Christian M. Geyer

Christian M. GEYER
Der Sinn für Kunst – die Skulpturen Antonio Canovas für München
Dissertation, abgeschlossen im Oktober 2009 - Publikation ist 2010 erfolgt, Johann Wolfgang Goethe-Universität zu Frankfurt am Main/ Kunstgeschichtliches Institut

Canova, um 1800 Künstler von europäischem Renommee mit Aufträgen aus zahlreichen eu-ropäischen Staaten und selbst den USA, erhielt 1807/8 die einzigen deutschen Aufträge aus München. Dort befanden sich zeitweilig sechs bedeutende Skulpturen, von denen drei dort verblieben sind. Trotz der anfänglichen Begeisterung kam es bald und schon zu Lebzeiten zur Abwertung Canovas, die in Deutschland bis heute fortwirkt. In diesem Bewertungsprozess spielten „Kunstrichter“ (Fernow, Meyer u.a.), die Vorläufer der sich entwickelnden Kunstgeschichte, eine wichtige Rolle, mussten sich als qualifizierte Sprecher des „Sinns für Kunst“ aber erst durchsetzen. In der Analyse des deutschen Canova Diskurses (1799-1830) findet deshalb nicht nur eine intensive Analyse ihrer Beiträge statt, sondern wird anhand um-fangreicher Quellenstudien die Polyphonie der nur teilweise schriftlichen Diskursbeiträge rekonstruiert: Skulpturen Entstehung, Erwerbungsgeschichte und Aufstellung in höfischen Kontexten, Präsenz der Skulpturen in anderen Medien (Abgüsse, Graphiken, Tafelaufsätze usw.), Texte verschiedenster Reichweite.
Es lässt sich im Vergleich mit dem durch die Pariser Salons geprägten französischen Diskurs (Qautremère de Quincy) zeigen, dass im deutschen Diskurs selten unbefangen die Originalskulpturen mit ihren Qualitäten, sondern meist schwache Reproduktionen, überlagert durch wertende Vorurteile, wahrgenommen wurden. Die Ablösung von Canova durch Thorvaldsen in der öffentlichen Wertschätzung kann als Objektivierung des 1815 begonnenen Wertewan-dels gelesen werden. Die Institutionalisierung der Kunstdiskurse, z.B. durch die Gründung des Kunstblatts und die Professur für Ästhetik 1826 in München, wurde zunehmend  zur Stabilisierung und Formung gesellschaftlicher Wertvorstellungen genutzt.

ISBN 978-3-7861-2633-1

Kontakt: geyer AT stud.uni-frankfurt.de