhang mit einer Ausstellung gleichen Themas, die im Sommer 2000 vom Heimatmuseum der Stadt Fürstenfeldbruck veranstaltet wurde. Als Mittelpunkt der Ausstellung war die Klosterkirche gedacht, neben der im südlichen Trakt des ehemaligen Klosters in den letzten Jahren Museum und Kulturzentrum der Stadt Fürstenfeldbruck aufgebaut wurden. Die Idee, das Buch nicht als Katalog, sondern als Aufsatzsammlung und Handbuch zu gestalten, bewährte sich nach Abschluss der Ausstellung. Die zum Teil erlesenen und schwer zu beschaffenden, teils unbekannten und aus Privatbesitz entliehenen Ausstellungsstücke waren unter verschiedenen Gesichtspunkten gruppiert: Künstler - Werkprozesse - Vorlagenschatz für Freskanten- rhetorische Struktur und sinnliche Erkenntnis - Theatrum sanctum - wirtschaftliche und machtpolitische Aspekte. Auf diese Themen sind die Beiträge in dem Band abgestimmt und die (aus finanziellen Gründen leider nur spärlich abgebildeten) Exponate beispielhaft einbezogen. Lothar Altmann gibt als ausgezeichneter Kenner eine übersicht über die im Fürstenfelder Bereich tätigen Künstler nach Hof- und bürgerlichen Künstlern aus München, nach Auswärtigen - 'Saisonarbeitern' aus Italien, Wessobrunn, Vorarlberg -, nach ansässigen und nach Künstlern aus benachbarten Kunstzentren. Angelika Mundorff untersucht die Werkprozesse unter den Gesichtspunkten Auftraggeber, Bildidee, Werkstattmaterial, Entwurfstätigkeit und Ausführung anhand vieler ausgesuchter Beispiele, Karin Friedlmaier speziell die Druckgraphik als Vorlagenschatz für Maler und Freskanten. Unter dem Titel 'Barocke Bilderpracht und sinnliche Erkenntnis' erklärt Markus Hundemer das theologisch-rhetorische Gerüst am Beispiel verschiedener Kirchen, zu dem Eva von Seckendorff in ihrem Beitrag 'Theatrum sacrum' die Theatralisierung des Kirchenraums bildhaft vorführt. über die wirtschaftlichen und machtpolitischen Aspekte und die diesbezüglich wichtige Bedeutung der Klöster unterrichtet Klaus Wollenberg.

Das letzte Drittel des Bandes nimmt ein Kirchenführer zu den Barockkirchen des Fürstenfelder Lands ein, einer im Einflussbereich zwischen München und Augsburg gelegenen Kunstlandschaft mit vielen Barockkirchen und reichen Ausstattungen. Zu den Kurztexten von Michael Andreas Schmid und Aufnahmen von Konrad Rainer und Wolfgang Pulfer gehört eine übersichtskarte mit Tourenvorschlägen, die im Rahmen der Ausstellung als Kunstfahrten angeboten wurden - in Anlehnung an die 1999 von der Europäischen Kommission unter dem Titel 'Museum ohne Grenzen' erklärte Route II der Ausstellungsstraße Barock & Rokoko. (Nicht zu verstehen, warum in der zu jeder Kirche angegebenen Literatur der 1995 erschienene Band 'Landkreis Fürstenfeldbruck' in der Reihe 'Corpus der barocken Deckenmalerei in Deutschland' mit neuen Forschungsergebnissen nicht berücksichtigt wurde.)

In dem Zusammenhang ist das handliche, ansprechend aufgemachte Paperback auch ein Kunstführer für einheimische und reisende Kirchenbesucher. Seine Stärke und Vielseitigkeit liegt in der Absicht der Herausgeberinnen, dem Leser die Kunstwerke aus verschiedenen Blickwinkeln zu erschließen: aus der Zeit des Barock und Rokoko, vom Gesichtspunkt des Auftraggebers und des Künstlers, die Entstehung eines Kunstwerks und das Veständnis seiner Bildsprache. Glanzlichter dazu liefern einige Aufnahmen des unvergessenen Fotografen Wolf-Christian von der Mülbe.

Die 1999 als Dissertation an der Universität Eichstätt angenommene Monographie behandelt den Freskanten Otto Gebhard, dessen umfangreiches Werk die Malerei des 18. Jahrhunderts in Regensburg und der Region bestimmte. Otto Gebhard führte zusammen mit seinem Vater Johann Gebhard (1676-1756) eine Werkstatt in der Klosterhofmark Prüfening bei Regensburg. Zwischen 1726 und 1750 arbeiteten sie als Freskanten zusammen - hier zeigt die Autorin das wohl einmalige Beispiel einer Zusammenarbeit auf, die sich in einem gemeinsamen Werkstattsignum (J.O.Gebhard) manifestierte. Obwohl sich Christine Grimminger auf die Fresken Otto Gebhards konzentrierte, war zur genauen Scheidung des Oeuvres der seit jeher in der Literatur verwechselten Maler und zur Charakterisierung ihres künstlerischen Schaffens die systematische Bestandsaufnahme aller Decken-, Wand- und Tafelgemälde notwendig. Johann Gebhard blieb bis ins hohe Alter mehr der Tafelmalerei treu, während Otto Gebhard seine Entwicklung auf dem Gebiet der kirchlichen Großmalerei nahm und mit der Ausformung eines eigenen Freskostils als die treibende Kraft in der Gebhard-Werkstatt anzusehen ist.

