Rezension

Franz Bischoff: Burkhard Engelberg. "Der vilkunstreiche Architector und der Statt Augsburg Wercke Meister". Burkhard Engelberg und die süddeutsche Architektur um 1500. Anmerkungen zur sozialen Stellung und Arbeitsweise spätgotischer Steinmetzen und Werkmeister, Augsburg: Wißner 1999,
Buchcover von Burkhard Engelberg. "Der vilkunstreiche Architector und der Statt Augsburg Wercke Meister"
rezensiert von Alexander Markschies, Institut für Kunstgeschichte, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule, Aachen

Im Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler schrieb Georg Dehio 1908 über den Augsburger Architekten Burkhard Engelberg (ca. 1450 bis 1512), er sei ein zu seiner Zeit berühmter Meister, der künstlerische Wert seiner Leistung werde aber heute noch überschätzt. Ausdrücklich begründete er dies mit dem Langhaus von St. Ulrich und Afra in Augsburg - Engelbergs Hauptwerk -, eine "Anlage in den alten Bahnen ... sehr hoch, aber eigentlich ohne inneren Schwung" (Bd. 3, S. 38). Bis heute hat sich diese Meinung - mit Ausnahme eines lexikographischen Aufsatzes von Norbert Lieb - im wesentlichen gehalten: Pinder bezeichnete Engelberg als "spießig", Clasen als "akademisch", und nach Götz Fehr zeigen seine Bauten eine "vergreisende Formgesinnung". Soviel Negativurteil muß neugierig machen. So könnte man etwa Georg Dehio attestieren, daß dieser in St. Ulrich und Afra ein von Auftraggeber und Architekt bewußt gewähltes Stilidiom erspürt hat. Dort wäre demnach in Typus und Form so gebaut worden, wie es sich für einen Ordensbau der Benediktiner geziemt.

Daß aber in diesem Burkhard Engelberg sehr viel mehr Potential steckt, als sich durch die rein ästhetischen Urteile einer geschmäcklerisch argumentierenden Kunstgeschichte erfassen läßt, führt jetzt Franz Bischoff vor. In seiner umfassend angelegten und auf eine über zwanzigjährige Beschäftigung zurückgehenden Arbeit vermag er ein gänzlich neues Bild des Architekten zu zeichnen. Von dessen zeitgenössischem Ruhm zeugen zwei Zeichnungen von Hans Holbein d.ä. und eine Inschrift rechter Hand des Nordwestportals von St. Ulrich und Afra - wohl ursprünglich ein Epitaph oder eine Grabplatte und spätestens im 17. Jahrhundert an den heutigen Standort verbracht. Dort wird er als "vilkunstreicher Architekt" gepriesen und ausdrücklich seine Tätigkeit als Augsburger Werkmeister und Leiter des Neubaus von St. Ulrich und Afra benannt wie auch seine Leistung bei der Reparatur schadhafter Bauten, namentlich des Ulmer Münsterturms, memoriert - hier hatte sich Engelberg gegen eine Konkurrenz von 28 Fachleuten mit der Reparatur der offenbar zu schwachen Turmfundamentierung für das Amt des Münsterbaumeisters empfohlen. Darüber hinaus bezeugt aber die unvergleichlich große zeitgenössische Nachfrage seinen Ruhm: U. a. in Schwaz (Tirol) und Bozen, Konstanz, Bern und Heilbronn war er an der Errichtung von Turmbauten beteiligt, für Friedrich den Weisen führte er einen Anbau der Wittenberger Schloß- und Universitätskirche aus - und dies alles umfaßt nur einen geringen Teil seiner Tätigkeit außerhalb Augsburgs. Daselbst errichtete er neben zahlreichen Arbeiten im Auftrag der Kirche auch etliche Privathäuser, so etwa für die Fugger. Das eigentlich Spektakuläre an der Arbeit Bischoffs ist, daß er alle diese Projekte ausführlich dokumentiert, aber darüber hinaus noch im Hinblick auf aktuelle Forschungsansätze grundsätzliche Erkenntnisse aus seiner reich ausgebreiteten Materialfülle zu ziehen vermag: Selten findet man Fragen ähnlich eloquent diskutiert, etwa zum Thema des Planungsprozesses (Arbeitsteilung, z. B. S. 122f.; Verwendung von Baumodellen, S. 263ff.; Entwurfspraxis, die u.U. auch für die Vollendung von Bauten nicht die Kenntnis aus eigener Anschauung voraussetzte, S. 150-154; zur sozialen Stellung des Architekten sowie zu seinen verschiedenen Aufgabenfeldern zwischen künstlerischem Entwurf und souveräner Handhabung von Bautechniken; zur Frage von Steinmetzzeichen als Grundlage für Zuschreibungen, S. 374ff.). Und auch zu zwei Augsburger Projekten, die in den letzten Jahren immer wieder im Blick der Forschung standen, kann Bischoff neue Erkenntnisse beitragen: Das von Maximilian geplante Reitermonument für St. Ulrich und Afra wird vergleichend in dessen Patronagepolitik um 1500 eingebettet und die Rolle Engelbergs beim Neubau der Fuggerkapelle ebenda herauspräpariert. Die Frage der Angemessenheit von Ordensarchitektur - hier der Bauten der "Melker Reform" - wird ausführlich diskutiert.

Aber nicht nur die Ergebnisse einer beeindruckenden Kenntnis der Literatur wie offenbar gründlicher Archivstudien vermag Bischoff hier zu einem facettenreichen Bild des Architekten Engelberg zusammenzustellen, vielmehr kommt auch die anschauliche Analyse der Steinmetzarbeiten, ja der Architektur insgesamt nicht zu kurz, mit der Zuschreibungen überprüft und die künstlerische Herkunft des Meisters näher begründet werden können. Bischoff rekonstruiert damit Engelbergs Tätigkeitim Kontext seines sozialen, wirtschaftlichen und künstlerischen Umfelds. Insgesamt wird das aufwendig gestaltete und zudem angenehm lesbare Buch so zu einem nordalpinen Gegenstück zu Richard Goldthwaites umfassend angelegter Studie über die Architektur im Florenz der Renaissance (Baltimore 1980), die es jedoch übertrifft, indem Bischoff den Quellenwert des Kunstwerks ernstnimmt.


Alexander Markschies

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Alexander Markschies: Rezension von: Franz Bischoff: Burkhard Engelberg. "Der vilkunstreiche Architector und der Statt Augsburg Wercke Meister". Burkhard Engelberg und die süddeutsche Architektur um 1500. Anmerkungen zur sozialen Stellung und Arbeitsweise spätgotischer Steinmetzen und Werkmeister, Augsburg: Wißner 1999
in: KUNSTFORM 1 (2000), Nr. 2,

Rezension von:

Alexander Markschies
Institut für Kunstgeschichte, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule, Aachen

Redaktionelle Betreuung:

Jan Mohr