Gebhards Bedeutung wurde immer mit Cosmas Damian Asam zusammengebracht und als Lehrer-Schüler-Verhältnis gedeutet. Dass sich ab etwa 1735 bei den Gebhards ein Asam-Stil reinster Ausprägung durchgesetzt hat, der einer einzigen Zusammenarbeit, nämlich der 1731-33 gemeinsam durchgeführten Umgestaltung der Benediktinerklosterkirche St. Emmeram in Regensburg zu verdanken sei, konnte in der Arbeit richtig gestellt werden. In den Jahren davor wurde die stilistische Abhängigkeit von Dekorationsarbeiten am Münchner Hof, besonders von der Ausstattung des Neuen Schlosses in Schleißheim, nachgewiesen.

Die Durchforstung aller in Frage kommenden archivalischen Bestände brachte eine enorme Materialsammlung zutage, die nicht nur unter kunstgeschichtlichen, sondern auch unter sozial- und kulturgeschichtlichen Aspekten ausgewertet wurde. Die Rolle des Abtes Otto Kraft, der - ein Fund am Rande - nicht nur den Maler, sondern auch die 'Mahlerin' privilegierte - er brachte den jungen Johann Gebhard aus Säben mit, machte ihn zu seinem Kammerdiener und seine Frau zu seiner Haushälterin und hatte sich vonseiten des Konvents wegen allzu familiären Umgangs mit den Gebhards zu verteidigen-, gibt ebenso interessante Einblicke in die soziologischen Gegebenheiten der Klosterhofmark wie in die Zusammenarbeit der Maler mit den in der Hofmark ansässigen Stuckateuren und Bildhauern, die das Gepräge einer von einem geistlichen Territorium wesentlich mitgestalteten Kunstlandschaft erhellen. Dass die Stifte und Klöster die Entfaltung der kulturellen Kräfte in und um Regensburg übernahmen, hing mit der fehlenden Bedeutung der Stadt zusammen, die im 18. Jahrhundert weder als Reichsstadt noch als Sitz eines Fürstbistums eine kunstfördernde Institution von Rang darstellte - kein Fürstbischof hat in dieser Zeit in Regensburg residiert. Insofern kann Otto Gebhard als der produktivste und künstlerisch bedeutendste einheimische Freskant gelten, der den 'Asam-Stil' weniger bedeutenden Gestaltungsaufgaben angepasst hat und der während der fast 50 Jahre seines Schaffens wie Asam mehr der Barockmalerei verpflichtet war als dem Rokoko.

Der Katalogteil behandelt neben 95 Tafelgemälden und 16 ölskizzen 38 Freskoobjekte nach den Stichpunkten Bau und Auftrag, Bezeichnung, Zustand, Dekorationssystem, Freskenprogramm, davon 37 kirchliche und nur ein profaner Auftrag in Schloss Alteglofsheim. Als wichtiges Gestaltungselement bei Gebhard wird das Dekorationssystem bewertet, das von den frühen bis zu den späten Werken nebeneinander jochgliedernde ebenso wie gewölbeüberspannende Fresken und die goldbrokatierte Kuppelschale mit Himmelsöffnung ebensowie die fortlaufende Architekturkulisse zuläßt, das typische Rokokoschema der umlaufenden Szenerie aber nur zweimal, in Frauenzell und in Regensburg Hl. Kreuz, verwendet.

Eine bestens recherchierte, gut dargebotene und reich bebilderte Monographie mit übersichtlichen Gesamtaufnahmen und vielen Vergleichsbeispielen. Was ich bei dem umfangreichen Material zur besseren übersicht, als Anreiz und zum Nachschlagen vermisse, sind eine topographische Karte und zum vorhandenen Ortsregister ein Personen- und ikonographisches Register.


Cordula Boehm

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Cordula Boehm: Rezension von: Christina Grimminger: Otto Gebhard (1703-1773). Leben und Werk des Prüfeninger Barockmalers, Regensburg: Schnell & Steiner 2000
Angelika Mundorff / Eva von Seckendorff: (Hg.) Inszenierte Pracht. Barocke Kunst im Fürstenfelder Land, Regensburg: Schnell & Steiner 2000
in: KUNSTFORM 2 (2001), Nr. 2,

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Cordula Boehm
Institut für Kunstgeschichte, Ludwig-Maximilians-Universität, München

Redaktionelle Betreuung:

Peter Helmberger